15.57

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Vorsitzende! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Ich fange vielleicht damit an – der Bundesrat ist ja die Länderkammer –, dass eine der großen Schwierigkeiten im Finanzausgleich folgende Situation war: dass es zwei Player im System gab oder gibt – die Bundesländer und die Sozialversicherung –, die beide eine ganz bestimmte Grundhaltung eingenommen haben.

Die Bundesländer haben nämlich – unter dem Motto: wir sind ein föderaler Staat – die Haltung: Gebt uns das Geld, aber lasst uns in Ruhe mit Reformen, wir tun damit, was wir wollen! – Die Sozialversicherung: Wir sind in Selbstverwaltung, gebt uns das Geld, aber lasst uns mit Vorgaben in Ruhe! – Beides geht sich nicht aus. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Genau!) Ich habe beiden sagen müssen: Sorry, es wird einen Föderalismus 2.0 und eine Selbstverwaltung 2.0 geben. Das wird dann in der Bundes-Zielsteuerungskommission abgebildet – da sitzen alle drin, die erste Sitzung hat stattgefunden, sehr konstruktiv im Übrigen –, in der es genau darum geht, die Dinge, die in dieser Gesundheitsreform beinhaltet sind, umzusetzen und auf den Boden zu bekommen.

Worum geht es da? – Es geht um die Verbesserung für die Patientinnen und Patienten – das ist die oberste Zielsetzung –, das heißt: mehr Stellen im kassenärztlichen Bereich, um die Notwendigkeit zu verringern, dass Menschen zum Wahlarzt, zur Wahlärztin gehen und dort bezahlen müssen oder in die Spitalsambulanz gehen, wo sie mit vielen leichten Erkrankungen nicht hingehören. Das überlastet die Finanzierung der Spitäler. Das war im Übrigen ein großer Punkt bei den Verhandlungen, auch im Zusammenhang mit den Bundesländern. – Genau das passiert jetzt.

Der Ausbau der kassenärztlichen Stellen wird nur dann gelingen – und darum kümmern wir uns –, wenn die Arbeitsbedingungen für die Ärztinnen und Ärzte besser werden. Das heißt, es gibt einen einheitlichen Leistungskatalog und einen Gesamtvertrag, damit sichergestellt ist, dass vom Bodensee bis zum Neusiedler See dieselbe Leistung in derselben Qualität angeboten wird. Es darf nicht davon abhängig sein, wo man wohnt, ob man eine gute gesundheitliche Versorgung bekommt oder eben nicht. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Digitalisierung: Wir haben mit der Elga ein System, um das uns andere beneiden. Die Schweiz versucht gerade, es auf kantonaler Ebene einzufädeln, was eine mittlere Katastrophe ist. Die Deutschen versuchen jetzt, es bundesweit auf den Boden zu bekommen. Die Voraussetzung ist da, dass diese Plattform, die wir dort haben – für die es im Übrigen eine Opt-out-Möglichkeit gibt, niemand muss dort seine Daten zur Verfügung stellen; die Opt-out-Möglichkeit bleibt, aber die Plattform ist da –, künftig dazu dienen kann, die eigenen Gesundheitsdaten, die Befunde, Rezepte, Bilder aus bildgebenden Verfahren dort abzuspeichern, abrufen zu können, um diese auch verfügbar zu haben.

Und 1450 wird tatsächlich zu einer Hotline, vorgeschaltet auch mit digitalen Leistungen, die in der Lage ist, Patientinnen und Patienten so zu lenken, dass sie dorthin kommen, wo sie auch hingehören. Das wird sehr oft eine ambulante Versorgung oder ein Primärversorgungszentrum sein.

Da wird 1 Milliarde Euro pro Jahr investiert – ich meine, da ist vielleicht die Größenordnung noch nicht ganz angekommen. Im letzten Finanzausgleich haben die Bundesländer in Summe pro Jahr 300 Millionen Euro bekommen und haben sich sehr gefreut und gejubelt. Jetzt gibt es 1 Milliarde Euro in der Gesundheit und 1 Milliarde Euro in der Pflege, insgesamt 2,1 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist eine völlig neue Dimension, und damit werden die Weichen für eine tatsächliche Sicherstellung und Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung gestellt. Das ist jedenfalls die Zielsetzung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Relativ abenteuerlich ist, was in Sachen Bewertungsboard alles verbreitet wird. Ich muss einmal die Situation erklären, was jetzt der Fall ist: Im Augenblick beschafft jedes Krankenhaus in Österreich seine Medikamente selber; oft auf Grundlage eines Vertrages, der mit der Pharmaindustrie abgeschlossen wird und der einer Geheimhaltung unterliegt. Die dürfen nicht sagen, welche Medikamente sie gekauft haben und was sie gekostet haben. Jetzt dürfen sie dreimal raten, wer vor allem ein Interesse daran hat, dieses Board zu verhindern. – Das ist die Pharmaindustrie und niemand anderer. (Beifall des Bundesrates Schreuder.) Es wird damit nämlich endlich transparent – und nur das wird transparent –, welche die innovativsten Medikamente am Markt sind, und die sollen auch allen zur Verfügung stehen. Es ist der Arzt oder die Ärztin, der oder die die Letztentscheidung trifft, und es ist das Krankenhaus, das über den Einkauf entscheidet, nicht das Bewertungsboard. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich bitte Sie sehr, auch im Sinne einer sachlichen Debatte, das zu berücksichtigen. Ich habe die alle eingeladen. Es sind alle Anfang Jänner bei mir, auch der Professor aus Salzburg ist bei mir, wo das noch einmal klargestellt und diskutiert wird. Und es werden in diesem Board ausschließlich Personen sitzen, die entweder über eine medizinische oder pharmakologische, pharmazeutische Ausbildung verfügen, sonst hat dort niemand etwas verloren. Das hat empfehlenden Charakter, ist keine Weisung, kein Bescheid und gar nichts. Das schafft Transparenz in einem Markt, der preisdominiert ist und preisgetrieben ist.

