21.09
Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Minister! Zweifelsfrei ist es so, dass die Strompreise für Haushalte mit geringem Einkommen nicht mehr zumutbar sind – jedenfalls bei Neuverträgen gilt das so, und irgendwann sind dann alle Verträge Neuverträge.
Wobei ich einmal anmerken möchte, dass es in Österreich sehr große Unterschiede gibt. Ich habe jetzt den Tarifkalkulator der E-Control bemüht – ich kann übrigens sehr empfehlen, den einmal zu konsultieren – und die Postleitzahl angegeben, wo ich wohne. Da ist das günstigste Angebot von den VKW mit 10 Cent pro Kilowattstunde, Neuvertrag. Der nächstgünstigste Anbieter ist der Verbund mit 40 Cent pro Kilowattstunde.
Es ist schon erstaunlich, wie es zu solchen Unterschieden kommt, wo sogar die Erzeugungscharakteristik ähnlich ist, also da dürfte es schon bei der Unternehmenspolitik beachtliche Unterschiede geben. Wenn man eine Wiener Postleitzahl eingibt, ist das günstigste Angebot für einen Neuvertrag übrigens 33 Cent pro Kilowattstunde.
Unterstützungsmaßnahmen sind somit notwendig, das ist völlig zweifelsfrei, ich möchte aber anmerken, dass die vorliegende Maßnahme beim Strom ja nicht die erste war und ist. Ich erinnere zum Beispiel an die Aussetzung der Ökostromförderpauschale, an den Ökostromförderbeitrag. Ich erinnere an die massive Reduktion der Energieabgabe.
Gleich vorweg, bevor ich ein bisschen auf diese Strompreisbremse eingehe: Natürlich gehört dieses Problem an der Wurzel gepackt. Das ist zum einen der Ausbau der Erneuerbaren, das ist klar, da kommen wir beim nächsten Punkt noch einmal dazu, aber natürlich gehört auch eine Änderung des Preisbildungssystems dazu. Das ist auch völlig unwidersprochen. Es kann nicht sein, dass die teuerste Kapazität, und das sind eben die Gaskraftwerke, in einer Krise, wenn ein Preis eskaliert, den gesamten Strompreis definiert. Das gehört geändert. Das geht nur auf europäischer Ebene, die Strompreisbildung ist halt europäisch. Die Arbeiten dazu laufen, da gibt es einmal einen Konsens, dass das geändert werden soll. Leider braucht das Zeit, und es ist nicht so einfach, 27 Staaten da unter einen Hut zu bringen. Natürlich hoffen wir und fordern wir alle, dass das so schnell wie nur irgendwie möglich geht, aber wir können nicht darauf warten, und deswegen gibt es die Stromkostenbremse.
Wichtig war dabei die Geschwindigkeit, wichtig ist es, den Betroffenen schnell zu helfen, und das heißt zugegebenermaßen auch, dass nicht jede Differenzierung, die an sich wünschenswert wäre – und die wir auch gerne gehabt hätten –, umsetzbar war. Da hat es Datenschutzprobleme gegeben oder gibt es nach wie vor, da gibt es Probleme mit der Datenverfügbarkeit, etwa um zu wissen, welche Geräte in den Haushalten angeschlossen sind: die Wärmepumpen, Warmwasserbereitung et cetera et cetera. Das war leider alles so nicht da.
Die Konstruktion ist aber sehr gut geworden. Warum ist sie sehr gut? Der wichtigste Punkt ist – das, finde ich, ist wirklich ein großer Meilenstein –, dass wir mit dieser Strompreisbremse de facto eine Grundversorgung für leistbaren Strom einführen. Das ist schon etwas, das haben wir uns viele, viele, viele Jahre lang gewünscht, und jetzt haben wir diese Grundversorgung tatsächlich realisiert. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Ein hoch angesetzter Verbrauch wie 2 900 Kilowattstunden wird in einem Korridor von 10 bis 40 Cent vollständig abgefangen. Das ist ein Betrag von 870 Euro pro Jahr und das ist je nach Tarif eine Dimension von der Hälfte der Stromkosten. Das ist schon etwas, finde ich.
Ein weiterer Punkt ist, die Preisbremse funktioniert automatisch. Das ist kein Antragsprinzip, die Stromversorger ziehen das bereits bei der Stromrechnung ab, und es wirkt sofort, nämlich bei der nächsten monatlichen Teilzahlung. Es bleibt aber, und auch das ist wichtig, ein Sparanreiz übrig, weil nämlich alles, was über die 2 900 Kilowattstunden großzügiger Grundbedarf und über die 40 Cent hinausgeht, weiterhin ganz normal bezahlt werden muss. Ohne jeglichen Zynismus: Natürlich braucht es auch diesen Anreiz, weil es ganz wichtig ist, den Stromverbrauch strukturell zu reduzieren, um ein für alle Mal dann auch die Kosten reduzieren zu können. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Übrigens gibt es dazu selbstverständlich eine ganze Reihe von sehr guten Förderungen.
Einkommensschwache Haushalte – gemäß EAG sind das alle Haushalte, die keinen Förderbeitrag leisten müssen, das sind mindestens 300 000 Haushalte, sprich etwa eine Million Menschen – erhalten darüber hinaus einen Netzkostenzuschuss von 200 Euro, und das sind dann in Summe für solche Haushalte mit wenig Geld 1 070 Euro im Jahr. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Da kann man applaudieren, finde ich, und dieser Applaus ist nicht Selbstlob, sondern kommt wirklich aus Freude für die Menschen, die es auch tatsächlich brauchen.
Das reicht aber noch nicht. Es wird eine Stromkostenbremse plus für Haushalte mit mehreren Kindern geben. Das geht nur noch mittels Antragsprinzip, das wird jetzt auch schnell gestaltet werden.
Etwas ist mir auch noch wichtig: Die Stromkostenbremse wirkt vom Prinzip her bei geringen Einkommen (Bundesrätin Grimling: Welcher Zuschuss? Wovon spricht er?) über die Dinge, die ja für die geringen Einkommen sowieso schon gemacht werden, noch einmal viel stärker als bei Haushalten mit hohem Einkommen. Warum ist das so? Die Statistik Austria zeigt sehr schön auf, dass Haushalte mit einem hohen Einkommen im Schnitt 40 Prozent mehr Strom verbrauchen als Haushalte mit geringerem Einkommen. Das heißt nichts anderes, als dass Haushalte mit geringem Einkommen von der Grundversorgung viel mehr und stärker profitieren als Haushalte mit hohem Einkommen. Und das soll so sein. (Beifall bei den Grünen.)
Die Strompreisbremse wirkt volkswirtschaftlich inflationsbremsend. Das war ein wichtiges Konstruktionsprinzip, da beim Konsumenten die niedrigeren Kosten ankommen und nicht nachher sozusagen eine Förderung ausgegeben wird. Sie ist mittelfristig angelegt, darauf kann man sich einmal verlassen, beginnend mit Dezember bis Mitte 2024. Natürlich ist es wichtig, es zu befristen, natürlich muss man in eineinhalb Jahren auch überprüfen, wie sich die Preissituation entwickelt hat – das kostet ja auch etwas. Das ist übrigens noch gar nicht gesagt worden: 3 bis 4 Milliarden Euro werden für diese Strompreisbremse ausgegeben, die direkt den Haushalten zugutekommt.
Also so blöd ist das nicht, und sie hilft auf jeden Fall ganz besonders denen, die es dringend brauchen. So soll es sein und wir freuen uns auf eine breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
21.16
Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist unsere Frau Bundesministerin Leonore Gewessler. – Bitte, Frau Bundesministerin.