15.39
Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! In meiner Nachbargemeinde Vöcklamarkt – (in Richtung Bundesrätin Eder-Gitschthaler) du kennst es eh gut, Andrea – gibt es ein Primärversorgungszentrum. Das ist kein Ärztehaus, das ist keine Ambulanz, es ist ein Primärversorgungszentrum. Als davon 2022 erstmals in der Zeitung stand, war es tatsächlich so, dass viele Menschen überhaupt gar nicht gewusst haben, was ein Primärversorgungszentrum ist.
Dieses Primärversorgungszentrum – oder wie man auch sagt: Primärversorgungseinheit – ist eines von derzeit 44 in sieben Bundesländern. Das ist in Wirklichkeit nicht sehr viel, wo doch unser vorläufiges Ziel – ich sage bewusst vorläufiges Ziel – bei 121 bis 2025 liegt. Es sollten und es könnten auch wesentlich mehr sein, wenn nämlich auf der einen Seite die Wichtigkeit und der Vorteil für die medizinische Versorgung der Bevölkerung besser bekannt wären und auf der anderen Seite das Gesetz weniger bürokratische Hürden bieten würde. Zumindest die Hürden werden wir heute beseitigen.
Zur Wichtigkeit und zu den Vorteilen eines PVZ möchte ich jetzt ein wenig ausführen: Was bedeutet Primärversorgungszentrum? – Primary health care heißt, dass alles, was wohnortnah und ambulant erbracht werden kann, auch dort erbracht werden kann und soll. Das bedeutet nämlich in der Praxis, dass die Menschen nicht sofort zu einem Facharzt gehen, dass die Menschen nicht sofort in eine Krankenhausambulanz gehen, sondern sich zuerst an den nächsten Ansprechpartner, die nächste Ansprechpartnerin vor Ort wenden und dort versorgt werden können. Das ist die Basis für eine abgestufte Versorgung und das hat tatsächlich in allen Ländern – wir haben es gestern auch im Ausschuss gehört –, in denen das schon praktiziert wird, insbesondere in den skandinavischen Ländern, einen – ich möchte jetzt einfach einmal sagen – Turnaround im Gesundheitssystem gebracht. Auch die Wahrnehmung der Bevölkerung ändert sich dadurch.
Ich möchte aber jetzt tatsächlich noch bei meiner Nachbargemeinde Vöcklamarkt bleiben, weil mich der Besuch des dortigen Primärversorgungszentrums wirklich schwer beeindruckt hat. Ich glaube, es ist auch ganz gut, wenn man in die Praxis geht und mit den Betroffenen dort spricht. Im Vorfeld, bevor ich dieses Primärversorgungszentrum besucht habe, habe ich mir natürlich die Homepage angeschaut. Dort liest man:
„Das PVZ Vöcklamarkt kümmert sich als Primärversorgungseinheit um die medizinische Grundversorgung für die komplette umliegende Region. Ein stetig wachsendes Team, bestehend aus Allgemeinmediziner*innen, Fachärzt*innen und gesundheitlichen sowie sozialen Expert*innen, steht für die ganzheitliche Gesundheitsbetreuung im Bezirk Vöcklabruck zur Verfügung. Unsere multiprofessionelle Einrichtung mit Kassenvertrag ist die ideale niederschwellige Erstanlaufstelle im Gesundheitssystem mit gebündelter Kompetenz sowie einer großen Bandbreite an Schwerpunkten.“
So liest sich das auf der Homepage, aber was bedeutet das tatsächlich in der Praxis? Die Gemeinde Vöcklamarkt – das liegt schon einige Jahre zurück – hat sich entschlossen, ein neues Gemeindezentrum zu bauen. Dann kam auch sofort die Idee: Wenn wir ein neues Gemeindezentrum bauen, dann wäre es ja ganz klug, wenn wir auch für die medizinische Versorgung unserer Bevölkerung sorgen! Dann wurde erst einmal ein Gebäude gebaut. Das ist natürlich, wenn man sich das anschaut – da komme ich vielleicht später noch dazu –, nicht der beste Weg gewesen, aber es jetzt nun tatsächlich so: Angegliedert an das neu errichtete Gemeindeamt im Ortszentrum befindet sich – super gut erreichbar – das neue PVZ mit drei Ärzt:innen, Therapeut:innen, und so weiter; in Summe sind es 32 Mitarbeiter:innen. Pro Tag – ich habe mich gerade noch einmal versichert – werden 300 Patient:innen und in Stoßzeiten sogar 400 bis 450 versorgt. Wir reden bei Vöcklamarkt von einem Ort mit etwas über 5 000 Einwohner:innen.
