Schlussansprache der Präsidentin

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen zu Hause! Verehrte Gäste auf der Galerie! Ich begrüße heute vor allem auch die Schülerinnen und Schüler aus Vor­arlberg vom Borg Götzis und deren Lehrkräfte, die heute bei uns auf der Galerie sitzen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße weiters die Fraktionsvorsitzende außer Dienst Monika Mühlwerth, die auch auf der Galerie ist. (Allgemeiner Beifall.)

Morgen wird Vorarlberg den Vorsitz in der Länderkammer und in der Landes­haupt­leutekonferenz an Wien übergeben, die Präsidentschaft im Bundesrat geht für mich damit zu Ende. Mit der Präsidentschaft Vorarlbergs wurde fortgesetzt, was 2019 mit dem Masterplan für den ländlichen Raum begonnen wurde. Der Schwerpunkt dieses Halb­jahres lag in der Zukunft dezentraler Lebensräume. In einer Enquete unter diesem Titel haben wir die Stärken und Schwächen unserer Regionen evaluiert und eruiert, wie wir unsere ländlichen Regionen fit für die Zukunft machen können.

Wir haben uns darüber hinaus aber auch mit aktuellen Herausforderungen an den Arbeitsmarkt und an die Wirtschaft beschäftigt, etwa mit dem Fachkräftemangel, der eine der ganz großen Herausforderungen für unsere Zukunft ist. Wir sehen aktuell, dass viele Arbeitnehmer nach dem Abklingen der Coronapandemie nicht mehr an ihre Arbeits­plätze zurückgekehrt sind, was die Situation auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft weiter verschärft hat. Restaurants, Hotels und Gasthäuser können teils nicht mehr betrieben werden, weil ihnen die Mitarbeiter fehlen. In einem Fachgespräch unter dem Titel „Die Zukunft von Wirtschaft und Arbeit“ haben wir uns deshalb mit Experten unter anderem über verstärkte Aus- und Weiterbildung insbesondere im Bereich der Lehrlinge ausgetauscht.

Eine wesentliche Ursache für Abwanderung und Fachkräftemangel ist das unzureichen­de Angebot an Kinderbetreuung – ein Thema, dessen Lösung mir besonders am Herzen liegt. Das unzureichende Angebot an Kinderbetreuung zwingt viele junge Menschen, junge Familien dazu, aus den ländlichen in die städtischen Gebiete abzuwandern, und steht offenbar dem Wunsch vor allem vieler junger Frauen, Familie und Beruf zu ver­einbaren, im Wege.

Mit dem Phänomen der Abwanderung aus ländlichen Regionen stehen wir in Österreich aber nicht allein da. Nicht nur in Europa, auch in den USA gilt es den Trend der Abwan­derung in die städtischen Gebiete zu stoppen.

Die Präsidiale des Bundesrates hat sich deshalb in Washington bei Vertretern des Exekutivbüros des Weißen Hauses über deren Hilfsprogramm für ländliche Entwicklung erkundigt. Wir haben mit Senatoren und Kongressabgeordneten über neue Ansätze für den Arbeitsmarkt und die duale Ausbildung sowie über das Potenzial und die Risiken der Digitalisierung gesprochen. Vertreterinnen und Vertreter des National Institutes of Health informierten uns über das US-Gesundheitssystem, insbesondere über das The­ma der Altenpflege. In New York standen in Gesprächen mit der Stellvertretenden Gene­ralsekretärin der Vereinten Nationen, der Direktorin von UN Women und der stellver­tretenden Programmdirektorin von Unicef neben der aktuellen humanitären Situation in der Ukraine vor allem auch Frauenarmut, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aber auch der weltweite Zugang zu Bildung im Zentrum.

