10.27
Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Minister! Liebe Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, – Gäste sind keine mehr hier, o ja, einer – lieber Gast hier und liebe ZuseherInnen vor den Bildschirmen! Um den bekannten Vorwürfen, die im Entschließungsantrag zum Teuerungsausgleichspaket genannt sind, gleich etwas entgegenzuhalten: Nein, das Paket ist weder willkürlich zusammengeschnürt noch handelt es sich um Einmalzahlungen, die gleich verpuffen – ich werde es jetzt nicht noch einmal wiederholen; auch die Stadt Wien macht solche Einmalzahlungen, aber das ist auch gut so, denn sie gleichen Teuerungen aus , nein, im Gegenteil! ist ein mit Wirtschafts- und SozialexpertInnen durchdachtes Paket, das einen Fokus auf die Menschen mit niedrigem Einkommen legt, nämlich auf die, die die Teuerung am stärksten trifft. Es umfasst verschiedenste Maßnahmen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten zur Auszahlung kommen. Das ist ein wichtiger Punkt.
Ja, es ist nicht der Weisheit letzter Schluss, so anmaßend, glaube ich, kann niemand in dieser Krisensituation sein. Wir haben nicht jedes Jahr Pandemie und wir haben nicht immer Krieg in Europa und es gab auch nicht immer eine menschengemachte Klimakrise, eine Klimakrise, die lange niemandem bewusst war.
Keine Frage, es gibt sicherlich mehrere Ansätze, gegen die Teuerung vorzugehen, aber ein Wunderwuzzimaßnahmenpaket gibt es nicht. Das haben weder Sie, noch haben wir das. Ich glaube, das müssen wir uns zugestehen. Wenn wir das in der Politik endlich einmal als Prämisse annehmen würden, wäre das gut für die Gesellschaft, aber genauso für die Kultur des Umgangs miteinander, dann könnten wir miteinander reden und ein bisschen besser über die Maßnahmen debattieren.
Stattdessen beanspruchen Sie aber, die einzig richtige Lösung zu haben, und behaupten, nur Sie würden den Staat richtig lenken und nur Sie würden sich um die Menschen sorgen. Sie behaupten, die Regierung ist die meiste Zeit untätig, obwohl Sie wissen, dass das alles eine absolute Unwahrheit und eine grobe Unterstellung ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Wir alle können hinsichtlich der Klimakrise mehr Realismus und Wahrheit vertragen, aber genauso hinsichtlich der Ausbeutung, für die wir anderen Staaten gegenüber und anderen Menschen gegenüber verantwortlich sind, aber auch hinsichtlich der Lenkungs- und Teuerungsausgleichsmaßnahmen, die weltweit vorbildlich sind.
Liebe FPÖ und liebe SPÖ, nutzen Sie lieber Ihre Medienmacht und bleiben Sie bei der Wahrheit. (Bundesrat Schennach: Medienmacht?) Das tut nicht nur unserer Debattenkultur gut, sondern würde auch die Politikverdrossenheit der Bevölkerung verringern.
Jedenfalls, das kann ich aus tiefer Überzeugung sagen, hat die Regierung schnell und bedacht und im Austausch mit ExpertInnen und Betroffenen gehandelt. Sie hat schon in den letzten Jahren die Auswirkungen der Coronakrise gedämpft und für den Erhalt der Zahlungsfähigkeit der Menschen gesorgt und Maßnahmen gesetzt, um die fehlenden Einkünfte der Menschen, aber auch der Unternehmen und der Gebietskörperschaften abzufedern.
