19.10

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! (Einige Bundesrät:innen und Bundeskanzler Nehammer haben ihre Plätze noch nicht eingenommen.) – Ich würde gerne warten, das wird sich alles in meinen 20 Minuten ausgehen. (Bundeskanzler Neham­mer: Wir hören zu!) – Sie hören zu, okay.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Dringliche Anfrage der Freiheitlichen ist eine Themenverfehlung. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei den Grünen.) Wenn es darum gehen soll, Krisen oder Probleme in Österreich aufzuzeigen, ist der Großteil von dem, was von der FPÖ angesprochen wird, nicht das, was an erster Stelle kommen sollte. (Bundesrat Hübner: Das entscheiden nicht die NEOS, was die FPÖ sagen darf! Das ist ja die wirkliche parlamentarische Demokratie!)

Zum Thema Corona: Die Bundesregierung hat natürlich nicht alles richtig gemacht – nur das, was die FPÖ vorschlägt, wäre noch viel falscher gewesen.

Beim Thema Russland, Sanktionen: Ich hätte auch nicht hundertprozentig alles, alle Reaktionen unterstützt. Ich hätte zum Beispiel nicht vorgeschlagen, nach Moskau zu fahren, und nicht gesagt, dass es eine gute Idee war. Bei allem aber, was Sie heute gesagt haben – dass man der Ukraine die uneingeschränkte Solidarität zusichern muss –, stehe ich komplett auf Ihrer Seite.

Was das Thema Inflation und Maßnahmen gegen die Teuerung betrifft, kann man auch an unserem Abstimmungsverhalten im Nationalrat und hier sehen, dass wir nicht allem zustimmen, was von der Bundesregierung vorge­schlagen ist – nur das, was die FPÖ vorschlägt, wäre noch viel falscher gewesen.

Beim Thema Asyl und Migration, bei dem es tatsächlich Probleme im eigenen Land gibt, sind die Symptome von FPÖ-Seite aber doch falsch dia­gnostiziert worden. Wenn wir uns zum Beispiel das Thema Zelte anschauen: Die Zelte wurden nicht deswegen aufgestellt, weil wir sie derzeit brauchen würden, sondern weil seit Jahren gerade auch im Asylverfahren und bei undo­kumentierter Zuwanderung ein krasses Missmanagement herrscht.

Wenn jetzt der Innenminister Zelte aufstellt, möchte er zwei Sachen machen: Das eine ist, er möchte suggerieren, dass es hohe Zahlen von Asylwerbern gibt. Diese hohen Zahlen sind aber erstens dadurch bewirkt, dass durch die so­genannte Aktion scharf Leute in Österreich ins System aufgenommen werden, die wir ansonsten nicht bemerkt hätten, weil sie sowieso nur durchreisen wollen. Das sieht man daran, dass die Anzahl der Personen, die sich in der Grund­versorgung befinden – abgesehen von Ukrainerinnen und Ukrainern, die in Wirklichkeit auch nicht in der Grundversorgung, sondern im Sozialhilfesystem sein sollten –, nicht steigt.

Es ist klar, dass die Dublin-Verordnung gescheitert ist und wir das Asylsystem in Europa neu aufstellen müssen, nur suchen Sie sich dafür, Herr Bundeskanzler, die falschen Freunde. Anstatt sich mit Vučić und Orbán fotografieren zu las­sen, sollten Sie sich für ein Ende der Visafreiheit in Serbien als Belohnung für die Länder, die den Kosovo nicht anerkennen, einsetzen und auf europäischer Ebene auf konstruktive Lösungen hinwirken.

