Antrittsansprache der Präsidentin

Präsidentin Margit Göll: Sehr geehrte Frau Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Es ist mir eine besondere Freude und vor allem auch eine große Ehre, den heutigen Sitzungstag mit meiner Antrittsrede als Präsidentin des Bundesrates beginnen zu dürfen. Vorweg möchte ich mich bei den Mandatarinnen und Mandataren des Niederösterreichischen Landtages für die Wahl zur Erstgereihten der Bundesrät:innen und bei unserer Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner für ihr Vertrauen und für den Wahlvorschlag sehr herzlich bedanken.

Erstmals stehen nun zwei Frauen an der Spitze von Landeshauptleutekonferenz und Bundesrat. Aufrichtig danken darf ich auch meiner Vorgängerin als Bundesratspräsidentin, Claudia Arpa, für ihren engagierten Vorsitz in der Länderkammer. – Liebe Claudia, herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Im ersten Halbjahr 2024 werden unter der Präsidentschaft Niederösterreichs die Perspektiven der europäischen Jugend wieder aufgegriffen. Mein Motto Gemeinsam über Grenzen: Europa verbindet ist mir dabei ein zentrales Anliegen, dem ich besondere Aufmerksamkeit schenken werde – der Zukunft der Jugend in den ländlichen Regionen.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir gemeinsam Maßnahmen ergreifen, um die Lebensqualität in den ländlichen Regionen zu stärken, zu steigern, um innovative Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen und den Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung zu verbessern. Die Jugend ist nicht nur unsere Zukunft, sondern auch die treibende Kraft für positive Veränderungen in unseren Gemeinden und in unserer Gemeinschaft.

Ein Schlüssel für den Verbleib junger Menschen in den ländlichen Regionen ist die Optimierung der Bildungsangebote am Land. Aus- und Weiterbildung sollte  jedem unabhängig von seinem Wohnort zugänglich sein. Ich habe mich bei meinem Antrittsbesuch bei Minister Martin Polaschek dafür eingesetzt, dass Bildungseinrichtungen in ländlichen Gebieten gestärkt und innovative Lehransätze gefördert werden. Wir müssen sicherstellen, dass die Bildungslandschaft den Bedürfnissen der ländlichen Bevölkerung gerecht wird.

Regionen an den Grenzen unseres Bundesgebietes stehen meist vor besonderen Herausforderungen. Landflucht, mangelndes Angebot an Arbeitsplätzen und schlechte Verkehrsverbindungen drohen, diese Regionen auszudünnen. Am 28. Mai wird sich deshalb eine Jugendkonferenz des Bundesrates – mit Jugendlichen aus Österreich, der Slowakei und Tschechien – mit den Anliegen der jungen Bevölkerung in den Grenzregionen befassen. Die Zusammenarbeit von Grenzregionen in Europa ist ein wichtiger Aspekt meiner Amtszeit. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

In einer Zeit, in der die Welt immer stärker vernetzt ist, ist die Zusammenarbeit zwischen benachbarten Regionen von entscheidender Bedeutung. Gemeinsame Herausforderungen erfordern gemeinsame Lösungen, sei es im Umweltschutz, in der Wirtschaft oder auch bei der Sicherheit.

Als Bundesratspräsidentin werde ich mich dafür einsetzen, den Austausch und die Kooperation zwischen den Grenzregionen zu fördern. Der mittlerweile traditionell gewordene Bundesrat im Bundesland wird uns daher nicht nur in meinen Heimatbezirk, nach Gmünd, führen, wo ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, das grenzüberschreitende Gesundheitszentrum Healthacross MED Gmünd vorstellen werde, sondern wir werden auch über die Grenze nach Tschechien fahren und mit lokalen Vertreterinnen und Vertretern über weiteres Potenzial zur Optimierung grenzüberschreitender Projekte sprechen. Auch die Reise der Präsidiale des Bundesrates wird uns in verschiedene Orte nach Tschechien führen, um dort die diplomatischen Kontakte auszubauen und zu vertiefen.

Mit unseren Nachbarländern teilen wir nicht nur die geografischen Grenzen, sondern auch gemeinsame Interessen und Herausforderungen. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ermöglicht nicht nur den Austausch bewährter Praktiken, sondern fördert auch ein besseres Verständnis für die Herausforderungen, vor denen wir alle stehen. Politiker in den Nachbarstaaten können voneinander lernen, können voneinander profitieren und gemeinsame Lösungen für globale Probleme entwickeln. Nur durch enge Zusammenarbeit können wir eine prosperierende und stabile Region schaffen, von der wir alle profitieren. Ich lade Sie daher dazu ein, diesen Weg der offenen Kommunikation und Zusammenarbeit zu unterstützen.