Wenn ich Ihnen sage, dass alle europäischen Mitgliedstaaten dasselbe Problem haben, dass die Kosten im hochpreisigen Medikamentensektor im Gesundheitssystem allen davonlaufen, dann ist es an der Zeit, da Transparenz zu schaffen. Die Europäische Union und die Kommission legen nicht umsonst ein Pharmapaket vor, bei dem genau das passiert: Leitlinien zu schaffen, Regelungen zu schaffen, um klarzumachen: Es gibt auch Leitlinien, wie Preisgestaltungen bei Medikamenten vonstattengehen. Ich könnte Ihnen jetzt Referate darüber halten, wie sich die Gewinnmargen in den letzten zehn Jahren in diesem Bereich entwickelt haben, das tue ich nicht. Ich bitte aber sehr darum, damit aufzuhören, dieses Bewertungsboard zu diskreditieren. Das schafft einzig Transparenz, die Letztentscheidung ist und bleibt beim Arzt oder bei der Ärztin, und die Beschaffung erfolgt durch das Spital – nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es ist mir ein allerletzter Punkt noch wichtig, das war auch mein Zugang bei dieser Reform: Gesundheitspolitik und Sozialpolitik sind kommunizierende Gefäße. Man kann die beiden Dinge nicht getrennt betrachten. Es ist evident, dass von gesundheitlichen Beeinträchtigungen, von Krankheiten, von Fehlernährung und von Adipositas immer jene Menschen besonders betroffen sind, die am untersten Ende der Einkommensskala liegen. Das heißt, einen gleichberechtigten Zugang in das System für alle zu schaffen, ist gesundheitspolitisch sinnvoll und sozialpolitisch sinnvoll, weil sonst die Kosten jedenfalls aus dem Ruder laufen. Den Zugang dort auch gleichberechtigt herzustellen ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Letzter Punkt und damit schließe ich dann: Es war auch in den letzten Finanzausgleichsabschlüssen immer so, dass es Zielformulierungen gegeben hat. Also die 15a-Vereinbarung ist immer auch mit Zielformulierungen hinterlegt worden. Das Elend war, dass das reine Absichtserklärungen waren. Was diesmal passiert, ist, dass verbindlich festgehalten wird, was die Reformschritte sind, was die Legistik dazu ist, wie die Governance funktioniert, also die Abwicklung. Und es ist festgehalten, dass die Mittel, die die Sozialversicherung bekommt, 300 Millionen Euro, und die Hälfte der Mittel, die die Bundesländer für die Spitäler bekommen, durch die Bundes-Zielsteuerungskommission abgewickelt und verwaltet werden, damit sichergestellt ist, dass das Geld so eingesetzt wird, dass die Reformen auch stattfinden.

Meine Hauptmotivation, mir diese Tour durch den Dschungel des österreichischen Gesundheitssystems anzutun, war ja die Erkenntnis, dass, wenn wir das nicht getan hätten und diese Reform jetzt nicht zustande gekommen wäre, wir in fünf Jahren Mehrkosten in Höhe von 7 Milliarden Euro pro Jahr im System hätten – und keine Wirkung, keine! Die Folge wäre gewesen, dass massive Kürzungen Platz gegriffen hätten und diese Situation sich verschlechtert hätte.

So, was heißt das? – Die Voraussetzungen sind gegeben. Die Umsetzung wird auf fünf Jahre angelegt sein, denn das wird es logischerweise brauchen, bis die ambulanten Dienstleistungen ausgebaut sein werden. Es wird am Ende aber eine Entlastung der Spitäler stattfinden, eine raschere Möglichkeit, eine ärztliche Leistung in Anspruch zu nehmen, und zwar egal wo man wohnt und durchaus entlang der Motivationslage, dass das, was in Finnland passiert, möglich sein muss. Das ist die Zielsetzung, die ab Jänner in Angriff genommen wird: dass man innerhalb eines Radius von 10 Kilometern und innerhalb von 2 Stunden automatisiert einen Termin bei einem Arzt oder einer Ärztin bekommt. Das geht auch in Österreich, und genau das ist jetzt in Umsetzung. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.06

Vizepräsidentin Margit Göll: Vielen Dank.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort. (Bundesrat Spanring hebt die Hand.) – Ja. Bitte sehr, Herr Bundesrat.