13.10

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schade, dass jetzt, da der ORF weg ist, die Saalflucht eingesetzt hat, aber schön, dass Sie hier sind. (Beifall der Bundesrätin Schumann.)

Dem Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz, so wie es hier vorliegt, kann man aus mehreren Gründen nicht zustimmen, das stelle ich gleich voran. Allen voran muss man sich fragen: Wo ist der Sicherheitsgewinn? Dieser ist näm­lich nicht erkennbar, für mich nicht und auch für viele Expertinnen und Experten nicht, wie sich auch aus dem Begutachtungsverfahren ergeben hat.

Sie, Frau Ministerin, haben mit diesem Gesetz im Vorfeld ja auch den Anspruch verbunden, adäquat auf den schrecklichen Terroranschlag in Wien im Jah­re 2020 zu reagieren und die Konsequenzen daraus zu ziehen – sozusagen eine Anlassgesetzgebung. Übrigens: Anlassgesetzgebung wurde von den Grü­nen ja immer vehement kritisiert, als sie noch eine starke Oppositionspartei wa­ren. (Bundesrätin Kittl: Das ist keine Anlassgesetzgebung!) Verfassungsrecht­lich bedenklich: So habe ich noch die Stimme des Kollegen Steinhauser – so hat er, glaube ich, geheißen – im Ohr. Jetzt, mit den Grünen als, sage ich ein­mal, schwache Regierungspartei, gibt es so eine Anlassgesetzgebung. Leider ist aber nicht einmal diese Anlassgesetzgebung gelungen, denn mit diesem Ge­setz, wie es hier vorliegt, hätten Sie das Attentat nicht verhindern können. Zu ver­hindern wäre es gewesen, wenn die Behörden im Verantwortungsbereich des damaligen Innenministers und heutigen Bundeskanzlers einfach ihre Arbeit gemacht und auf die Hinweise der slowakischen Behörden gehört hätten. Es war reines Behördenversagen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Wir haben auch noch in Erinnerung: Da hat es ja nach der Tat einen heftigen Disput zwischen den Ressorts, zwischen den Ressortleitungen gegeben. Mit diesem Gesetz versuchen Sie anscheinend, den Koalitionsfrieden zu retten, indem Sie den Handlungsbedarf in sozusagen fast nacheilendem Gehor­sam aufseiten des Justizressorts eingestehen. (Bundesministerin Zadić schüttelt den Kopf.) Der damalige Innenminister und heutige Regierungschef ist da irgendwie fein aus der Sache raus.

Die eingesetzte Untersuchungskommission, die sogenannte Zerbes-Kommission, hat sich den Fall ja genau angesehen und hat viele, viele wertvolle Empfeh­lungen herausgearbeitet. Nur das, was heute hier vorliegt, war nicht dabei. Auch in den Stellungnahmen von Richter:innenvereinigung, Strafrechtsprofessor:in­nen und Rechtsanwaltskammer wird der Entwurf sehr kritisch gesehen.

Was hier vorgelegt wird, ist ein Placebo, auch im Hinblick auf die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, der Österreich ja im Jahre 2008 beigetreten ist. Menschen, das ist auch die Quintes­senz aus dieser Konvention, dürfen nicht nur wegen einer psychischen Er­krankung zwangsuntergebracht werden, es muss zusätzlich noch Selbst- oder Fremdgefährdung gegeben sein, und es muss – das ist das Wichtigste – etwas mit den Menschen passieren, es muss eine Therapie stattfinden. Das ist aber nicht Inhalt dieses Entwurfes.

Das soll, das haben wir in der Ausschussberatung auch zutage gebracht, in einem zweiten Teil folgen (Bundesrat Schennach: So Gott will!) – ja genau! Genau: So Gott will, hat der Beamte, der uns da sehr kompetent Auskunft gegeben hat, gesagt. (Bundesrat Schennach – erheitert –: Da haben wir Zweifel gehabt!) So Gott will – ja, da kann man drauf vertrauen oder auch nicht. Dieser Gesetzes­beschluss ist einfach unvollständig und damit nicht zustimmungsfähig.