Damit die aus der Enquete, dem Fachgespräch und der USA-Reise gewonnenen Er­kenntnisse auch auf fruchtbaren Boden fallen und konkrete Schritte nach sich ziehen, habe ich in den letzten sechs Monaten mit 16 unserer Minister, Ministerinnen und Staatssekretärinnen und Staatssekretären (Bundesrat Steiner: ... haben wir genug!) darüber gesprochen. Ich halte es nämlich für wesentlich, dass man als Vorsitzende der Zukunftskammer Bundesrat nicht nur neue Perspektiven entwickelt, sondern die daraus gewonnenen Erkenntnisse auch hinausträgt und entsprechendes Handeln einfordert, schließlich wollen wir auch konkrete Ergebnisse erzielen. Diese Ergebnisse, diese kon­kreten Verbesserungen in den Lebensumständen unserer Bürgerinnen und Bürger sind wichtig für unser Land, wir wollen prosperierende Regionen in Österreich.

Wegen des akuten Arbeitskräftemangels benötigen wir dringend gut ausgebildete Frau­en am Arbeitsmarkt, wir müssen deshalb der Vereinbarkeit von Beruf und Familie einen noch höheren Stellenwert geben. Homeoffice und Telearbeit sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung, dazu bedarf es aber des weiteren Ausbaus von Breitband­internet bis in das kleinste Dorf hinaus.

Auch der Ausbau der Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen muss vorangetrie­ben werden. Mit der kürzlich getroffenen 15a-Vereinbarung über die Elementarpäda­gogik wurde ein weiterer Meilenstein dafür gelegt. Ich werde jedenfalls weiter daran arbeiten, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern, denn dies ist ein sehr wichtiges Zukunftsthema für Österreich.

Vier meiner Vorgänger waren in ihrer Präsidentschaft schon massiv von den Auswir­kungen der Coronapandemie betroffen. Im Februar dieses Jahres ist mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine noch ein weiteres geopolitisches Problem hinzugekommen, das auf uns alle massive Auswirkungen hat. Dieser Krieg hat unermessliches Leid für die ukrainische Bevölkerung gebracht und Teile des Landes in Schutt und Asche gelegt. Ich habe mich mit neun europäischen Parlamentspräsidentinnen in den Flüchtlings­aufnahmezentren in Polen und an der ukrainischen Grenze selbst davon überzeugt, welches Ausmaß an Verzweiflung Russland damit verursacht hat.

Der Krieg in der Ukraine hat Österreich neben der Organisation der Aufnahme von Ukrainevertriebenen noch vor weitere Herausforderungen gestellt, wie etwa die aus­reichende Versorgung mit Gas für Privathaushalte und die Industrie sowie der Umgang mit unterbrochenen Lieferketten, die die Wirtschaft und unser aller Leben beein­träch­tigen.

Ich habe in den letzten Monaten mit zahlreichen Parlamentspräsidentinnen und –prä­sidenten als auch Botschaftern über den Krieg in der Ukraine gesprochen und mich darum bemüht, den Flüchtlingen in Österreich zu helfen und der Ukraine unsere Hilfe beim Wiederaufbau anzubieten.

Als Präsidentin des Bundesrates habe ich unsere Länderkammer auch nach außen vertreten, nicht nur gegenüber internationalen Vertretern im Inland, sondern auch im Ausland, etwa bei Besuchen, wie schon erwähnt, in den USA, aber auch in Warschau oder bei einem Besuch des ungarischen Parlamentspräsidenten und der neuen Staats­präsidentin in Budapest, bei Onlinemeetings mit Parlamentspräsidenten oder von Ange­sicht zu Angesicht in Slowenien beim Treffen der europäischen Parlaments­prä­sidenten.

Es war mir ein großes Anliegen, mit vielen Menschen zusammenzukommen, um zu hören, wo es Probleme gibt und wo wir als Bundesrat in Zukunft etwas bewirken können. Ich habe mich mit Landtagspräsidenten, Volksanwälten, Bezirkshauptleuten und Bür­ger­meistern, mit Kardinal Schönborn und dem Präsidenten der Israelitischen Kultus­ge­meinde Oskar Deutsch getroffen. Ich habe auch Lehrwerkstätten besucht, Unterneh­men im In- und Ausland und den Verein Complexity Science Hub Vienna zur wissen­schaft­lichen Erforschung komplexer Systeme. Im Parlament konnte ich die neue Marke Mobi­litätsverbünde Österreich vorstellen und feuerwehrfreundliche Arbeitgeber aus­zeich­nen.