Was bedeutet umfassende Betreuung? – Das bedeutet, dort sind drei Allgemeinmediziner:innen verfügbar, es gibt Wundversorgung, dort werden kleine OPs gemacht. Es gibt aber auch weitere Therapiemöglichkeiten sowie eine angeschlossene Diätologin, es gibt dort eine Sozialarbeiterin, es wird Psychotherapie angeboten, es wird Ergotherapie angeboten. Verschiedene andere Sachen werden dort aber eben geteilt. Ach, es gibt sogar einen Self-Check-in – das fällt mir jetzt gerade noch ein –: Das ist total super! Es ist also höchst modern. Man kommt sich in diesem PVZ, alleine wenn man es nur besucht, wirklich gut aufgehoben vor.
Was ich eigentlich noch sagen wollte: Es gibt für diese PVZs verschiedene Organisationsformen, in Vöcklamarkt handelt es sich um eine GmbH. Die Finanzierung für so ein PVZ wird von verschiedenen Stellen getragen, zum Beispiel von der Österreichischen Gesundheitskasse, die Ärztekammer trägt etwas dazu bei, das Land Oberösterreich trägt etwas dazu bei, der Bund trägt etwas dazu bei. Wir haben es gestern im Ausschuss auch diskutiert: Es gibt auch Startgelder aus EU-Förderungen.
Ich rede jetzt nur über Vöcklamarkt, aber ich glaube, das kann man schon auch machen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Heiterkeit der Rednerin.)
Was sind eigentlich die Vorteile? Ich fand das wirklich ganz toll! Ich bin also extrem begeistert (Bundesrat Schreuder: Ja, man spürt es!) und ich will die Begeisterung aus dem Grund auch etwas teilen, weil es in Zukunft mehr PVZs geben sollte. Ich wünsche mir auch eines für Seewalchen, aber das ist eine andere Geschichte. (Beifall bei den Grünen.)
Die Vorteile – und das ist ganz toll – sind auch verlängerte Öffnungszeiten. Das heißt, man hat von Montag bis Freitag die Möglichkeit, auch als Berufstätige oder wenn man eben nicht abkömmlich ist, einen Arzttermin zu bekommen, was ja bei anderen Ärzten oftmals durchaus schwierig ist. Die Termine werden auch schnell vergeben, weil es einfach so gut organisiert ist.
Die Ärzt:innen und die Therapeut:innen arbeiten sozusagen Hand in Hand. Das kann man sich so vorstellen: Wenn ein Arzt eine Diagnose stellt und feststellt, dass es wichtig wäre, Physiotherapie zu bekommen, wird gleich im Haus der nächste Termin ausgemacht; das geht Hand in Hand. Vielleicht ist auch das gar kein so ein schlechtes Beispiel: Wenn festgestellt wurde, dass aufgrund eines falschen Essverhaltens gewisse Krankheiten aufgetreten sind – ich rede da jetzt speziell über Bluthochdruck oder erhöhte Blutfette –, dann gibt es direkt im Haus eben die Diätologin, die in mehreren Terminen auch Beratungen durchführen kann.
Und es gibt eine Feedbackschleife im Haus: Das heißt, jedes Mal, wenn dort etwas an eine Physiotherapeutin, an eine Diätologin weiter verordnet wird, hat der Arzt, die Ärztin die Möglichkeit, über die Feedbackschleife auch noch einmal die Wahrnehmung zu äußern, ob das jetzt die richtige Behandlungsmethode ist.
Die Ärzte können sich auch eine zweite Meinung einholen. Dadurch, dass im Team gearbeitet wird, kann man sich schnell noch einmal beraten. Das ist eben aufgrund der gemeinsamen Struktur möglich. Die gemeinsame Struktur beinhaltet auch, dass es nicht für jeden einzelnen Arzt diese Verwaltungsmühsale gibt, sondern dass die Verwaltung zentral abgewickelt wird. Es ist auch möglich, dort Teilzeitarztstellen zu etablieren, und – was auch noch dazu kommt, was gar nicht so schlecht ist – es gibt einen enge Kommunikation mit der Gemeinde, insbesondere zum Beispiel im Zusammenhang mit der Aktion Gesunde Gemeinde. Es werden dort gemeinsam mit der Gesunden Gemeinde Vorträge organisiert. Das heißt, es ist eine ganz runde Sache.
Es war dann natürlich auch sofort meine Frage: Wie schaut es denn mit einer Communitynurse aus? Ist das nicht sozusagen eine Punktlandung, die Communitynurse auch noch in das System hineinzubringen? Da wurde mir gesagt: Ja, es ist total schade! Das haben wir leider in Vöcklamarkt jetzt nicht, aber wir werden uns aufgrund der vielen Vorteile bald darum bemühen, auch eine Communitynurse zu bekommen. Was aber jetzt schon möglich ist, ist die Integration der mobilen Hauskrankenpflege. Das ist meiner Meinung nach auch ein ganz wichtiger Aspekt.
Dann habe ich mit einer jungen Ärztin dort gesprochen, die gesagt hat, erst dass sie in dieses Team im Primärversorgungszentrum integriert ist, hat sie motiviert, diesen Kassenvertrag zu nehmen, weil eben dadurch die Verantwortung geteilt ist und eine wesentlich bessere Work-Life-Balance möglich ist.
