9.35

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Werte Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Vorab sei gesagt: Viele Gesetzesmaterien mit einer Abstim­mung zu erledigen, daran wird von den Regierungsparteien festgehalten. Ein Teilabstimmungsrecht kommt in dieser Konstellation mit den Regierungs­fraktionen nicht zustande – schade. Konstruktiv ist das nicht.

Beim gegenwärtigen Tagesordnungspunkt könnte die Sozialdemokratie etlichen Punkten ihre Zustimmung geben. Beim Gesamtpaket geht sich das jedoch nicht aus. Das ist nicht das erste Mal so und es schmerzt. Vielleicht lassen sich die Regierungsparteien doch noch zu einer Teilabstimmung bewegen. Es ist nie zu spät, dazuzulernen, es sei denn, es ist Teil des parteitaktischen Regierungsstils. Das konstruktive Miteinander von Regierung und Oppositions­parteien wird ohnehin nicht angestrebt. (Bundesrat Preineder: Ja fragen Sie einmal den Kai Jan Krainer im U-Ausschuss!)

Aber jetzt zum Thema: Mein Schwerpunkt liegt bei den Kommunen. Auch die Gemeinden und Städte erleiden eine der größten Teuerungswellen. Die kommunale Budgeterstellung 2023 stellt sich als äußerst schwierig dar. Energie, Personal, Instandhaltung, Erhalt der Einsatzbereitschaft der Freiwilligen Feuerwehren, Schneeräumung und so weiter, alles kostet mehr. Die Zeichen deuten darauf hin, dass es viel mehr Gemeinden geben wird, die ihren Haushalt nicht ausgleichen können.

In meinem Bundesland Oberösterreich wird man dann als Härteausgleichsge­meinde geführt. Strenge Kriterien müssen erfüllt werden, um Ausgleichsmittel zu erhalten. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister werden dabei angehalten, gerade im Bereich der freiwilligen Ausgaben stark einzusparen. Trinkwasserver­sorgung, Abwasserentsorgung, Müllentsorgung, aber auch Kindergarten­busbegleitung, Essen auf Rädern sind verpflichtend kostendeckend zu führen. Die Verlässlichkeit der öffentlichen Infrastruktur leidet stark, und die Bürger:innen bekommen es nicht nur über höhere Gebühren und Tarife zu spü­ren, sondern manche Angebote im Ermessensbereich werden einfach rück­gebaut. Das Hallenbad reduziert die Öffnungszeiten, und der Eislaufplatz bleibt geschlossen. Der Sportverein wird kräftig für die Turnsaalbenützung zur Kasse gebeten. Genau da beginnt die Lebensqualität, das Wohlbefinden und die Si­cherheit in unseren Dörfern und Städten zu bröckeln. (Beifall bei der SPÖ.)

Als Kommunalpolitikerin bekenne ich mich zu einer für den Bürger, die Bürgerin leistbaren öffentlichen Daseinsvorsorge für alle. Dazu zählen neben Trink­wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Krabbelstuben und Kindergärten auch Freizeitangebote. Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele dazu aus meiner Heimat­gemeinde, einer strukturschwachen Landgemeinde im Härteausgleich: Die Be­gleitung im Kindergartenbus muss kostendeckend geführt werden. Un­günstige Bestandssiedlungsstrukturen führen dazu, dass alleine für die Beglei­tung mindestens 35 Euro pro Kind pro Monat verrechnet werden müssen. Ich sehe jetzt schon ein erhöhtes Verkehrsaufkommen vor dem Kindergarten. Neben Sicherheitsrisiken kommen auch noch umweltschädliches Verhalten und gestresste Eltern dazu.

Zweitens: Auch bei uns gibt es ältere Menschen, die mit Unterstützung noch ein selbstbestimmtes Leben im Ort führen können. Zur Unterstützung würde Essen auf Rädern zählen. Nun gibt es in meiner Gemeinde keinen Gastrobetrieb, der bereit ist, Essen zu kochen und zuzustellen.