Vor ein paar Tagen lobte gar der Gemeindebundchef die Gemeindepakete, denn es zeigt sich nun, dass im Vergleich zu den Vorjahren ohne Pandemie im Jahr 2021 besonders viel investiert wurde, die Gemeinden Überschüsse erwirtschaften und sogar Schulden zurückgezahlt haben. – Sie behaupten meistens das Gegenteil. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)
Das Teuerungs-Entlastungspaket ist ein sehr guter Mix aus verschiedenen Unterstützungsleistungen, und es bietet rasche und kurzfristige Maßnahmen, die bald ausbezahlt werden, wie zum Beispiel die doppelte Familienbeihilfe im heurigen August. Es beinhaltet aber genauso Maßnahmen, die etwas später ausbezahlt werden und mittelfristig helfen, wie der Klimabonus, der dieses Jahr im Herbst anfängt. Auch langfristig – auch wenn wir das heute nicht beschließen, ist es aber trotzdem als Gesamtpaket zu sehen – gleichen sie Ungerechtigkeiten aus, Stichwort kalte Progression. Die unterschiedlichen Maßnahmen in den unterschiedlichen Lebensbereichen – vom Autofahren mit der Erhöhung des PendlerInnenpauschales, aber genauso auch des Pendlereuros, über das Wohnen mit dem Wohnschirm – verteilen sich auf die Jahre 2022 bis 2023. Das ist gut so, denn es schützt auch vor Kurzschlussausgaben.
Lassen Sie mich die Maßnahmen, die immer kritisiert und als viel zu wenig angesehen werden, auf einer Zeitschiene darstellen. Folgende Maßnahmen wirken sofort: der Energiekostenausgleich in Höhe von 150 Euro; die Verlängerung des Wohnschirms bis Ende 2023 – das ist die Übernahme der Mietrückstände, damit Wohnungsverlust vorgebeugt wird –; die Erhöhung des Kindermehrbetrags von ehemals 250 auf 550 Euro im Jahr für Alleinerziehende mit geringem Einkommen; die Erhöhung des Familienbonus von 1 500 auf 2 000 Euro im Jahr pro Kind; die steuerfreie Teuerungsprämie in Höhe von 3 000 Euro, die gut für ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen ist; der Teuerungsabsetzbetrag für nicht lohn- beziehungsweise einkommensteuerpflichtige ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen in Höhe von 500 Euro und schließlich die Verdoppelung – ich habe es schon genannt – des PendlerInnenpauschales und der Vervierfachung des Pendlereuro sowie das Aussetzen der Ökostrompauschale und die Senkung der Elektrizitätsabgabe. – Es ist eine lange Liste und ich rede lang dazu und möglicherweise wird manchem fad, weil er das vielleicht schon öfters gehört hat, aber ich finde, man kann es nicht oft genug aufzählen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)
Im August, im Sommer dieses Jahres, werden 180 Euro Familienbeihilfe pro Kind zusätzlich ausbezahlt. Im Herbst 2022 wird erstmalig der Klimabonus von 250 Euro pro erwachsene Person und 125 Euro für jedes Kind ausbezahlt, plus der Antiteuerungsbonus von 250 Euro pro Person und 125 Euro für jedes Kind. Zusätzlich wird ein Teuerungsausgleichsbetrag von 300 Euro an BezieherInnen von Unterstützungsleistungen ausbezahlt. Ab 2023 werden wie angekündigt die Lohnnebenkosten gesenkt, und vor allem wird die Bemessungsgrundlage für die Steuerstufen zu zwei Drittel an die Inflation angepasst, also die kalte Progression abgeschafft. Das verbleibende Drittel – das ist das Spannende und das ist eben nicht etwas, das dann quasi nur reichen Leuten geschenkt wird, sondern ganz im Gegenteil –, das sozusagen nicht an die Inflation angepasst wird, wird direkt an Menschen mit geringem Einkommen weitergegeben. Das ist ein wichtiges Umverteilungsinstrument. Gleichzeitig werden die Sozialleistungen und die Steuerabsetzbeträge an die Inflation angepasst, und damit steigen sie. Die Arbeitslosengelderhöhung wird auch gerade verhandelt.
Die Abschaffung der kalten Progression, die Valorisierung der Sozialleistungen haben schon viele Regierungsprogramme vor unserem enthalten, aber es wurde noch nie umgesetzt. (Bundesrat Obrecht: Das steht nicht auf der Tagesordnung!) In vielen dieser Regierungen waren SPÖ und FPÖ verantwortlich – umgesetzt wird es jetzt. Es ist schade, oder ich sage einmal so, ich bin gespannt, ob Sie dann auch mit uns stimmen werden.
