11.19
Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem auch liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Da ich als Proredner für diesen Tagesordnungspunkt ausgewiesen bin, ist es ja nicht schwer, zu erkennen, dass wir, die SPÖ-Fraktion, diesem Gesetzesantrag zustimmen werden. Wir tun das aber nicht in der gleichen Euphorie wie die Vertreter der Regierungsparteien, sondern eher deshalb, weil wir in der Notlage, in der sich die Menschen und Gemeinden derzeit befinden, das nehmen müssen, was die Regierung gewillt ist bereitzustellen und herzugeben. Aus meiner Sicht ist das viel zu wenig. Lob und Euphorie sind aus meiner Sicht hier nicht angebracht.
Diese Debatte wurde schon im Nationalrat sehr emotional geführt. Ich kann das auch nachvollziehen und verstehen, warum. Diese 150 Millionen Euro sollen nämlich über die Länder den Gemeinden zur Verfügung gestellt werden, damit die Gemeinden die Gebühren im Jahr 2024 in gewissen Bereichen – beim Wasser, beim Kanal oder auch bei der Müllabfuhr – nicht in voller Inflationshöhe, in voller Teuerungshöhe anheben. Bei genauer Betrachtung springen einem da schon die ersten Mängel entgegen.
Erstens die Höhe des Zweckzuschusses: Diese 150 Millionen Euro sind nur dafür geeignet – davon sprechen ja auch die ÖVPler in ihren Reden –, dass man die Gebührenanhebung ein wenig dämpfen kann. Was heißt das im Umkehrschluss? – Es wird für die Menschen in diesem Land trotzdem wieder teurer und die Abfederung wird sich kaum auswirken.
Wer das schnell durchdividieren will: 150 Millionen Euro aufgerechnet auf circa neun Millionen Menschen, da landet man bei etwa 17 Euro pro Person im Jahr – im Jahr! Die ÖVP-Mandatare sprechen in ihren Redebeiträgen – das hat man im Nationalrat hören können – auch von einem Mosaiksteinchen. Ich würde hier eher von einem Mosaikstaubkörnchen sprechen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Tiefnig: Na geh!)
Was ist aus meiner Sicht der zweite Mangel? – Diese Bremse wirkt 2024, also nur ein Mal. Was passiert dann 2025? Das ist meine Frage. – Dann kommt es für die Menschen wahrscheinlich ganz, ganz dick, wenn nämlich diese Gebührenbremse nicht mehr wirkt, wegfällt und die jeweilige Teuerungsrate dazukommt.
Drittens: Ich habe Bauchweh, wenn für die Details und die Durchführung die Länder zuständig sind, und zwar deshalb, weil wir da gerade in Oberösterreich mit der schwarz-blauen Landesregierung in den letzten Jahren sehr, sehr schlechte Erfahrungen gemacht haben. Wir haben in Oberösterreich zulasten der Gemeinden einen negativen Transfersaldo von rund 600 Millionen Euro pro Jahr auszuweisen. Was heißt das? – Dass die Gemeinden in Oberösterreich um 600 Millionen Euro mehr an das Land transferieren, als in die entgegengesetzte Richtung wieder zurückkommt. Auch da muss ich die Frage stellen: Was von diesen 150 Millionen Euro wird am Ende des Tages letztendlich wirklich bei den Gemeinden und bei den Menschen, die dort wohnen, ankommen?
Viertens gibt es aus meiner Sicht auch noch offene rechtliche Fragen, rechtliche Komponenten. Ich denke dabei zum Beispiel an die Härteausgleichsgemeinden. Da gibt es ganz klare rechtliche, landesgesetzliche Vorgaben. Wir alle wissen: Härteausgleichsgemeinden bekommen im Wesentlichen von ihren Ländern vorgeschrieben, wie hoch die Gebühren sein müssen und zu kalkulieren sind, die sie dann letztendlich auch den Menschen, den Bürgerinnen und Bürgern, vorschreiben müssen. Also auch da gibt es noch viele Fragezeichen. Wir werden am Ende des Tages sehen, wie man das wird lösen können.
Damit bin ich auch schon beim Stichwort Gemeinden. Gerne hätte ich mich hier mit dem Herrn Finanzminister ausgetauscht. Wir wissen, dass seit vielen Jahren immer mehr Verantwortung und Aufgaben in Richtung der Gemeinden und auch der Städte geschoben werden – und das, ohne die dafür notwendige Finanzierung sicherzustellen. Ich weiß das als Bürgermeister aus meiner Gemeinde, ich weiß es aus vielen Gesprächen mit Bürgermeisterkolleginnen und -kollegen – übrigens auch sehr, sehr vielen ÖVP-Bürgermeister:innen.
Die Gemeinden werden – das darf man ruhig so auf den Punkt bringen – in den Ruin getrieben, wenn sich die laufenden Gespräche zum Finanzausgleich nicht zugunsten der Kommunen wenden. Das bestätigen nicht nur Experten oder behaupten nicht nur wir, das bestätigen zum Beispiel auch Prognosen des Zentrums für Verwaltungsforschung, kurz KDZ.
Was ist der Grund? – Die Ausgaben explodieren, die Einnahmen sinken. Die Ausgaben explodieren vor allem in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Energie, Kinderbildung oder etwa auch beim Zinsendienst, bei den Darlehenstilgungen, die die Gemeinden natürlich auch leisten müssen. – Da muss ich Ihnen, Herr Staatssekretär, die Frage stellen: Wie soll sich das am Ende des Tages alles ausgehen?
Deshalb mein eher kritisches Resümee: Immer mehr Kommunen schlittern aufgrund dieser finanziellen Schieflage in den Härteausgleich und können dadurch auch die Daseinsvorsorge nicht mehr finanzieren und sicherstellen. Was kommt negativ dazu? – Es fehlen auch die finanziellen Spielräume, um die so wichtigen Zukunftsinvestitionen zu tätigen, etwa im Bereich Kinderbildung oder im Bereich Klimaschutz. Das heißt, wir leben in einem gefährlichen Kreislauf, der auch die Wirtschaft schwächt. Dieser negative Kreislauf muss – muss! – zugunsten der Gemeinden im Finanzausgleich unterbunden werden.
Wir können den Medien entnehmen, dass es vor zwei Tagen eine Grundsatzeinigung beim Finanzausgleich gab. Das klingt jetzt einmal sehr gut, das ist aber noch lange keine Garantie, dass es jetzt für die Kommunen ohne Hürden auch wirklich erheblich mehr Geld geben wird. Es mag vielleicht für manche Länder ein gangbarer Kompromiss sein, aus meiner Sicht ist es das für meine Gemeinde oder auch für viele andere Gemeinden sicher nicht. Wir hängen weiterhin am Gängelband der Länder. Eine Stärkung der Gemeindeautonomie wird dadurch auch in weite Ferne gerückt.
Abschließend darf ich festhalten, dass die Kommunen, alle Gemeinden, viele sehr wichtige und sinnvolle Projekte in ihrer Pipeline haben. Wir als Gemeinden wollen Krabbelstuben, Kindergärten, Schulen, Freizeit-, Kultur- und Sporteinrichtungen, Wasserleitungen und vieles mehr bauen. Dafür brauchen wir aber einfach mehr vom Steuerkuchen. Im Übrigen ist dieser Kuchen nicht das Geld der Bundesregierung, sondern das der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)
11.28
Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte.