13.39
Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ganz konkret auf etwas eingehen, das meine Vorrednerin gesagt hat, was ich richtigstellen möchte. Meine Vorrednerin hat gesagt, dass es dabei nicht um Prävention geht. – Das stimmt auf keinen Fall. Es geht ja sowohl bei der Strafe als auch bei der vorbeugenden Maßnahme insbesondere um Prävention. (Bundesrat Schennach: Richtig!) Bei der Strafe gibt es, was die Höhe der Strafe betrifft, general- und spezialpräventive Überlegungen, und bei den vorbeugenden Maßnahmen geht es ausschließlich um die Prävention. (Beifall der Bundesrätin Lancaster.)
Ich möchte bei diesem Gesetzesvorschlag zwei wesentliche Aspekte herausgreifen. Als ersten Punkt fange ich einmal mit der Begrifflichkeit an: Abgesehen davon, dass ich auch unterstütze, dass veraltete Bezeichnungen angepasst werden, möchte ich mich einmal auf den Begriff Maßnahmenvollzug konzentrieren. Dieser Begriff ist ja nur die halbe Wahrheit. (Bundesrat Schennach: Richtig!) Es geht ja im Wesentlichen nicht um den Vollzug, vor allem bei dieser Novelle nicht vorrangig um den Vollzug der vorbeugenden Maßnahmen, sondern um die Anordnung der vorbeugenden Maßnahmen. Der Vollzug der vorbeugenden Maßnahmen folgt ja erst später, und der Unterschied zwischen Strafen in einem Urteil, das mit einem Schuldspruch endet oder einen Schuldspruch umfasst, und einer vorbeugenden Maßnahme ist quasi die zeitliche Richtung, die Zeitachse.
Bei der Strafe schaut man sich an: Was ist in der Vergangenheit passiert? Hat jemand etwas getan, was einem Strafgesetz widerspricht, unter welchen Bedingungen und in welchem Zustand? Und wenn der Täter, die Täterin zurechnungsfähig und schuldfähig ist, gibt es eine Strafe, wenn nicht, kann es auch keine Strafe, kann es auch keinen Schuldspruch geben.
Es gibt in unserem Strafgesetz sinnvollerweise auch die grundrechtskonforme Möglichkeit, dass auch für diese Personen, die keine Freiheitsstrafe bekommen, eine andere Art von Freiheitsentzug angeordnet wird. Das ist dann insbesondere von präventiven Überlegungen geprägt, weil es eine vorbeugende Maßnahme ist, die zukünftige oder objektive Straftaten verhindern soll.
Bei der Anordnung der vorbeugenden Maßnahmen ist aber bereits auch etwas zu kritisieren, nämlich was die Qualität der Gutachten betrifft. Für die Anordnung von vorbeugenden Maßnahmen kommt es nicht ausschließlich auf Juristinnen und Juristen an, sondern auf Experten aus anderen wissenschaftlichen Feldern. Bei diesen Gutachten kommt es darauf an, ob jemand als gefährlich einzustufen ist oder nicht, weil das Grundrecht auf persönliche Freiheit nur eingeschränkt werden darf, wenn das Bedürfnis der Gesellschaft nach Sicherheit in dem Fall überwiegt.
Eine Sachverständige oder ein Sachverständiger, der in dem Fall im Wesentlichen die Entscheidung trifft, ist natürlich auf der sicheren Seite, wenn er im Zweifelsfall oder im Graubereich sagt, es sei eine Unterbringung notwendig, es müsse eine vorbeugende Maßnahme angeordnet werden, im Unterschied zu demjenigen, der im Zweifelsfall oder im Graubereich sagt, er empfehle keine vorbeugende Maßnahme. Denn: Wie kann das Gegenteil bewiesen werden? – Wenn der Sachverständige keine vorbeugende Maßnahme empfiehlt, und dann passiert doch etwas, dann ist klar, dass er einen Fehler gemacht hat; im anderen Fall aber nicht, denn wenn jemand untergebracht ist, dann ist es in der Zeit ausgeschlossen.
Bei diesem Gesetzesvorschlag werden aber die Anforderungen an die Gutachten hinuntergeschraubt, und das ist eigentlich das große Problem, denn in Wirklichkeit hätte man sich etwas in die andere Richtung überlegen können. In anderen Ländern gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, dass nicht Einzelpersonen entscheiden. In der Schweiz ist das der Fall, da gibt es Konsilien, da gibt es halt nicht nur Psychiaterinnen und Psychiater, sondern auch Personen aus dem Bereich der Bewährungshilfe, Strafvollzugspersonal, die da mitreden dürfen. Es wäre auch bei uns möglich gewesen, dass man in diese Richtung Reformschritte andenkt.
Jetzt zum zweiten Punkt, ich komme quasi von § 21 StGB zu § 23 StGB, die gefährlichen Rückfallstäter: Wir haben gehört, das ist eine Bestimmung, die so selten angewendet wird, wie fast nichts anderes. Es gibt momentan einen gefährlichen Rückfallstäter in ganz Österreich. Es handelt sich sehr wohl um eine Art der Sicherungshaft, die sich Sebastian Kurz seinerzeit gewünscht hat.
Wenn man es sich anschaut: Im Begutachtungsverfahren – wir haben es heute auch schon gehört – haben diejenigen Leute, die sich am besten damit auskennen, die Richterinnen- und Richtervereinigung, Professoren der Uni Wien, Professoren der Uni Innsbruck, Rechtsanwaltskammer, Strafverteidiger:innenvereinigung, diese Novelle allesamt abgelehnt.
Es handelt sich nämlich tatsächlich um eine Anlassgesetzgebung, wenn man die Chronologie dieses Gesetzentwurfes anschaut. Der Name Albert Steinhauser ist vorhin schon gefallen, das war der damalige Justizsprecher der Grünen, der sich immer ausdrücklich gegen Anlassgesetzgebung ausgesprochen hat. Es handelt sich um eine Anlassgesetzgebung aufgrund des Anschlags am 2. November 2020 in Wien. Es wird von den Regierungsparteien suggeriert, dass, falls die Reform damals schon gegolten hätte, dieses Attentat hätte verhindert werden können.
Das ist aus zwei Gründen falsch. Der erste Grund ist, dass es keine Gesetzeslücke war, die das Attentat erleichtert oder die Durchführung ermöglicht hat, sondern es war ein reines Behördenversagen, weil die slowakischen Behörden ja die österreichischen schon zuvor auf das, was da im Gange ist, aufmerksam gemacht haben.
Die Zerbes-Kommission, deren Name hier auch schon gefallen ist, hat (Bundesrat Schennach: Die hat gute Arbeit geleistet!) – gute Arbeit geleistet, wie Kollege Schennach gerade einwirft – sowohl die Behördentätigkeit vor und nach dem Anschlag als auch die Gesetzeslage analysiert und kommt zum genau gegenteiligen Schluss als das, was jetzt in diesem Gesetzesvorschlag steht. Im Endbericht der Kommission steht nämlich ausdrücklich, dass es keine Unterbringung von irgendwelchen Gefährdern braucht.
Das zweite Problem in diesem Zusammenhang ist: Mit Gesetzesbestimmungen, wie sie hier eingeführt werden, hätte man gegen diesen konkreten Attentäter auch gar keine Handhabe gehabt, weil es für gefährliche Rückfallstäter – die Bestimmung wird jetzt eben auf terroristische Straftaten erweitert – zwei Taten braucht. Es braucht insgesamt drei Komponenten: eine Vortat, eine Anlasstat und eine Prognose. Im konkreten Fall hat es aber keine Vortat gegeben, weil der nur einmal bereits verurteilt war. Wir haben hier den besonders skurrilen Fall, dass es eine Anlassgesetzgebung gibt, die die Anlasstat aber nicht einmal verhindert hätte.
Das Ganze ist eine Symbolgesetzgebung in einem sensiblen grundrechtlichen Bereich, und insbesondere bei einer grünen Regierungsbeteiligung hätte man ganz anderes erwartet. – Danke. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
13.48
Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Zadić. – Bitte.