Es muss von der 11 Kilometer entfernten Nachbargemeinde bezogen werden, das ist eine 11-Kilometer-Leerfahrt, die die Endkunden selbst zahlen müs­sen, denn meine Gemeinde darf aufgrund der Kriterien für Härteausgleichsge­meinden keinen Beitrag zu den Fahrten leisten. Das heißt, das Leben in meiner Gemeinde ist im Alter ziemlich teuer. Gerade für alleinstehende Frauen, die Ausgleichszahlungen beziehen, ist das Leben im ländlichen Raum kaum leistbar.

Das, was jetzt passiert, ist ein Rückschritt. Die Regierung riskiert den Be­stand der funktionierenden Daseinsvorsorge in unseren Gemeinden. So gewinnt die Politik nicht das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger für den notwen­digen Wandel hin zu einem umweltfreundlicheren Lebensstil. Das Mitnehmen der Bevölkerung gründet auf Vertrauen, und dieser Regierung wird nicht vertraut.

Mit dem KIG 23 unterstützen Sie keine Bürgerin und keinen Bürger bei den konkreten Herausforderungen im Budgetjahr 2023, im Gegenteil, die Menschen werden in finanziell schwierigen Zeiten auch vom Staat, von den Gemeinden und Städten mit höheren Gebühren und Tarifen bedacht. Die Gemeinden kön­nen gar nicht anders, da sie vom Bund bei der Bewältigung der Folgen der Teuerung einfach sitzen gelassen werden. Das ist nicht verantwortungsvoll gegenüber den in Österreich lebenden Menschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage mich: Warum gibt es für die Kommunen keinen Strompreisdeckel beziehungsweise Energiepreisdeckel? Warum werden die Gemeinden nicht di­rekt bei der Erbringung der so wichtigen Daseinsvorsorge unterstützt? Wa­rum wehrt sich die Regierung so vehement, die Liquidität und damit die Auto­nomie der Gemeinden und Städte zu stützen?

Ja, Sie mögen meinen, dass 500 Millionen Euro aus den KIG-2023-Mitteln, die in die Fotovoltaik, LED-Straßenbeleuchtung und so weiter investiert werden, genau diesen Ausgleich schaffen. Das stimmt nur begrenzt, es gibt nämlich Über­gangszeiten. Wir investieren, um in der Zukunft den hohen Energiekosten und der Abhängigkeit entgegenwirken zu können. Das ist auch richtig und wich­tig, aber Projekte müssen kofinanziert werden, beauftragt werden, umge­setzt werden, bis das Einsparungspotenzial realisiert werden kann. Bis die in Be­trieb sind, dauert es – grob geschätzt – meistens circa ein Jahr, wenn nicht länger.

Es wird wieder Kommunen geben, die aufgrund der schlechten finanziellen Ausstattung die Mittel gar nicht in Anspruch nehmen können, da sie die 50-prozentige Kofinanzierung nicht realisieren können. Diese Kommunen wer­den weiter abgehängt, meist sind das die strukturschwachen im ländlichen Raum. Das Herz der Regierungsparteien schlägt beim Handeln nicht für den strukturschwachen ländlichen Raum. Das muss ich noch einmal festhalten. (Bundesrat Buchmann: Na wirklich? Ruf bei der ÖVP: Na geh!)

Die zweiten 500 Millionen Euro des KIG 2023 sollen ja sehr breit über kommunale Investitionsprojekte gestreut werden. Auch da muss wieder mit 50 Prozent kofinanziert werden. In welchem Ausmaß dies gelingen kann, wird sich zeigen, denn die Rücklagen in den Kassen der meisten Gemeinden sind weg. Die Gemeinde als regionaler Wirtschaftsmotor ist der Regierung etwas wert, das passt auch so. Eine leistbare, funktionierende Daseinsvorsorge im Jahr 2023 sollte der Regierung aber auch etwas wert sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.44

Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Eduard Köck. – Bitte, Herr Bundesrat.