Berichterstatter Kollege Schwindsackl – er ist jetzt nicht da – hat einleitend da­von gesprochen, dass dieses Gesetz ressourcenbewusst sein solle. Es stellt sich also die Ressourcenfrage. Nur: Wenn man sich die Ressourcenfrage anschaut, muss man sich fragen: Für wen sich stellt diese Ressourcenfrage?

Wir haben immer mehr Menschen im Maßnahmenvollzug, und laut Expert:innen gehören zwei Drittel davon nicht dorthin. Ungefähr 1 500 sind im Maßnah­menvollzug, und in Ermangelung von Bundesspezialanstalten – diese heißen jetzt nicht mehr Anstalten, sondern tragen künftig den schön klingenden Na­men forensisch-therapeutische Zentren; wie auch immer, es gibt zu wenige sol­cher Zentren in Österreich – sind sehr viele dieser Menschen als Konse­quenz eben in öffentlichen Krankenanstalten untergebracht.

Jetzt stellt sich die Ressourcenfrage: Für wen? – Es stellt sich die Ressourcen­frage für den Bund, der vielleicht davon profitieren kann, aber zulasten der Länder und vor allem zulasten der Patient:innen, der anderen Patientinnen und Patienten. Wir wissen, das Gesundheitssystem kracht eh schon an allen Ecken und Enden. Da haben auch Gesundheitslandesrätinnen und Gesund­heitslandesräte schon entsprechend scharf reagiert.

Wir wissen auch nicht, wie sich die Erweiterung des § 23 StGB auswirkt. Die Bestimmung, die bisher auf gefährliche Rückfallstäter hätte angewandt wer­den können – eine Person ist derzeit nach dieser Bestimmung im Maßnah­menvollzug (Bundesrat Schennach: In ganz Österreich! Eine Person!), in ganz Öster­reich eine Person –, wird jetzt auf terroristische Straftäter ausgeweitet, das heißt, die kommen da jetzt noch dazu. Wir wissen noch nicht, wie sich diese Er­weiterung auswirkt und wo letztendlich dann diese Menschen landen werden.

Da ist also einfach so vieles unausgegoren, unvollständig, unüberlegt, obwohl – das muss ich auch dazusagen, Sie und die Regierungsfraktionen werden das aber wahrscheinlich eh noch ausgiebig zelebrieren und feiern – auch einige Ver­besserungen anzuerkennen sind: begriffliche Veränderungen – es wird einiges an Begrifflichkeiten modernisiert – und zum Teil auch Verbesserungen im Jugendstrafrecht. Da muss man aber bitte darauf Wert legen, dass Jugendliche entsprechend untergebracht werden und dass vor allem eine Therapie und eine Resozialisierung stattfinden, in entsprechend jugendgerechten Einrichtun­gen, sodass wirklich eine Verbesserung eintritt und nicht sozusagen eine Karriere im Gefängnis bevorsteht. Darauf ist größter Wert zu legen, auch im Sinne der Kinderrechte.

Insgesamt also: kein Sicherheitsgewinn, unausgegoren und leider nicht zustimmungsfähig. Bitte setzen Sie endlich die Empfehlungen der Expertinnen und Experten im Bereich der Tourismus- - – Entschuldigung!–, der Ter­rorismusprävention und des Opferschutzes um! (Bundesrat Schreuder  erhei­tert –: Ich finde Tourismusprävention manchmal auch nicht falsch!) Da ist vieles, vieles zu tun, weniger im Justizministerium, mehr im Innenministerium und vor allem sehr viel im Vollzug. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundes­rates Arlamovsky.)

13.19

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag. Elisabeth Kittl. – Bitte sehr.