Es braucht nämlich ein europäisches Asylsystem mit klaren Regeln. Punkt 1 – wie ich schon gesagt habe –: Ende der Visafreiheit in Serbien für bestimmte Länder; zweitens eine stärkere Kontrolle der Außengrenzen mit Registrierung der Asylwerberinnen und Asylwerber; drittens – was Sie nicht genannt haben – eine menschenwürdige Behandlung und faire Verfahren für diese Per­sonen in allen EU-Staaten; und viertens eine Verteilung der registrierten Asylwerberinnen und Asylwerber auf alle EU-Staaten mit einer Residenzoblie­genheit – Zug um Zug für die Grundversorgung in diesen Ländern. Das würde nämlich Ordnung, Sicherheit und ein Ende entbehrlichen Lei­des bedeuten, und gerade wir in Österreich würden von all diesen Maßnah­men profitieren.

Anstatt also auf Kuschelkurs mit denjenigen zu gehen, die ein solidarisch-humanes und konsequentes Vorgehen blockieren, sollten Sie sich mit der Bundesregierung kompetent für die Maßnahmen einsetzen, die auch funktionieren.

Zurück zum Thema Quartiere: Wir zahlen im Jahr über 40 Millionen Euro an Steuergeld in Österreich – das sind 125 000 Euro täglich – für Asylquartiere, die leer stehen. Die Zelte brauchen wir nicht. Wir NEOS fordern schon seit Wo­chen, dass sich Ihr Innenminister das sogenannte Durchgriffsrecht holt. Durchgriffsrecht bedeutet, dass eine Unterbringung in den neun Bundesländern in Quartieren erfolgen kann, die vom Bund organisiert werden (Zwischenruf des Bundesrates Spanring), wobei man schon sagen muss, dass die Bundesländer, die die Quote nicht erfüllen, fast ausschließlich von der ÖVP geführt werden. Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr hat in diesem Zusammenhang auch richtigerweise erwähnt, dass man Ausgleichszahlungen seitens der Bundes­länder, die die Quote nicht erfüllen, zugunsten derjenigen Bundesländer, die die Quote erfüllen, einführen sollte. Ansonsten ist es offenbar nicht möglich, dass die ÖVP-Bundesländer ihren Verpflichtungen diesbezüglich auch nach­kommen.

Weil Sie vorhin die Erweiterung des Schengenraums angesprochen haben: Ob ein Land dem Schengenraum beitreten darf, wird nicht nach dem Bauchgefühl der ÖVP entschieden, sondern nach strengen rechtsstaatlichen Kriterien. Es darf nicht davon abhängen, ob die ÖVP von eigenen Skan­dalen ablenkt oder ob eine Wahl in Niederösterreich bevorsteht. Der Treppen­witz an der ganzen Geschichte, dass das Asyl- und Migrationsthema von der ÖVP wieder so hochgespielt wird – vermeintlich im Interesse, bei den Wahlen besser dazustehen –, ist, dass sich das Ganze als Eigentor heraus­stellt und in den Umfragen bisher nur die Freiheitlichen davon profitiert haben. (Heiterkeit des Bundesrates Leinfellner.)

Wenn es, wie die Freiheitlichen ihre Dringliche Anfrage genannt haben, um die „Krisen im eigenen Land“ geht: Was Sie im eigenen Interesse gar nicht er­wähnt haben, sind die Krisen, die sich darin manifestieren, was im Ibizavideo aufgezeigt worden ist. Die Gesetzeslücken, die dadurch aufgezeigt worden sind: Spenden an Parteien über Vereine, vorbei am Rechnungshof – das ist immer noch möglich. Was könnte man dagegen machen? – Eine echte und umfassende Informationsfreiheit und ein schärferes Korruptionsstrafrecht! Dadurch könnte die Korruption in unserem Land zukünftig verhindert werden.

Die Menschen haben zu Recht genug von dieser Politik. Sie haben genug von wöchentlich bekannt werdenden Korruptionsfällen. Sie haben genug davon, dass nur angekündigt, aber nicht umgesetzt wird. Für die saubere Politik, die Ös­terreich verdient, damit man auch, wie der Bundespräsident gesagt hat, tatsächlich sagen kann: „So sind wir nicht!“, braucht es so schnell wie möglich Neuwahlen. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

19.18

Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pröller. – Bitte, Herr Bundesrat.