15.10

Bundesrat Christian Fischer (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Gesundheitsminister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Unsere Fraktion wird der 15a-Vereinbarung über die Zielsteuerung-Gesundheit zustimmen. Mit dieser Vereinbarung wird das partnerschaftliche Zielsteuerungssystem, das eine bessere Abstimmung zwischen dem niedergelassenen Versorgungsbereich und den Kranken­anstalten ermöglicht, fortgeführt und erweitert.

Auch der 15a-Vereinbarung über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens wird unsere Fraktion zustimmen. Grundsätzlich beinhaltet sie gute Ansätze. Meiner Meinung nach werden diese Maßnahmen aber bei Weitem nicht ausreichen, die Privatisierung im Gesundheitssystem zurückzudrängen und die Versorgung zu verbessern. Die Probleme des Personalmangels sowohl im medizinisch-pflegerischen als auch in anderen Gesundheitsbereichen werden damit nicht gelöst. Die dringenden Ver­besserungen der Arbeitsbedingungen im Pflegebereich wie zum Beispiel die längst überfällige Überarbeitung des Betreuungsschlüssels oder die Schwerarbeiterregelung im Pflegebereich werden nicht berücksichtigt. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu Tagesordnungspunkt 14: In unserem Gesundheitssystem kracht es an allen Ecken und Enden. Ich bin geneigt, zu sagen, unser Gesundheitssystem liegt auf der Intensivstation. Alle spüren das: Ärzte fehlen, Operationen werden ver­schoben, Wartezeiten auf Termine werden länger, während die Behandlungs­zeiten der Ärzte für ihre Patienten immer kürzer werden.

In meinem Heimatbezirk Lilienfeld gibt es schon seit acht Jahren keinen Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde sowie keinen Facharzt für Urologie. Es gehen in Zukunft generell auch viele Allgemeinmediziner in Pension, deren Stellen schwer oder gar nicht nachbesetzt werden können. Die Zahl der unbesetzten Hausarztstellen ist in den letzten zweieinhalb Jahren um 68 Prozent gestiegen. 2020 waren es bereits 62 unbesetzte Stellen, 2023 stieg diese Zahl auf 104.

In Österreich müssen Patienten mittlerweile sehr viel privat für ihre Gesundheit zuzahlen. Von insgesamt 50 Milliarden Euro Gesundheitsausgaben sind 11 Milliarden Euro private Zahlungen. Wir dürfen den Menschen nicht weis­machen, dass sie privat zahlen müssen, wenn sie einen Arzt brauchen. Sie zahlen ihre Beiträge, haben daher Rechte und dürfen nicht zu Bittstellern im öffentlichen Gesundheitssystem werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es darf nicht sein, dass die Gesundheit, das höchste Gut, das wir besitzen, von den finanziellen Mitteln jedes Einzelnen abhängig gemacht wird. Patienten dürfen nicht länger doppelt zur Kasse gebeten werden, deshalb fordern wir E-Card statt Kreditkarte zum Wohle unserer Bevölkerung. (Beifall bei der SPÖ.)

Was wurde aus der versprochenen Patientenmilliarde? Sebastian Kurz, Heinz-Christian Strache und die frühere FPÖ-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein können froh sein (Bundesrat Schennach: An die erinnern wir uns noch!), dass sie nicht mehr im Amt sind. Von dem Leuchtturmprojekt ist außer negativen Bilanzen nichts übrig geblieben. (Bundesrat Himmer: Mein Gott!)

Negativ hervorzuheben – ich weiß, Sie hören das nicht gern – ist die Fusion der neun Gebietskrankenkassen zur ÖGK. Versprochen wurden gleiche medizinische Leistungen für alle Patient:innen, Versicherten und Einsparungen in der Verwal­tung, die Kurz und Strache seinerzeit als Patientenmilliarde ver­marktet haben. – Leere Worthülsen! Die ÖGK bilanzierte 2023 einen Abgang von sage und schreibe 386 Millionen Euro.

