16.19

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Ich kann eigentlich nahtlos an meine Vorrednerin anschließen. Ich denke, dass dieses Kinderschutzpaket – obwohl wir uns ein umfassendes Kinderschutzpaket wünschen; das vorliegende ist ein bisschen zu klein geraten – enorm wichtig ist und dass wir hier einen klaren Auftrag haben. Wir haben auch einen Auftrag nach der Bundesverfassung. In Artikel 5 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern heißt es – und das ist nicht diskutierbar, liebe Kolleginnen und Kollegen –: „Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, die Zufügung seelischen Leides, sexueller Missbrauch und andere Misshandlungen sind verboten. Jedes Kind hat das Recht auf Schutz vor wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung.“ (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen von ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Der Herr Bundespräsident hat von der Schönheit der Verfassung gesprochen. In dem Fall, kann ich nur sagen, gibt uns die Verfassung einen Handlungsauftrag. Diesen Handlungsauftrag hat die Frau Bundesministerin in einer Pressekonferenz, glaube ich, so bezeichnet: Kein Kind soll mehr leiden! Ich kann nur sagen: Die Zahl der Fälle sexuellen Missbrauchs ist dramatisch gestiegen. 2011 gab es 288 Fälle, 2022 2 440. Das ist eine Explosion!

Nach dieser schlechten Nachricht gibt es aber auch eine gute: Die durchschnittliche Aufklärungsquote von Straftaten liegt in Österreich bei 16 Prozent, bei Straftaten im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch von Kindern online bei fast 40 Prozent. Das ist schon etwas, über das wir sagen müssen: Hut ab, die Justiz und die Polizei funktionieren! Allein wenn ich das Jahr 2012 hernehme: Da wurden von 584 Tatverdächtigen 495 verurteilt. Das ist eine enorme Rate. Wir können wirklich stolz sein, dass wenigstens das funktioniert.

Mit diesem Kinderschutzpaket bekommen wir nun ein paar ganz konkrete Straftatbestände, die einfach klarer formuliert sind und stärker wirken werden, wie Frau Kittl schon gesagt hat. Statt der zuvor vielleicht etwas harmlosen Formulierung kommt jetzt die Bezeichnung „bildliches sexualbezogenes Kindesmissbrauchsmaterial“. Es wird bestraft, wie viel Material jemand hat, und wenn jemand damit Geschäfte macht, also solches Material herstellt und weiterleitet, wird es wesentlich höhere Strafen geben – noch höhere, wenn unmündige Kinder missbraucht wurden.

Frau Ministerin (in den Unterlagen blätternd), jetzt habe ich Ihr Zitat gefunden: „Kein Kind darf Opfer [...] werden“. So haben Sie es gesagt, ich hatte das im Hinterkopf, weil mir das damals schon so gut gefallen hat, aber jetzt habe ich Ihre Worte auch direkt in meinen Unterlagen gefunden.

Wir haben im Europarat die europäische Kampagne One in Five – eines von fünf – ins Leben gerufen. Eines von fünf Kindern wird in einem Land wie Österreich missbraucht. Das gilt vielleicht auch für ein Land wie Deutschland, aber das gilt zum Beispiel nicht für Länder am Westbalkan. Überall dort, wo kriegerische Handlungen stattgefunden haben, werden zwei bis drei von fünf Kindern missbraucht.

Neben der Kampagne One in Five haben wir die Lanzarote-Konvention verabschiedet, die auch Österreich ratifiziert hat. Durch die Lanzarote-Konvention ist es dem Innenministerium möglich, Zivilbeamte zum Beispiel nach Thailand zu schicken. Wenn Zivilbeamte dort einen Kindesmissbrauch beobachten, wird die betreffende Person, wenn sie in Wien Schwechat landet, festgenommen, und man ist nicht mehr auf die Justiz in Thailand angewiesen. Das heißt: wir sind da viel weiter.

In Marokko wurde durch diese Maßnahme beispielsweise der sexuelle Missbrauch von Knaben im gleichgeschlechtlichen Bereich extrem verringert. Das ist das eine. Das Zweite ist: Wenn ein 40-jähriger Österreicher mit einer 13-jährigen Spanierin Sex hat, ist das nach spanischem Recht erlaubt, nach österreichischem nicht. Das heißt, da gilt dasselbe: Festnahme in Schwechat.

Ich möchte daran erinnern, dass eine serbische Filmemacherin und Musikerin aus der Popbranche ein Lied geschrieben und einen Film gemacht hat – „Breaking The Silence“ –, um Kindern Mut zu machen, über Missbrauch zu sprechen. Dieser Film und dieser Song sind bitte auf Platz eins der Charts gelandet. Was hat das für eine Bedeutung für Kinder, wenn sie das hören? – Sie werden befähigt, über das, was sie erleben, zu reden. Die Täter sind bei sexuellem Kindesmissbrauch nicht immer die finsteren Männer, die im Gebüsch warten, sondern sie kommen meistens – in über 90 Prozent der Fälle – aus den Familien oder sind Autoritätspersonen aus dem Umfeld.

Wir haben den Staaten einen Vorschlag gemacht, weil besonders im Bereich Sport sexueller Missbrauch von Kindern sehr häufig passiert: dass jeder Sportverein eine Person ausbilden muss, die in diesem Bereich sensibilisiert und geschult ist. Sollte das ein Sportverein, ein Klub nicht machen, soll er von öffentlichen Finanzierungen ausgeschlossen werden. Das sind Dinge, die auf europäischer Ebene erarbeitet wurden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß nicht, ob wir in allen Klubs und Vereinen in Österreich bereits so etwas haben, aber es geht darum, diese Sensibilisierung voranzutreiben – dort, wo Eltern und Kinder eigentlich etwas anderes wollen, als dann vielfach passiert.

In diesem Sinne: Unsere Fraktion sagt ja, wenn wir den sexuellen Missbrauch und die Gewalt an Kindern damit weiter verringern beziehungsweise einstellen können, und auch dazu, dass wir die Taten schärfer bestrafen. Für uns ist das aber heute noch nicht das Ende und wir hoffen, dass die Regierung mit uns über ein umfassendes Kinderschutzpaket diskutieren wird. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

16.28

Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Bitte.