Es war eine spannende und herausfordernde Zeit, den Vorsitz in der Länderkammer zu führen, ich habe es aber sehr gerne gemacht, weil man etwas bewegen kann. Es war sehr interessant, mit vielen Leuten unterschiedlicher politischer Herkunft, unter­schied­licher Glaubensrichtungen und Kulturen zusammenzutreffen. Solche Begegnungen füh­ren dazu, dass man seinen Standpunkt überdenkt, neue Überlegungen anstellt und sich auch eine neue Meinung zu so manchem Thema bildet.

Lassen Sie mich am Ende noch eines anmerken: Politiker zu sein ist gerade jetzt nicht einfach. Viele negative Einflüsse sind national schwer beeinflussbar, sei es nun eine weltweite Pandemie oder die hohe Inflation. Wir sind manchmal darauf beschränkt, die Auswirkungen solcher Einflüsse möglichst gering zu halten und jenen, die am stärksten davon betroffen sind, helfend zur Seite zu stehen. Den Menschen zu vermitteln, dass nicht jede Krise zu 100 Prozent durch den Staat aufgefangen werden kann, zählt derzeit wohl zu den schwierigsten Aufgaben von Regierungen und Mandataren.

Der Ton in der Politik hat sich zudem weiter verschärft – hier im Haus ebenso wie in den sozialen Medien. Einige politisch Tätige, egal auf welcher Ebene, sind dem hohen Zeit­aufwand, dem medialen Druck und den Anfeindungen in der Öffentlichkeit nicht mehr gewachsen. Fehlverhalten muss aufgeklärt werden, keine Frage, aber politische Vor­verurteilung und mediale Hetze werden sicher nicht dazu führen, dass sich künftig integre Persönlichkeiten aus den verschiedensten Bereichen in der Politik engagieren werden. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Ich möchte daher an alle appellieren, einen Gang herunterzuschalten, wenn Kritik an Politikern geäußert wird, egal, aus welcher Partei sie kommen, egal, auf welcher Ebene sie tätig sind.

Vor allem möchte ich mich zum Abschluss nun bedanken, und zwar bei den Mitar­bei­te­rinnen und Mitarbeitern hier im Haus, bei Bundesratsdirektorin Susanne Bachmann, ihrer Stellvertreterin Alice Alsch-Harant und ganz besonders bei meiner Assistentin Paula Jenner sowie bei Renat Kojic, der mich stets pünktlich und sicher zu allen Ter­mi­nen gebracht hat. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich danke auch dem Internationalen Dienst für die Unterstützung bei den internationalen Gesprächen und Auslandsreisen. Ich danke außerdem den Mitarbeiterinnen und Mit­arbeitern der Veranstaltungsabteilung, die dafür Sorge getragen haben, dass alles rei­bungslos vonstattengegangen ist. Des Weiteren danke ich auch dem Institut für Föde­ra­lismus, insbesondere Altbundesratspräsidenten Georg Keuschnigg, der die letzten sechs Bundesratspräsidentschaften begleitet hat.

Meiner Nachfolgerin, Korinna Schumann, wünsche ich viel Erfolg für die Präsidentschaft Wiens. Wir haben uns in diesem Halbjahr besser kennengelernt und gesehen, dass wir trotz unterschiedlicher Ansätze auch gemeinsame politische Ziele haben. Und genau darum geht es in der parlamentarischen Arbeit gerade im Bundesrat: das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen, die Interessen des Bundesrates vor die eigene Profilierung zu stellen und die Standpunkte der Kolleginnen und Kollegen zu respektieren, selbst wenn man sie nicht immer teilt.

Ich wünsche dir, liebe Korinna, alles Gute, viel Erfolg und dass du zu Silvester dann genauso wie ich heute sagen kannst: Es war zwar anstrengend, aber ich habe es unge­heuer gerne gemacht. Alles Gute! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bun­desrates Arlamovsky.)

Ihnen allen danke ich für die Unterstützung dieser Präsidentschaft. Ich wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen eine erholsame bevorstehende Sommerzeit. – Vielen Dank. (Bei­fall bei ÖVP und Grünen, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)