Aus Sicht des Rechnungshofes war die Patientenmilliarde von vornherein unrealistisch. Die Personalkosten erhöhten sich trotz der Fusion leicht, die IT-Kosten stiegen stark und die Motivation der Mitarbeiter sank aufgrund der Strukturlosigkeit ins Bodenlose.

Rote Gesundheitsminister haben sich darum gekümmert, die Krankenver­sicherung stets auf gesunde Beine zu stellen. Das schwarze System ist klar: Der öffentlichen Gesundheitsvorsorge werden über die Jahre hinweg Milliarden entzogen, um sie in die Privatkliniken und Privatversicherungen fließen zu lassen. Leider schaut der Koalitionspartner tatenlos zu.

Durch den Finanzausgleich werden zwar 300 Millionen Euro für die Sozialver­sicherung zur Verfügung gestellt, davon gehen 80 Prozent an die ÖGK, also 240 Millionen Euro, aber es bleiben lediglich rund 200 Millionen Euro für die ambulante Versorgung übrig. Rund 40 Millionen Euro davon sind gebunden für Impfvorsorge, Telemedizin und Gesundheitsvorsorge. Diese 200 Millionen Euro decken also nicht einmal den Bilanzverlust ab, der in erster Linie durch Maßnahmen von Schwarz-Blau verursacht wurde.

Die Sicherstellung einer ausreichenden Finanzierung der ÖGK ist daher unbedingt erforderlich. Nur durch eine ausreichende finanzielle Unterstützung kann es auch gelingen, eine Termingarantie für alle Versicherten umzusetzen, damit niemand mehr auf die Kreditkarte angewiesen ist, wenn eine Behandlung dringend erforderlich ist. Mit einem Rechtsanspruch auf einen Behandlungs­termin innerhalb einer bestimmten Zeit soll zukünftig sichergestellt werden, dass alle Menschen ihre erforderliche Behandlung rechtzeitig erhalten. In anderen europäischen Ländern wurde das bereits erfolgreich umgesetzt.

Termine sollen über eine zentrale Anlaufstelle effizient abgewickelt werden. Der Gesundheitshotline 1450 wird dabei eine zentrale Rolle zukommen. Jeder Patient hat dort innerhalb von zwei Stunden Anspruch auf medizinische Bera­tung am Telefon, es soll aber auch ein Terminservice angeboten werden.

Unsere Forderungen sind klar: Termingarantie für einen Arztbesuch binnen 14 Tagen, Realisierung der von Schwarz-Blau versprochenen Patientenmilliarde, Ärztemangel bekämpfen und wesentliche Schritte für die Attraktivierung der Pflegeberufe setzen. (Beifall bei der SPÖ.)

An einer echten Pflegeoffensive führt kein Weg vorbei. Aus Personalmangel werden allzu oft Betten oder sogar Stationen gesperrt. In St. Pölten ist eine diplomierte Pflegekraft mitunter für 70 Patienten verantwortlich. Pfleger:innen müssen allzu oft Dienste von Diplomierten übernehmen. Versetzungsanträge innerhalb der Landesgesundheitsagentur werden monatelang nicht behandelt. Am Wochenende müssen Pflegekräfte Handtücher waschen, Dienstgewand muss aufgrund von Kostenersparnis teilweise mehrere Tage hintereinander getragen werden. An freien Tagen sollen Dienste für erkrankte Pflegerinnen und Pfleger übernommen werden. Obwohl keine Rufbereitschaft besteht, geschweige denn dafür bezahlt wird, ist es Pflicht, erreichbar zu sein. In einem Pflege- und Betreuungszentrum im Bezirk St. Pölten ist es aufgrund dieser schwierigen Arbeitsbedingungen seit Mai 2023 zu 20 Kündigungen gekommen. (Bundesrätin Schumann: Wow!)

