18.54
Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen und alle, die noch vor den Bildschirmen zu Hause sitzen und den Bundesrat verfolgen! Ich habe einen Vorschlag für die nächste Bundesratssitzung, mir ist ein lustiges Trinkspiel eingefallen: Schauen Sie sich die nächste Sitzung an und jedes Mal, wenn ein ÖVP-Bundesrat hier ein Danke an ein Regierungsmitglied sagt, dann trinken Sie ein Stamperl! Machen Sie sich am Nachmittag aber keine Termine aus, denn es wird sehr viel Trinkfestigkeit notwendig sein. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Steiner: Da hast du um 14 Uhr schon einen Vollrausch!)
Ernsthaft, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Regierung wird es überleben, wenn man nicht jeden zweiten Satz mit danke beginnt. Das ist wirklich ein bisschen übertrieben.
Herr Minister, vielleicht zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz: Ich habe Ihnen bei Ihrem Antrittsbesuch ja versprochen, dass ich versuche, konstruktiv auf Ihre Vorschläge und auch darauf, was Sie machen, einzugehen und auch differenziert damit umzugehen. Deswegen kann ich auch sagen, dass in diesem Gesetz durchaus Dinge enthalten sind, die wir als Sozialdemokratie unterstützen. Dass das Pflegegeld zukünftig bei den pflegenden Angehörigen nicht auf die Sozialhilfe angerechnet wird, ist eine positive Sache. Das kann man so sagen, das muss man auch so sagen, das ist eine Verbesserung.
Das Problem, das wir generell mit diesem Gesetz haben, ist ein einfaches. Ich habe sieben Jahre lang Fußball gespielt, und dann weiß man, dass es, wenn man 10 : 0 hinten nach ist, nicht hilft, wenn man drei Tore schießt, denn das reicht nicht aus, damit zu gewinnen.
Ähnlich ist es bei der Sozialhilfe auch. Mit diesem Gesetz werden den Ländern ganz viele Kannbestimmungen vorgeschrieben. Das heißt, die Länder können etwas machen, sie müssen es aber nicht. Das ist gerade im Bereich der Sozialhilfe eine durchaus bedauerliche Sache. (Bundesrat Preineder: Das ist Subsidiarität!) – Von der Seite ist die Subsidiarität gekommen. Ja, aber wenn Sie sich die Ausführungsgesetzgebung in der Bundesverfassung genau anschauen, dann wissen Sie natürlich auch, dass man bei einer Grundsatzgesetzgebung schon auch verpflichten kann und die Länder das dann binnen eines Zeitraumes umsetzen müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Preineder: Der Doskozil sieht das anders!)
Da muss man nicht mit Kannbestimmungen arbeiten, und das ist ein Grundverständnis der Bundesverfassung, das ich eigentlich bei einem Bundesrat voraussetzen kann. Das will ich Ihnen auch sagen, Herr Kollege. (Bundesrat Himmer: Aber die eigene Meinung kann man nicht voraussetzen! Die darf man sich schon selber bilden!) – Die eigene Meinung darf er sich natürlich selbst bilden. (Bundesrat Himmer: Die eigene Meinung! Und da hat er eine andere!) Er hat nur gemeint, es liegt im Grundsatz der Subsidiarität, dass man das nicht machen kann. Das ist falsch, das ist rechtlich schlicht falsch. (Bundesrat Himmer: Aber den kann man verwenden oder auch nicht, den Grundsatz!) – Den Grundsatz kann man gut finden oder auch nicht. Im Rahmen der Europäischen Union ist es relativ wurscht, ob Sie ihn gut finden oder nicht, denn da gilt er. In dem Fall geht es aber um Ausführungsgesetzgebung, und da kann der Minister sehr wohl auch ein Gesetz vorschlagen, und das Parlament kann auch ein Gesetz beschließen, das Länder zu etwas verpflichtet. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Das wurde in dem Zusammenhang jetzt nicht gemacht, was bedauerlich ist.
Weiters ist es bedauerlich, dass es eine vertane Chance ist, weil es so viele Punkte gibt, die im Argen liegen. Was meine ich damit? – Wer vor einem Jahr Probleme hatte, mit dem auszukommen, was er verdient, wer wirklich finanzielle Sorgen hatte, hat heute noch mehr Probleme, weil alles im Schnitt um 8 Prozent teurer ist. Wenn er sich Butter leisten will, dann ist sie um 26 Prozent teurer geworden, genauso beim Salat oder beim Faschierten. Die Menschen haben Probleme damit, über die Runden zu kommen. Das ist nicht nur eine Sache, die dahingesagt ist, deren muss man sich auch annehmen.
Was wir von der Regierung immer wieder hören – das habe ich heute auch schon wieder gehört –, ist, dass das Geld nicht da ist. Das ist schlicht unwahr! Das Geld ist natürlich da. Der Finanzminister wird – das habe ich schon gesagt – 11 Milliarden Euro zur Verfügung haben, 11 Milliarden Euro, die man verteilen kann. Das heißt, hier könnte man sehr wohl etwas machen.
Sie haben jetzt eine Pflegereform auf den Weg gebracht. Wir müssen jetzt einmal abwarten, was schlussendlich von dieser Pflegereform konkret überbleibt. In der Pflegereform sind aber Punkte enthalten, die man durchaus auch unterstützen kann. Wir wollen schauen, wie ernst Sie es meinen.
Ich bringe deswegen folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der BundesrätInnen Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen betreffend „vorgezogene Anpassung des Pflegegeldes“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege- und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat eine Regierungsvorlage für eine vorgezogene Anpassung des Pflegegeldes mit 1. Juli 2022 in Höhe von zumindest 5 Prozent zur Beschlussfassung zu übermitteln.“
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Das würden wir uns wünschen. Es ist ein bisschen ein Lackmustest für die Regierungsparteien, wie sie zu so einem Entschließungsantrag stehen. Denn auf der einen Seite zu sagen, man nimmt die Inflation ernst und versucht, sich um Menschen zu kümmern, auf der anderen Seite so einem Vorschlag dann nicht zuzustimmen, ist ein bisschen heuchlerisch. Das muss man auch so sagen. (Beifall bei der SPÖ.)
Herr Minister, zu guter Letzt noch ein Vorschlag: Wenn Sie wirklich bei der Sozialhilfe etwas voranbringen, werden Sie die Stimmen der SPÖ für weitergehende Maßnahmen haben, wenn diese wirklich konsistent und umfassend sind. Und falls Sie nicht wissen, wo Sie das Geld hernehmen: Wie gesagt, fahren Sie ins Finanzministerium, nehmen Sie Kollegen Brunner bei den Füßen und schütteln Sie ihn ordentlich, bis die Goldmünzen herausfliegen! Dort ist viel zu holen. 11 Milliarden Euro liegen dort, die gehören den Österreicherinnen und Österreichern, und es ist Ihre Aufgabe, dass es die Richtigen sind, die das bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)
18.59
Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „vorgezogene Anpassung des Pflegegeldes“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile dieses.