Was auch noch interessant ist: Aufgrund der großzügigen Räumlichkeiten konnte man während der Coronazeit auch gewährleisten, dass eine Arztpraxis abgeschottet gewesen ist und infektiöse Patientinnen und Patienten den Warteraum nicht mit den anderen Patienten teilen mussten. Auch das geht nur, wenn man das entsprechende Raumangebot hat. Das ist in einem PVZ eben möglich.
Ich komme wieder auf das zurück, was wir heute beschließen. Wir bauen weiter bürokratische Hürden ab, die vielleicht die eine oder andere Ärztin, den einen oder anderen Arzt daran gehindert haben, sich zu diesem Schritt zu entschließen. In Zukunft wird es auch möglich sein, Kinderärzt:innen und Fachärzt:innen mit ins Boot zu holen. Da sind insbesondere Gynäkolog:innen sozusagen in den bevorzugten Reihen.
Also geht hinaus! Verbreitet die Botschaft als Bundesrät:innen! Macht Werbung für PVZs, damit wir vielleicht über die 121 kommen! Bei meinem Besuch, der den ganzen Vormittag gedauert hat – ich wollte eigentlich nur kurz dort bleiben, 1 Stunde oder so –, hat mir das so gut gefallen, dass ich jetzt eigentlich noch ein zweites Mal hinfahren könnte. Brecht sozusagen die Lanze in euren Kommunen! Es ist im Prinzip gerade mit dem Beschluss, den wir heute fassen, jetzt auch ganz einfach umsetzbar. (Lang anhaltender Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Ich bin noch gar nicht fertig, denn wir behandeln ja gerade zwei Tagesordnungspunkte. (Heiterkeit der Bundesräte Schwindsackl und Tiefnig. – Bundesrat Spanring – erheitert –: Dann hätten wir ja auch geklatscht! – Bundesrat Steiner: Dann hätten wir mitgeklatscht! – Bundesrat Spanring: Dann hätten wir auch geklatscht, wenn du dann fertig gewesen wärst!)
Der nächste Tagesordnungspunkt, der eben auch noch dazukommt, betrifft den Eltern-Kind-Pass. Ich wollte jetzt eigentlich gar nicht so viel dazu sagen, aber dann ist mir eingefallen, dass ich ja auch drei Kinder habe (Heiterkeit der Rednerin) und diesen gelben Pass sozusagen ganz nostalgisch in einer Schachtel aufbewahre. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Da sind viele Informationen drinnen. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)
Es ist ganz wichtig, diesen Eltern-Kind-Pass jetzt auf die nächste Stufe zu heben. Allein wenn ich daran denke, wie oft damals mein Mann mit den Kindern zum Kinderarzt gegangen ist und er mit einem Mutter-Kind-Pass herumgelaufen ist, während wir in der heutigen Zeit eigentlich alles über Apps regeln – sogar meine Blutspende ist mittlerweile über die Mein-Blut-App geregelt –, finde ich es nur gut, wichtig und richtig, dass wir jetzt diesen Eltern-Kind-Pass einführen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)
Digitalisierung ist ein ganz wichtiges Hilfsmittel. Aufgrund der Digitalisierung des Eltern-Kind-Passes wird es in Zukunft auch nicht mehr problematisch sein, wenn ich irgendeinen Zettel, den ganzen Pass oder sonst irgendetwas verliere, weil alles in ein elektronisches Register eingetragen wird. (Bundesrätin Schumann: Na geh! Wow! Sehr gut! – Bundesrätin Grimling: Dann bin ich jetzt überzeugt!) Es werden damit ganz große Hürden abgebaut, nämlich auch in Bezug auf die Beihilfen. Ich sehe daran gar nichts Schlechtes.
Nur um noch einmal auf die Nostalgie zu sprechen kommen: Wenn meine Töchter vielleicht in 30 Jahren eine noch innovativere Sache als diese App, als diesen digitalen Eltern-Kind-Pass, haben werden, dann wird man schon gar nicht mehr an das gelbe Heft denken. Ich denke, wir können uns darauf verständigen, dass das eine gute Sache ist, aber meine Kolleginnen werden - - (Bundesrat Spanring: Mutter-Kind-Pass! Bravo! Mutter-Kind-Pass! Und Töchter! Warum reden Sie von Töchtern? Das ist ja total gegen das Gendern! Kriegen die Söhne jetzt keine Kinder, oder wie?) – Na ja, ich sage einmal so (Heiterkeit der Rednerin): Wenn es möglich werden sollte, dass Männer Kinder kriegen, dann haben wir mit Eltern-Kind-Pass ja schon den richtigen Begriff gewählt. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: Und die Schwarzen applaudieren mit!)
15.54
Vizepräsidentin Margit Göll: Nächste Rednerin: Sandra Gerdenitsch. – Bitte.