13.52

Bundesrat Matthias Zauner (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Als begonnen wurde, das Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz zu bearbeiten, hätte wohl niemand gedacht, dass dieses Thema zum Zeitpunkt der Beschlussfassung im Nationalrat und auch zum Zeitpunkt der Beschlussfassung hier im Bundesrat mehr denn je Aktualität, Brisanz und verschärfte Notwendigkeit hat.

Ausgerechnet zum 75. Jahrestag der Gründung des Staates Israel ist dieser grauenvolle Terroranschlag der Hamas passiert, der eine völlig neue Dimension erreicht hat. Seit Ende der Nazidiktatur haben an einem Tag nie so viele Jüdinnen und Juden ihr Leben lassen müssen wie an diesem besagten Tag. Unser tief empfundenes Mitgefühl gilt daher den Hinterbliebenen der Opfer, und es war ein gutes, ein richtiges Zeichen, dass wir am Beginn der heutigen Sitzung dieser gemeinsam gedacht haben.

In diesem Zusammenhang darf ich auch auf eine für mich sehr bewegende Rede unseres Kollegen Martin Engelberg im Nationalrat verweisen, der noch einmal die Gräuel geschildert hat, die im Rahmen dieses Terroranschlags verübt wurden. Wenn man dieser Tage hört, dass Journalisten Videos gezeigt werden, die so grauenvoll sind, dass man sie der Öffentlichkeit gar nicht zeigen kann, dann wissen wir, von welcher Dimension wir sprechen: Menschen werden gefoltert und verschleppt, vergewaltigt und, ja, sogar Säuglinge geköpft. Martin Engelberg hat das im Nationalrat auf den Punkt gebracht: In Wahrheit ist der Ausdruck Terroristen dafür fast noch viel zu beschönigend; er hat von blutrünstigen Mörderbanden, ja Barbaren gesprochen.

Ja, meine Damen und Herren, die Hamas ist eine Terrororganisation, und man muss es klar zum Ausdruck bringen, dass sie auch das palästinensische Volk als Schutzschild hernimmt, wenn sie ihre Stellungen ganz bewusst unter Krankenhäusern oder Flüchtlingscamps errichtet.

Meine Damen und Herren, es geht hier auch um viel mehr als um einen einzelnen Terroranschlag, es geht um das Existenzrecht Israels. Die Republik Österreich, die österreichische Bundesregierung, hat hierzu eine ganz klare Haltung: Das Existenzrecht Israels ist für uns Staatsräson. Es geht darum, die Geiseln zu befreien, und ja, es geht um den Schutz der Zivilbevölkerung, der palästinensischen genauso wie der israelischen.

Meine Damen und Herren, ich denke aber, es ist zu wenig, zu sagen, es ist Staatsräson. Es ist nicht nur Staatsräson. Es geht darum, unsere westliche Zivilisation zu verteidigen, es geht um Freiheit, es geht um Demokratie, es geht um Rechtsstaatlichkeit, und es geht um einen moralischen Kompass.

Wenn wir die Entwicklungen in Europa und in Österreich seit diesem schrecklichen Terroranschlag verfolgen, dann müssen wir leider erkennen, dass wir ein Thema mit Antisemitismus haben: dass es hier Demonstrationen mit antisemitischen Inhalten gibt, dass es – Gott sei Dank bislang nicht in Österreich, aber in Europa – bei diesen Demonstrationen auch Eskalationen gibt und dass auch der importierte Antisemitismus eine ganz wesentliche Rolle spielt. Ich denke, es ist ein gutes Zeichen, dass das Innenministerium und die IKG da in einem ständigen Austausch sind, um die Sicherheit der Jüdinnen und Juden in Österreich zu gewährleisten.

Das ist die aktuelle Situation, aber eigentlich geht es heute ja um einen Gesetzesbeschluss. Da ich der erste Redner bin, darf ich ganz kurz darauf eingehen, dass dieses Gesetz 2021 einstimmig beschlossen wurde und wir nun mit der heute vorliegenden Gesetzesänderung die Fördersumme von 4 auf 7 Millionen Euro erhöhen, um ein sicheres und selbstbestimmtes Leben für Jüdinnen und Juden in Österreich zu garantieren, aber auch um für die österreichische Bevölkerung einen breiten Zugang zum jüdischen kulturellen Erbe zu gewährleisten. Dass ein großer Teil dieses Betrags seitens der jüdischen Einrichtungen in Sicherheit investiert werden muss, muss uns dabei durchwegs traurig stimmen.

