Bundesrätin Sandra Lassnig (ÖVP, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin!

1947/M-BR/2023

„Welche Schritte werden Sie auf europäischer Ebene setzen, um die Senkung des Schutzstatus des Wolfes zu erreichen?“

Vizepräsidentin Margit Göll: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Zunächst muss man zu dieser Frage sagen, dass nur die Europäische Kommission das Recht hat, einen Vorschlag zu einer allfälligen Änderung der EU-Rechtslage und somit der hier betroffenen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie einzubringen – das Initiativmonopol der Kommission. Wir haben – jetzt antworte ich ganz kurz aus einer parteipolitischen Sicht – als Grüne immer gefordert, dass sich das ändert, aber das ist der Status quo: Es gibt ein Initiativmonopol der Kommission.

Die Kommission hat gerade eine Konsultation zur Überprüfung der Sachlage durchgeführt, die ist am Laufen. Es sind 17 000 Meldungen aus ganz Europa eingelangt. Diese Meldungen werden derzeit von der Kommission überprüft und bewertet. Erst danach wird klar sein, inwieweit sich für die Kommission ein Bedarf nach einer Änderung der Rechtslage zeigt.

Klar ist aber auch, dass der Wolf nach Ansicht der meisten Expertinnen und Experten in Österreich derzeit in keinem günstigen Erhaltungszustand ist – das ist ja die Messlatte der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Mir ist aber bewusst, dass das natürlich ein hochsensibles Thema ist. Das heißt für uns – das wissen wir –: Fakt ist, der Wolf wird nicht mehr verschwinden. Er ist als Wildtier in Österreich wieder heimisch. Das heißt, wir müssen jetzt die Voraussetzungen für gezielte Maßnahmen schaffen, abgestimmt auf den jeweiligen Betrieb, um Schaden zu verringern, um entstandene Schäden abzugelten, aber – auch das möchte ich sagen – schon in der jetzigen Rechtslage ist die Entnahme einzelner Tiere ein Teil der Palette an Maßnahmen, die man in letzter Konsequenz setzen kann.

Wir werden im BMK jedenfalls unser Bestmögliches tun, um weiterhin konstruktiv an einer zufriedenstellenden Lösung zu arbeiten, wie man die Koexistenz von Almwirtschaft und großen Beutegreifern gut ermöglichen kann. Dafür, für diese gute Koexistenz, werde ich natürlich auch auf europäischer Ebene arbeiten.

Vizepräsidentin Margit Göll: Wird eine Zusatzfrage gewünscht?

Bundesrätin Sandra Lassnig (ÖVP, Kärnten): Nein, danke.

Vizepräsidentin Margit Göll: Zu einer Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Offensichtlich im Gegensatz zu Ihnen, aber auch zur Vorrednerin, halte ich die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie für eine Großtat der Europäischen Union, weil sonst schon sehr viele Tiere und Pflanzen ausgestorben wären. Ich halte nach wie vor den Wolf für ein schützenswertes Tier, das immer schon in Europa heimisch war, und es gibt in den letzten 200 Jahren kein einziges Beispiel dafür, dass der Wolf und der Mensch in einen Konflikt geraten sind. Das heißt, da wird auch ganz viel Hysterie geschürt. (Bundesrat Steiner: Das sagt ein Wiener! – Ruf bei der ÖVP: Ein Tiroler! – Bundesrat Spanring: In Schönbrunn gibt es kein ...! – Bundesrat Steiner: In Schönbrunn gibt es kein Problem! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Vizepräsidentin Margit Göll: Was ist mit der Frage? Bitte um die Frage!

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Daher lautet meine Frage: Werden Sie in den Verhandlungen mit der Kommission für die Aufrechterhaltung dieser Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie eintreten?

Vizepräsidentin Margit Göll: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Selbstverständlich! Falls es da jetzt Missverständnisse gegeben hat: Ich halte die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie für einen der zentralen Pflöcke des europäischen Naturschutzrechtes beziehungsweise für einen der zentralen Garanten dafür, dass wir eine intakte Biodiversität oder Wiederherstellung von Biodiversität auf diesem Kontinent erleben, was die Fauna, die Flora und die Habitate betrifft.

Ich habe vorhin auch gesagt: Die meisten Expertinnen und Experten sind sich einig, dass bei vielen der in den Annexen gelisteten Tiere – und wie gesagt auch beim Wolf – noch kein günstiger Erhaltungszustand besteht. Im Hinblick darauf sage ich in dieser Debatte ganz oft: Es hilft, wenn wir ein gemeinsames Ziel haben, nämlich eine gute Koexistenz von Beutegreifern und Bewirtschaftung, am meisten, wenn wir diese Debatte sehr sachlich und nicht emotional führen.

