19.21

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bun­desrates! Vielen Dank für die Diskussion. Sie wissen, wir behandeln heute das Gasdi­versifizierungsgesetz, vor allem auch einen Abänderungsantrag vom 6. Juli. Ich möchte kurz erklären, aber auch ein bisschen die Gesamtsituation schildern, warum das Gesetz plus der Abänderungsantrag notwendig und sinnvoll sind und warum ich deswegen auch hier um Ihre Zustimmung bitte.

Um den heißen Brei herumzureden brauchen wir nicht. Russland ist kein zuverlässiger Lieferant. Gerade heute belegen wieder die Aussagen der Gazprom das, glaube ich, einmal mehr. Russland nützt die Energielieferungen als Mittel dieser Auseinanderset­zung in der Kürzung der Lieferungen, in der Preisdebatte, in der Frage, natürlich auch die Märkte in Europa zu beeinflussen und anzuheizen. (Bundesrat Steiner: Aber durch die Sanktionen wird es besser?!)

Das heißt, wir müssen uns auf den Ernstfall vorbereiten, und der Ernstfall heißt, noch mehr Mengenreduktion oder überhaupt ein völliger Lieferstopp von Erdgas aus Russ­land. Wie macht man diese Vorbereitung? Auch dazu noch einmal drei Routen, die wir verfolgen:

Das eine ist volle Speicher, also speichern, speichern, speichern. Dazu haben wir eine Reihe von Maßnahmen beschlossen – ich komme gleich dazu. Das Zweite ist diver­sifizieren. Da sind wir genau bei diesem Gesetz, dem Gasdiversifizierungsgesetz. Kurz­fristig raus aus Gas, wo immer es geht. (Bundesrat Steiner: Und rein in die Kohle!) Und das Dritte ist natürlich Unabhängigkeit. Unabhängigkeit heißt rein in die Erneuerbaren, rein in die Energie, die wir lokal produzieren können, denn dann sind wir nicht mehr von den fossilen Importen abhängig, dann sind wir nicht mehr von Gasimporten aus Russ­land abhängig. Dabei ist heimisches Biogas – da stimme ich Ihnen zu – eine ganz wich­tige Säule. Es wird Sie freuen, zu hören, der Entwurf zum Grüngasgesetz ist aus meinem Ministerium bereits fertig und ist derzeit in der koalitionären Abstimmung.

Damit ich Ihnen auch ganz kurz einen Überblick geben kann, was in den Bereichen für den Aufbau der Speicher passiert: einerseits die strategische Gasreserve. Sie wissen, auch das haben wir hier beschlossen. (Bundesrat Schennach: Das kann dauern!) Erstmals kann der Staat selbst Gas in der Größenordnung von 20 Terawattstunden ein­kaufen. Die erste Ausschreibung ist abgeschlossen, es wird seit 1. Juni eingespeichert. Die zweite Ausschreibung startet diese Woche. Wir haben für die heimische Industrie die Möglichkeit geschaffen, selbst einzuspeichern, die Mengen, die sie selbst einspei­chern, im Falle einer Energielenkung auch zu immunisieren, also bis zu einem gewissen Grad auch vor Energielenkung geschützt zu haben. Die Voest hat bereits kommuniziert, dass sie das in Anspruch nimmt und nutzt.

Wir bereiten gerade eine Verordnung zur Energielenkung vor, um gerade bei den Groß­verbrauchern auch mittels Verordnung festzulegen, dass, wo immer möglich – möglich heißt, technisch machbar und wirtschaftlich darstellbar –, die Anlagen für den bivalenten Betrieb ertüchtigt werden. Was heißt das wieder? – Dass sie im Notfall nicht nur mit Gas laufen, sondern auch mit einem anderen Energieträger, bevorzugt natürlich erneuerbare Energie; wo es nicht möglich ist, jeder andere Energieträger, das wird dann in den al­lermeisten Fällen Erdöl sein.

