13.30

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frau Ministerin ist leider noch nicht da. (Bundesrat Schreuder: Sie ist gleich da!)  Es freut mich, dass sie sofort kommen wird. Der Bericht der Frau Berichterstatterin würde vermuten lassen, dass es sich um eine große Reform handelt, aber dem ist nicht so. Heute liegt uns nämlich nur eine kleine Zivilverfahrens-Novelle zur Beschlussfassung vor.

Wir erinnern uns: Als wir noch drüben in der Hofburg gesessen sind, haben wir immer wieder befristete Ausnahmeregelungen beschlossen, bei denen es darum ging, die Möglichkeit einer Videozuschaltung in Zivilverfahren vorzusehen. Genau das, was wir immer befristet beschlossen haben, soll jetzt ins Dauerrecht übernommen werden. Da sage ich: Ja, warum nicht? Wenn alle Streitparteien einverstanden sind, es also ein Widerspruchsrecht gibt. Das wäre durchaus der zustimmungsfähige Teil dieser Zivilverfahrens-Novelle.

Ich bin aber deshalb als Kontrarednerin eingetragen, weil der zweite Teil eben etwas problematischer ist. In diesem geht es nämlich darum, virtuelle Gesellschafterversammlungen durchzuführen. Es wurde auch schon in der Begutachtung von vielen Seiten eingewendet, dass dadurch etwa bei börsennotierten Unternehmen die Rechte von Kleinaktionärinnen und Klein­aktionären unter Umständen eingeschränkt werden könnten und auch Kontrollrechte beschnitten werden könnten und es daher zumindest jedenfalls eine hybride Form geben sollte – also mit einem Anwesenheitsrecht und der Möglichkeit, sich virtuell zuzuschalten. – Das ist wie gesagt der problematische Teil dieser kleinen Zivilverfahrens-Novelle.

Was aber noch schwerer wiegt, ist die Tatsache, dass es eine zu kleine Novelle des Zivilverfahrens ist. Frau Kollegin Neurauter, Sie haben ja die vielen Gesetze aufgezählt, die heute ein Stückerl weit renoviert werden und an denen ein bisserl gedreht wird, aber es wird eben zu wenig gedreht. Sie haben ja auch Zivilprozessordnung und Insolvenzordnung genannt – all das ist - - (Bundes­minis­terin Zadić betritt den Saal.) – Herzlich willkommen, liebe Frau Ministerin, schön, dass Sie da sind! – Applaus! Habt ihr vergessen, das gehört schon an dieser Stelle! (Heiterkeit der Rednerin. – Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Ich habe gerade darüber gesprochen, dass der erste Teil der Zivilverfahrens-Novelle durchaus unproblematisch ist, wenn die Regelungen mit der virtuellen Zuschaltung ins Dauerrecht übernommen werden, dass aber eben der zweite Teil, die virtuelle Gesellschafterversammlung unserer Meinung problematisch ist, weil die Situation der Kleinanleger, -anlegerinnen nicht ausreichend berücksichtigt zu sein scheint.

Das Schwerwiegende aber ist, dass es nur eine sehr kleine Novelle des Zivilverfahrens ist und dass die große Chance einer dringend gebotenen Reform des Insolvenzrechts nicht genützt wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie können sich vorstellen, was jetzt kommt, denn wie dringend die Reform des Insolvenzrechts ist, das zeigen genau die Machenschaften, die wir bei der Kika/Leiner-Insolvenz erleben. Was sich da abspielt, das hätte man nicht für möglich gehalten.

Deshalb bringe ich diesbezüglich einen Entschließungsantrag ein, weil wir sehen, dass es offensichtlich zu wenige zivilverfahrensrechtliche Vorschriften gibt, die es den Behörden ermöglichen, auf solche Machenschaften, wie sie derzeit von René Benko rund um die Kika/Leiner-Gruppe zu beobachten sind, zu reagieren. Anscheinend gibt es Lücken im Insolvenzrecht, denn auf der einen Seite wird ein satter Gewinn von 300 Millionen Euro und mehr eingestrichen, während auf der anderen Seite Tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Job verlieren und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Dummen sind und draufzahlen. Sie mussten Geld in die Sanierung hineinbuttern und schon vorher wurde über die verschiedensten Förderungen Geld hineingebuttert.

Wir müssen nun beobachten, dass über Verlustverschiebungen und Unternehmensabspaltungen ein Geschäftsmodell entstanden ist, das einfach die Allgemeinheit in einem unglaublichen Ausmaß belastet, bei dem Arbeitsplätze auf der einen Seite draufgehen und auf der anderen Seite Gewinne in einem Ausmaß, wie man das nicht für möglich gehalten hätte, angehäuft werden.