Was machen ÖVP und FPÖ in Niederösterreich? – Sie präsentieren neben dem dritten Vorstandsposten bei der EVN noch einen neuen Vorstand bei der Landesgesundheitsagentur. (Bundesrätin Böhmwalder: Wiener Stadtwerke!) Die beiden Gagen belaufen sich zusammen auf kolportierte 900 000 Euro jährlich. Wäre es nicht sinnvoller, diese 900 000 Euro in das nieder­österreichische Gesundheitssystem zu investieren oder die bereits 2018 von Landeshauptfrau Mikl-Leitner versprochene Landarztgarantie endlich umzusetzen? (Beifall bei der SPÖ.)

Auch der Verzicht der Gehaltsanpassung seitens der ÖVP-FPÖ-Regierungs­mit­glieder in Niederösterreich wäre ein gutes Zeichen in Zeiten der Teuerung gewesen. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Landesrätin Königsberger-Ludwig und Landesrat Sven Hergovich, sie spenden ihr durch die Gehaltserhöhung zusätz­lich erhaltenes Geld! (Bundesrätin Böhmwalder: Pfff!)

In dieser Gesetzesvorlage soll auch das Medikamentenboard für die Abgabe von hochpreisigen Arzneimitteln im Krankenanstaltenbereich beschlossen werden.

Wir sehen dieses Medikamentenboard sehr kritisch: Die krankheitsspezifische fachmedizinische Expertise fehlt gänzlich, unter den insgesamt 25 Mitgliedern des Boards sind lediglich drei Wissenschaftler vorgesehen. Die Stimme der Patienten fehlt: Fakt ist, dass nur ein einziges Mitglied der Patientenanwaltschaft bei der Besetzung des Boards vorgesehen ist – aber leider ohne Stimmrecht.

Die Verfügbarkeit von lebenswichtigen Therapien wird verzögert. Die Bewer­tung der Anwendbarkeit eines in Österreich bereits zugelassenen Medikamentes hat vor dessen Anwendung innerhalb von fünf Monaten – mit Fristerstreckungs­möglichkeit – zu erfolgen. Patienten – und dabei leiden diese meist an schweren und seltenen Erkrankungen – müssen mindestens fünf Monate auf die Ent­scheidung warten, ob sie dieses bereits zugelassene Medikament überhaupt bekommen werden.

Das meiner Meinung nach schlimmste Argument gegen dieses Medikamenten­board ist: Der Preis einer Therapie, nicht ihr medizinischer Nutzen steht bei der Bewertung im Vordergrund. Das heißt also, der Wert eines Menschenlebens oder die Gesundheit eines einzelnen Menschen wird der Wirtschaftlichkeit der Krankenanstalten gegenübergestellt. Patienten bekommen ab heute ein Preisschild verpasst.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Christian Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Es braucht endlich die Patientenmilliarde für eine spürbare Verbesserung der Gesundheitsversorgung – Termingarantie statt Zwei-Klassen-Medizin!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat umgehend eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der zur ausreichenden Gesundheitsversorgung im ambulanten Bereich und damit zur Umsetzung einer Termingarantie endlich die versprochene Patientenmilliarde eingelöst wird und ein Finanzierungspaket für den größten Krankenversicherungsträger, die ÖGK, mit folgenden Inhalten umgesetzt wird:

– Rückabwicklung des mit dem Sozialversicherungs-Organisationsgesetz erfolgten Entzuges der finanziellen Mittel für die ÖGK

– Schaffung eines Risikostrukturausgleichs zwischen den Krankenversiche­rungsträgern

– Anhebung des Hebesatzes für Pensionist:innen in der ÖGK.

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Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.22

Vizepräsidentin Margit Göll: Der von den Bundesräten Christian Fischer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Es braucht endlich die Patientenmilliarde für eine spürbare Verbesserung der Gesundheitsversorgung – Termingarantie statt Zwei-Klassen-Medizin!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte sehr.