Um das Problem der Speicher – darauf hat ja auch Adi Gross schon hingewiesen – in den Griff zu bekommen, dass Speicherkapazitäten blockiert, aber nicht genutzt werden, haben auch Sie hier schon eine Regelung beschlossen: Use it or lose it, das heißt, Spei­cher müssen genutzt werden. Das ist eine begrenzte kritische Infrastruktur. Wenn das systematisch nicht passiert, dann gibt es die Möglichkeit, dass die Speicherbefüllung an einen anderen Betreiber abgegeben werden muss. Die E-Control hat das Verfahren für den Speicher Haidach – das ist momentan der Einzige, den es betrifft – bereits eingeleitet.

Wir haben noch eine Versorgungsversicherung mit den Marketmakern beschlossen. Sie sehen die Speicher also als zentralen Sicherheitspuffer. Da ist im ersten Schritt sehr viel Energie reingegangen, denn eine gute Speicherbefüllung sichert uns im Ernstfall nicht nur Zeit, wie lange wir Gas zur Verfügung haben, sondern auch Zeit, wie schnell wir reagieren und eingreifen müssen. Sie ist einfach in jeder Hinsicht ein Puffer, und nichts oder kaum etwas ist so transparent wie der Speicherbefüllungsstand in Europa. Wir ste­hen tagesaktuell bei 48,66 Prozent Speicherfüllung. Das wird auch täglich aktualisiert und über alle Speicher veröffentlicht.

Die zweiten Säule ist die Diversifizierung, und deswegen sind wir auch heute hier. Mit dem Gasdiversifizierungsgesetz haben wir die Möglichkeit geschaffen, Gas aus nicht russischen Quellen, und zwar die Mehrkosten der Beschaffung von Gas aus nicht russi­schen Quellen, gezielt zu fördern. Wichtig ist, das Gas muss in Österreich verwendet oder in Österreich gespeichert werden. Eine große Voraussetzung, damit das gelingen kann – auch darauf hat Adi Gross heute schon Bezug genommen –, ist, dass es jetzt gelungen ist, Durchleitungsrechte, also Transportkapazitäten aus Italien und Deutsch­land, also über die Grenzknotenpunkte zu Italien und Deutschland, im Ausmaß von 40 Te­rawattstunden zu sichern. Zu Ihrer Einordnung: 40 Terawattstunden sind 45 Prozent des Jahresbedarfs. Das ist also wirklich ein riesiger, großer Schritt, der unsere Abhängigkeit von Russland massiv reduziert. Das sind deswegen heute wirklich gute Neuigkeiten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Warum brauchen wir jetzt die Novelle zu diesem Gesetz? – Wie Sie wissen – auch das war ja schon Thema in den Reden –, hat die Bundesregierung den Verbundkonzern er­sucht, das Kraftwerk Mellach, ein stillgelegtes Kohlekraftwerk, für den Notfall wieder betriebstüchtig zu machen. Alle unsere Anstrengungen laufen darauf hin, dass wir im Notfall, wann auch immer er eintritt, so viele Alternativen zu Gas wie nur irgendwie möglich verfügbar haben, und da ist auch ein Kohlekraftwerk eine Alternative. Wünsche ich mir, dass ich das aufdrehen muss? – Nein, natürlich nicht, aber ich werde nicht an dieser Stelle stehen und sagen, ich hätte eine Möglichkeit gehabt, uns einen ordentlichen Patzen Versorgungssicherheit zu sichern, und habe es nicht gemacht. Deswegen stehe ich mit voller Überzeugung hier und sage: Ja, bitte beschließen Sie diese Novelle, denn im Notfall werden wir das brauchen. (Bundesrat Steiner: Ja zur Kohle! – Bundesrat Schreuder: Das ist ja lächerlich!) Ich werde dann sagen können, ich habe alles gemacht, damit es uns gelingt. Deswegen bitte ich um Ihre Unterstützung für die Novelle. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.28

Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile ihm dieses.