Daher ist es angebracht, hier tätig zu werden und eben diesen Entschließungs­antrag mit folgendem Inhalt zu beschließen:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Dringende Reform des Insolvenzrechts“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat ehestmöglich eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende Punkte enthält bzw. – sofern dies im Rahmen der bestehenden Gesetze möglich ist – die entsprechenden Maßnahmen zu setzen:“

Dieser Entschließungsantrag ist Ihnen auch zugegangen, deshalb erläutere ich ihn in den Grundzügen:

Es geht um ein neues Konzerninsolvenzrecht, denn bisher herrscht im Insolvenz­recht das Trennungsgebot: Jedes Unternehmen wird für sich alleine betrachtet, auch wenn es Teil eines Konzerns ist. Dadurch wird es eben erst möglich, die Schulden bei einem einzigen Unternehmen anzuhäufen, während die anderen Unternehmen besagte Gewinne schreiben. In Zukunft sollen diese Unternehmen desselben Konzerns als Einheit betrachtet werden und auch vom Insolvenz­gericht gemeinsam betrachtet werden können, um entsprechend tätig zu werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass es zu Vermögensverschiebungen zulasten der Gläubiger kommt.

Im Antrag ist auch beschrieben, wie das technisch vonstattengehen kann. Es muss da also etwas geschehen, damit die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler eben nicht draufzahlen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Eigentümerinnen und Eigentümer müssen verstärkt in die Verantwortung genommen werden, denn man sieht, wie das derzeit läuft: Es kommt zu keinen Änderungen der Eigentumsverhältnisse, im Gegensatz etwa zu anderen Ländern, wo sehr wohl die Gläubigerfunktion in einen Miteigentumsanteil umgewandelt werden kann, wenn beispielsweise Verbindlichkeiten bestehen. In weiterer Folge besteht auch aufseiten der Gläubiger ein Interesse am Fortbestehen des Unternehmens und natürlich kann auch die öffentliche Hand entsprechend positiv begünstigt werden.

In weiterer Folge geht es auch darum, dass öffentliche Schulden vorrangig befriedigt werden sollen. Wenn der Staat schon eingesprungen ist, was ja bei der Kika/Leiner-Gruppe der Fall gewesen ist – was wurde da alles hineingebuttert: Covid-19-Steuerstundungen, Cofag-Hilfen, Krisenförderung und so weiter –, dann kann es nicht sein, dass die öffentliche Hand dann durch die Finger schaut. Da müssen öffentliche Schulden wie in anderen Staaten vorrangig befriedigt werden. Das sind wir den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern schuldig. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht – das muss in Ihrem ureigenen Interesse sein, Frau Ministerin – um eine Stärkung der Kompetenzen bei der Justiz. In Österreich sieht es so aus, dass es keine spezialisierte Behörde gibt, die sich mit Großinsolvenzen befasst und auch entsprechende forensische Möglichkeiten hat, um Insolvenzverschleppungen oder Kridahandlungen auch erkennen und nachweisen zu können. Die Finanz­pro­kuratur hat ihre Aufgaben, aber offensichtlich nicht in ausreichendem Maße, um auch diese Aufgaben erfüllen zu können.

Es bräuchte da eine – das ist natürlich eine andere Struktur, das ist ganz klar – eigene Insolvenzbehörde, vergleichbar mit der Wirtschafts- und Korruptions­staatsanwaltschaft, um diese anspruchsvolle Aufgabe wahrnehmen zu können.

Dann geht es weiters auch um eine Ausweitung der Haftung bei Unternehmens­spaltungen, weil es kein Geschäftsmodell sein darf, dass profitable und defizitäre Geschäftsbereiche einfach aufgespalten werden können und die dann nichts mehr miteinander zu tun haben. Dieses Geschäftsmodell muss also dringend unterbunden werden. Wenn man sich diese Machenschaften ansieht, dann erkennt man, dass dringendster Handlungsbedarf gegeben ist.

*****

Ich ersuche Sie, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.40

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herzlichen Dank.

Jetzt mache ich es noch einmal offiziell: Ich begrüße Bundesministerin für Justiz Dr.in Alma Zadić auf das Herzlichste. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Der von den Bundesräten Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Dringende Reform des Insolvenzrechts“ ist genügend unterstützt, er wurde in den Kernpunkten erläutert und steht demnach in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Mag. Elisabeth Kittl. – Bitte.