Das Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs ist zum Beispiel eine Einrichtung, die das wirklich hervorragend macht und in diesem Zusammenhang Unterstützungs- und Kommunikationsleistungen anbietet. – Ich kann wirklich allen nur empfehlen, sich damit zu beschäftigen.

Vizepräsidentin Margit Göll: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann (FPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Frau Minister! Welche Schutzmaßnahmen wurden bisher ergriffen, um Nutztiere vor Übergriffen zu schützen, und wie bewerten Sie die Effektivität der bisher ergriffenen Maßnahmen?

Vizepräsidentin Margit Göll: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die Schutzmaßnahmen werden ja auf Betriebsebene gesetzt, wenn es um Herdenschutzmaßnahmen im konkreten Sinn geht. Klar ist aber – ich sage es jetzt noch einmal –, dass die Rückkehr des Wolfes nach Österreich zu viel Verunsicherung geführt hat. Das zeigt sich auch an der Emotionalität der Debatte. Deswegen sind wir in Österreich mit der Aufnahme von Herdenschutzmaßnahmen und bei manchen diesbezüglichen Themen noch nicht ganz so weit wie andere Länder.

Man muss sich das aber auf Betriebsebene anschauen. Da gibt es auch für die unterschiedlichen Bewirtschaftungsarten kein One-size-fits-all. Deswegen war es mir auch ein Anliegen, den Herrn Landwirtschaftsminister bei den Budgetverhandlungen zu unterstützen, dass wir die finanziellen Mittel für heimische Bäuerinnen und Bauern erhöhen, um auch Herdenschutzmaßnahmen umsetzen zu können.

Vizepräsidentin Margit Göll: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Simone Jagl zu Wort gemeldet. Ich bitte um ihre Zusatzfrage.

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Der Wolf war bis zu seiner drastischen Dezimierung im 17. und 18. Jahrhundert neben dem Menschen das auf der Erde am häufigsten lebende Säugetier. Seit der Unterschutzstellung im 20. Jahrhundert hat sich die Population wieder erfangen. – Dadurch, dass sich Österreich inmitten fünf wichtiger Standorte von Wolfspopulationen befindet, hat gerade Österreich eine wichtige Rolle, weil auf unserem Gebiet eine Vermischung dieser Populationen stattfindet und damit ein natürlicher Genaustausch stattfindet.

Ich weiß, dass Sie vorhin schon ein bisschen darauf eingegangen sind, stelle jetzt aber trotzdem die Frage: Gibt es noch konkrete Schritte, die alle Bewirtschafter:innen und Viehhalter:innen setzen beziehungsweise umsetzen können? Welche Schritte sind notwendig, damit diese langfristig und vor allem auch nachhaltig mit den Herausforderungen umgehen können, die die Rückkehr des Wolfes in Österreich eindeutig mit sich gebracht hat.

Vizepräsidentin Margit Göll: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe tatsächlich schon einiges auch bei der Beantwortung der vorhergehenden Frage angesprochen, komme jetzt aber noch einmal auf die formalen Zuständigkeiten zu sprechen: Der Herdenschutz und die Herdenschutzmaßnahmen fallen nicht in die Zuständigkeit des Klimaschutzministeriums, sondern des Landwirtschaftsministeriums. Außerdem besteht Länderzuständigkeit. Dort gibt es derzeit einen Schwerpunkt auf Herdenschutzmaßnahmen, der sich zurzeit aber sehr stark auf die Zäunung und den damit einhergehenden Schutz von Heim- und Talweiden bezieht. Einen Leitfaden dazu gibt es auch beim Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs, das ich gerade vorhin erwähnt habe.

Die nächste große Herausforderung besteht jetzt in der Frage der Alpung der Nutztiere unter Führung und Aufsicht, also in der Frage: Wie kommen wir wieder zu einer beaufsichtigten Alpung der Nutztiere? – Ohne Zweifel ist das eine schwierige, aber sehr wesentliche Aufgabe. Die Lösung der Fragen im Hinblick auf Hirten und Hirtinnen, Hirtenhunde, Herdenschutzhunde, Hüttenhunde, Weideführung mit Hirten und Hirtinnen et cetera ist ohne Zweifel eine riesige Aufgabe, aber ein wichtiger Pfeiler für eine konfliktarme Koexistenz.

Herdenschutz wird auch von den Bundesländern gefördert. Die Bundesländer entschädigen auch bei Rissen. Insofern müssen wir, glaube ich, wirklich auch aus den Erfahrungen anderer Länder lernen. Herdenschutz funktioniert mit zunehmender Erfahrung immer besser. Das kann man unter anderem auch auf der Website der Tiroler Landesregierung nachlesen. Dazu gibt es dort auch ein gutes Beispiel.

Vizepräsidentin Margit Göll: Die Fragestunde ist beendet. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)