19.12

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Das Gasdiversifizierungsgesetz definiert – um es noch einmal ganz kurz zu erklären – im Grunde einen Förderrahmen zur Finanzierung erhöhter Transportkosten durch andere Lieferoptionen oder kann auch den Umstieg auf andere Energieträger finanzieren, um die Versorgungssicherheit zu stützen. Das haben wir bereits im letzten Plenum mit einem Volumen von 100 Millionen Euro beschlossen. In Anbetracht der leider immer realistischer werdenden drohenden massiven Lieferunter­brechung seitens Russlands und damit einhergehenden Preisimplikationen am Markt macht es natürlich Sinn, diesen Unterstützungsrahmen zu erweitern.

Das wurde heute traurigerweise bestätigt, indem Putin ja gedroht hat, weiter die Inbe­triebnahme von Nord Stream 1 nach der Revisionsphase von den Sanktionen abhängig zu machen, wie er meint. Ich habe es gestern schon gesagt: Ich halte es leider für ziem­lich wahrscheinlich, dass der Worst Case eintreten wird. Im Winter wäre es ja fast noch logischer, wenn Putin inzwischen genug Geld hat, um ein paar Monate zu übertauchen, und mit Genuss zuschauen wird, wie Europa natürlich in Schwierigkeiten rutschen wird.

Deswegen ist dieser Rahmen jetzt wichtig, weil man im Krisenfall oder eigentlich zur Verhinderung einer Krise genau diese Spielräume und auch die Reaktionsgeschwin­digkeit braucht. Eigentlich sollte man ja hoffen können, dass sich alle darin einig sind, dass alles getan werden muss, um den Import von russischem Gas zu reduzieren – außer den Freiheitlichen, die dagegen sind, die nicht dieser Meinung sind. (Bundesrat Leinfellner: Wir haben es im Winter gern warm!) Ich hoffe, wenn der Krisenfall eintritt – ich hoffe nicht, dass der Krisenfall eintritt –, können Sie das dann den BürgerInnen erklären. Denn was Sie hier sagen, um gegen dieses Gasdiversifizierungsgesetz und damit gegen eine Diversifizierung der Gaslieferländer aufzutreten, ist, meine ich, vorsätz­liche Schädigung, wie Sie das selber nennen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundes­rätInnen der ÖVP.)

Was gelungen ist, war heute den Medien zu entnehmen, ich möchte es aber auch er­wähnen, weil es schon wichtig ist: Der OMV als wichtigste Händlerin am Gasmarkt für Österreich ist es gelungen, Pipelineleitungsrechte über 40 Terawattstunden zu sichern. Das ist unfassbar wichtig, weil natürlich gerade diese Transportkapazitäten extrem be­gehrt sind und ein heißer Kampf um Durchleitungsrechte besteht. Das ist immerhin in einer Dimension von 40 Terawattstunden und das ist eine gewaltige Menge. Ich war wirklich überrascht, dass es möglich ist, so etwas abzuschließen. Das ist fast die Hälfte des österreichischen Bedarfs.

Übrigens hat die OMV ihre Speicher in der Dimension von 80 Prozent sehr gut gefüllt. Nicht gefüllt sind sie bekannterweise betreffend Speicherkontingente, die von der Gaz­prom und ihren Töchtern verwaltet werden. Sie werden sich hoffentlich daran erinnern, dass wir genau dafür eh vor Kurzem ein Gesetz beschlossen haben, damit eben genau das, was Sie vorhin skizziert haben, nämlich Speicherkapazitäten nur zu buchen, aber nicht mehr zu befüllen, nicht mehr geht. Das heißt, der Staat kann diese Bewirtschaf­tungsrechte schlicht und einfach entziehen, was natürlich ganz, ganz wichtig ist. (Bun­desrat Reisinger: Haidach ist nicht einmal angeschlossen, oder?) – Haidach ist selbst­verständlich schon angeschlossen, sonst könnten wir es auch nicht befüllen. Es ist aber nicht ans österreichische Netz angeschlossen. Das stimmt, aber da sind wir bei einem wichtigen Punkt: Das ganze Krisenmanagement wird selbstverständlich nur in einer eu­ropäischen Solidarität gehen. Im Übrigen wird Haidach sowohl auf der Verteilnetzebene als auch auf der Netzebene 1, also der Übertragungsnetzebene, angeschlossen.

Eine weitere Ergänzung in diesem Gesetz ist die grundsätzliche Absicherung der Finan­zierung der Nachrüstung des Steinkohlekraftwerks Mellach im Energielenkungsfall, wohlgemerkt, auch wenn es nicht ganz so explizit drinsteht. Es ist aus meiner Sicht nachvollziehbar, dass man solche Kosten übernimmt. Immerhin geht es ja um staatlich angeordnete Lenkungsmaßnahmen im Krisenfall. Kein Unternehmen würde von sich aus solche Investitionen setzen, das ist klar. (Bundesrat Leinfellner: Umweltschonend, damit man E-Autos tanken kann! Da fährt man auf Kohle ab!)

Klimapolitisch ist das no na net lustig, das ist klar, das schmerzt, das wollen wir auch gar nicht verheimlichen. Vertretbar ist das im Rahmen der Aufrechterhaltung der Versor­gungssicherheit. (Bundesrat Steiner: Mama, die Frau mit dem Koks ist da!) – Die FPÖ sollte still sein, wenn es um Klimaschutz geht. (Bundesrat Leinfellner: Da wäre das rus­sische Gas ja viel ...!) Da könnt ihr so etwas von überhaupt nicht mitreden! (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Das ist einfach so etwas von unfassbar unglaubwürdig! Ihr kommt bei jeder Plenarsit­zung heraus und sprecht von Klimahysterie und plötzlich macht ihr euch Sorgen um die Emissionen aus dem Kohlekraftwerk, das im Krisenfall in Betrieb gehen könnte. (Bun­desrat Leinfellner: Ja, und ihr beweist es! – Bundesrat Steiner: Mama, die Frau mit dem Koks ist da!)

Rechtfertigbar ist das aufgrund der Versorgungssicherheit. Ich sage es immer wieder, das hängt unauflöslich damit zusammen, dass wir weiterhin planbare Rahmenbedingun­gen entwickeln, damit wir endlich, und zwar so schnell, wie es geht, im Sinne des öko­logischen Überlebens und im Sinne der Unabhängigkeit der so wichtigen Energieversor­gung von Despoten aus Kohle, Öl und Gas aussteigen.

Ich möchte nur noch ein paar Sätze sagen, weil es von ein paar Kollegen angesprochen worden ist: Kollege Novak, ich habe auch gestern ein bisschen etwas dazu gesagt: Gar keine Frage, es zeichnet sich immer mehr ab, dass es Eingriffe braucht. Da sind wir uns vollständig einig. Es braucht auch weitere Maßnahmen. Es zeichnet sich zunehmend ab, dass Maßnahmen wie massive Markteingriffe wie der Preisdeckel nur auf europäischer Ebene gehen. Das sehe ich auch so, das kann man auf einem so kleinen Markt wie Österreich nicht machen. Und wir brauchen eben genau diese Solidarität in Europa, sie betrifft ja auch die Beschaffungsplattform. Diese funktioniert halt nur, wenn alle mittun. Vergattern kann man sie rein rechtlich eigentlich leider nicht dazu.

Natürlich kann der Staat etwas tun, das sehe ich auch so, das habe ich auch gestern erwähnt. Was es auf jeden Fall braucht, ist eine soziale Abfederung, eine wirkliche Kom­pensation erhöhter Energiekosten für die Haushalte, die echt ein Problem haben. Das ist ein relevanter Teil, der die Haushalte in einer Dimension von 20 Prozent betrifft. (Bun­desrat Steiner: Mehr!) Ich habe es gestern gesagt: Energiearme Haushalte gaben schon vor der Krise 20 Prozent ihrer gesamten Haushaltsausgaben für Energie aus. Die kom­men wirklich an den Rand des Möglichen, und da muss man natürlich möglichst sozial treffsicher unbedingt abfangen. Das ist gar keine Frage.

Das ist eine Frage der Gerechtigkeit, sie emittieren ja auch weniger. Das ist auch ein wichtiger Aspekt, um den sozialen Frieden aufrechtzuerhalten.

Ich bin der Meinung – ich sage das auch noch einmal –, das ist zu finanzieren, und selbstverständlich sollen, aus meiner Sicht, müssen die Profiteure – das meine ich jetzt nicht abwertend, das ist ja nicht destruktiv für die Energiewirtschaft, aber de facto – der Krise natürlich etwas beitragen, und zwar massiv. Wenn es irgendwie möglich ist, ist auch ein entsprechendes Gesetz auf die Wege zu bringen. Da geht es um viele, viele Dutzende Hunderte Millionen Euro, wenn jetzt auch die Erträge in der Energiewirtschaft im ganzen Bereich von den Raffinerien bis zu den Landesgesellschaften gestiegen sind.

Ich denke, auch das ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass auch da Mittel entsprechend verwendet werden, um dann dort Kosten abzufangen und zu dämpfen, wo es die Men­schen einfach nicht selber schaffen können. Damit meine ich übrigens auch Betriebe, vor allem kleinere Betriebe, die sonst einfach nicht mehr über die Runden kommen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.21

Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Gewessler. Ich erteile ihr dieses.