Es steht nicht auf der Tagesordnung, ja, aber es ist trotzdem als Gesamtpaket zu sehen. (Bundesrätin Schumann: Nein, es ist jetzt nicht da!) – Das stimmt, es ist jetzt nicht da, aber es ist angekündigt und ich vertraue der Regierung, dass sie diese Ankündigung auch umsetzt. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)
Die verschiedenen Maßnahmen und Auszahlungszeitpunkte sind gut, denn sie verteilen sich bis ins nächste Jahr. Natürlich – da geben wir Ihnen natürlich alle recht – könnte es schneller gehen, das ist keine Frage, aber wir brauchen unsere Verwaltung und wir brauchen dafür leider auch Zeit.
Ja, einige Unterstützungsmaßnahmen kommen allen Menschen in Österreich zugute, allerdings nicht im selben Ausmaß – das Beispiel Klimabonus und die CO2-Bepreisung haben wir auch hier des Öfteren schon gesagt –, in Relation zu den Ausgaben ist es bei manchen Menschen weit weniger.
Wenn Menschen, die mehr Geld haben, mit großen oder mehreren Autos fahren, verbrauchen sie weit mehr CO2 und haben eine höhere CO2-Bepreisung. Für Menschen, die kein Auto haben, die es sich nicht leisten könnten oder die schlichtweg kein Auto wollen, wie es zum Beispiel in Wien sehr viele gibt, zahlt sich das aus, das ist klimaschonendes Verhalten und das zahlt sich auch betreffend das Geld aus. (Bundesrat Spanring: Sehr gut, aber Hauptsache .... !) – Ja, liebe Kollegen von der FPÖ und auch von der SPÖ, Sie wollen Maßnahmen, die nur denen zugutekommen, die es brauchen, und Sie verlangen Mehrwertsteuersenkungen oder Mineralölsteuersenkungen. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Endlich haben Sie es kapiert! Bravo!)
Das passt aber nicht zusammen, denn das kommt nämlich nicht denen zugute, die es brauchen. Es ist nicht gewiss, dass mit diesen Senkungen die Preise für Lebensmittel oder Benzin tatsächlich hinuntergehen, denn wie wir im Umland von Österreich sehen, hat eine Mehrwertsteuersenkung weit mehr Implikationen – das sollten Sie sich anschauen! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie ist nicht nur nicht zielsicher, sondern sie bringt weniger Einnahmen für den Staat (Bundesrat Steiner: Ach so?!) und damit weniger Umverteilungsmöglichkeiten. Des Weiteren müsste die Mehrwertsteuersenkung von den Handelsunternehmen an die KundInnen weitergegeben werden. Das zu überprüfen, ist aber auch kaum möglich. Wir befinden uns immer noch in einer Privatwirtschaft und nicht in einer Planwirtschaft. Ich glaube, darüber sind wir alle froh.
Viele Maßnahmen in diesem Paket, wie der Energiekostenausgleich, der Teuerungsabsetzbetrag, der Teuerungsausgleichsbetrag – ja, ich lese es noch einmal vor –, der Antiteuerungsbonus, der Wohnschirm oder die geplante Valorisierung der Sozialleistungen (Bundesrätin Schumann: Alles Ankündigungen!) kommen vor allem den Menschen mit geringem Einkommen zugute. (Bundesrätin Schumann: Lauter Ankündigungen, aber sonst nix!)
Das ist mit diesem Paket gelungen, und ich muss sagen, ja, ich bin stolz darauf, was in so kurzer Zeit zustande gebracht wurde. Das Gute an Einmalzahlungen – das weiß auch die Stadt Wien –: Sie können bei Bedarf jederzeit ausgeweitet und wiederholt werden.
Alles in allem, das sage ich noch einmal: Es ist ein gutes, ein vielfältiges und damit risikominimierendes Teuerungsausgleichspaket, das jedenfalls den Menschen hilft, denen die Teuerung wehtut. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Mittelstand stirbt aus!) Das sollte in unser aller Sinn sein, daher fordere ich Sie dringendst auf, diesem Paket zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
10.38
Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm das Wort.