Ich darf dir, sehr geehrte Frau Bundesministerin, danken. Ich weiß, dass dir dieses Thema ein Herzensanliegen ist und dass dich dieses Thema durch deine gesamte Amtszeit begleitet; ich darf mich daher ganz besonders bei dir bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wenn wir über Gedenken sprechen und wenn wir auch über die Verant­wor­tung von uns selbst sprechen, dann lassen Sie mich ganz kurz noch zwei Beispiele aus meinem Heimatbundesland beziehungsweise meiner Heimatstadt bringen. Meine Heimatstadt Wiener Neustadt hatte bis zum Zweiten Weltkrieg eine pulsierende jüdische Gemeinde. Heute gibt es diese Gemeinde nicht mehr. Das Gute, Wichtige und Richtige ist: Es gibt viele Initiativen, die darauf aufmerksam machen, dass es diese jüdische Gemeinde gab – mit der Aktion Stolpersteine, mit Stadtrundgängen, die das jüdische Wiener Neustadt beleuchten, mit der Darstellung dieser so großen jüdischen Geschichte in unserem Museum St. Peter an der Sperr. Erst vor einigen Jahren haben wir gemeinsam mit dem Jüdischen Museum Wien im Rahmen des Projekts Ot am ehemaligen Standort der Synagoge ein Lichtzeichen errichtet, und natürlich werden wir morgen im Rahmen einiger Gedenkveranstaltungen der schrecklichen Nacht der Novemberpogrome gedenken.

Ein Erlebnis darf ich hier schildern, weil es auch wieder Hoffnung macht: Am 24. März 1937 wurde in Wiener Neustadt Paul Koppel geboren. 1938 musste seine Familie fliehen. Er lebt heute als Elazar Benyoëtz in Israel und ist dort der einzige hebräische Lyriker, der in deutscher Sprache schreibt. Er hatte jahrelang einen Groll gegen Österreich, gegen seine Heimat. Aufgrund all der Initiativen, die wir gesetzt haben, ist er aber vor wenigen Jahren wieder zurückgekommen, hat in Wiener Neustadt eine Lesung gehalten und sich mit seiner Herkunft, mit seiner Vergangenheit ausgesöhnt.

In Wiener Neustadt gibt es das Gebäude der Synagoge nicht mehr, doch gibt es in Sankt Pölten noch die ehemalige Synagoge. So sei hier heute positiv erwähnt, dass die Stadt Sankt Pölten, das Land Niederösterreich und der Bund aktuell 4,6 Millionen Euro in die nachhaltige Erhaltung dieses Jugendstiljuwels investieren, vor allem auch deshalb, um dort Zeitgeschichte erlebbar zu machen, eine Veranstaltungshalle zu errichten und an die jüdische Gemeinde zu erinnern und ihrer zu gedenken.

Warum habe ich das jetzt erzählt? – In beiden Städten gibt es keine jüdische Gemeinde mehr. Es ist daher umso wichtiger, dass wir diese Geschichte weitererzählen und dass wir mit dem Kulturerbegesetz heute einen ganz wesentlichen Teil dazu beitragen, jüdisches Leben in Österreich sicher zu machen und gleichzeitig das Gedenken an all jene, die es nicht mehr gibt, hier in den Vordergrund zu stellen.

Ja, in den letzten Tagen hat es zahlreiche Debatten gegeben, aber ich gehe heute sehr bewusst auf keine parteipolitischen Debatten ein, weil ich denke, dieser Beschluss ist viel zu wichtig, als dass wir hier mit kleinen parteipolitischen Interessen agieren. Ich gehe davon aus – und so sieht es aus –, dass dieser Beschluss einstimmig gefasst wird. Gerade angesichts der schrecklichen Bilder aus Israel sollten wir das Gemeinsame vor das Trennende stellen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

14.02

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr dieses.