Indem wir Brücken zu unseren Nachbarstaaten stärken, tragen wir natürlich auch dazu bei, ein friedliches und gemeinsames Europa zu gestalten. Die Rolle des österreichischen Bundesrates als Scharnier der Bundesländer zu Europa ist daher von großer Bedeutung. Der österreichische Bundesrat muss eine proaktive Rolle in den europäischen Diskussionen einnehmen, um die Interessen unseres Landes zu wahren und an der Gestaltung einer starken und einigen Europäischen Union teilzunehmen – einer Union, die den Föderalismus respektiert und nicht den Zentralismus fördert; einer Union, die Subsidiarität lebt und nicht nur davon spricht; einer Union, die sich vermehrt um ihre Kernaufgaben widmet und den Regionen jene Entscheidungen vor Ort überlässt, die dort kompetenter und menschengerechter gefällt werden können als in Brüssel. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sind die Brücke zwischen den Regionen und der Zentralregierung. Es liegt daher in unserer Verantwortung, sicherzustellen, dass die Vielfalt und die Bedürfnisse der Bundesländer angemessen berücksichtigt werden. Gemeinsam mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner als Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz werde ich mich für eine effektive Vertretung der Bundesländer einsetzen, damit ihre Stimmen in den politischen Entscheidungsprozessen gehört werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Lassen Sie mich noch ein Wort zu unserer Funktion als Zukunftskammer – neben unseren Rollen als Europakammer und Vertreter der Bundesländer – sagen. Die Bedeutung des Bundesrates als Ideenbringer ist mir ein Anliegen, dem ich mich in besonderem Maße verpflichtet fühle. Der Bundesrat soll weiterhin einen Raum für den konstruktiven Austausch von Ideen und Visionen für unsere Zukunft bieten. Das ist gerade in diesem Jahr – in einem Superwahljahr, in dem Europa-, Nationalrats- und Landtagswahlen stattfinden werden – so wichtig. Jetzt haben wir die Gelegenheit, unseren Ideen Gehör zu verschaffen, sie bei den Entscheidungsträgern zu deponieren, dafür zu werben und dafür zu sorgen, dass sie auch umgesetzt werden.

Das wird uns aber umso besser gelingen, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Ich denke, wenn es zum Beispiel um das Wohl der Jugend, aber auch um die Perspektiven der Frauen, um die Stärkung unserer Grenzregionen und die Vertretung der Länderinteressen im Bund geht, sollte uns das doch möglich sein. Die Wichtigkeit der Zusammenarbeit der politischen Parteien in einem Jahr mit so viel Wahlen kann nicht genug betont werden.

Die Demokratie lebt von der aktiven Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger, und Wahlen sind der Höhepunkt dieses demokratischen Prozesses. In einem Jahr mit Wahlen müssen wir als politische Akteure eine besondere Verantwortung übernehmen. Es ist entscheidend, dass politische Parteien trotz Wahlkampf in einem konstruktiven Dialog stehen und danach gemeinsam an Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit arbeiten.

Als Bundesratspräsidentin werde ich mich für einen respektvollen und offenen Austausch in der Länderkammer einsetzen, der das Gemeinwohl in den Mittelpunkt stellt und die Interessen der Bürgerinnen und Bürger über parteipolitische Grenzen hinweg vertritt.

Ein weiteres wichtiges und zentrales Anliegen meiner Amtszeit ist die Verbesserung der Situation von Frauen – nicht nur in den ländlichen Regionen. Ein Thema liegt mir dabei besonders am Herzen: die Motivation von Frauen, sich ehrenamtlich in der Politik zu engagieren. Als Bundesratspräsidentin und Bürgermeisterin möchte ich Frauen ermutigen, ihre Stimme zu erheben, sich einzubringen und aktiv an der Gestaltung unserer Gesellschaft teilzunehmen. Die Beteiligung von Frauen in Ehrenämtern und in der Politik ist von unschätzbarem Wert. Frauen bringen eine Vielfalt an Perspektiven, Erfahrungen und Ideen ein, die für eine gerechte und ausgewogene Gesellschaft entscheidend sind. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Wir brauchen die Stimmen der Frauen, um die Herausforderungen unserer Zeit umfassend anzugehen und nachhaltige Lösungen zu finden. In der Politik haben Frauen die Möglichkeit, direkten Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen und politische Prozesse mitzugestalten. Ihre Perspektiven sind für uns unverzichtbar, um eine ausgewogene und repräsentative Politik zu gewährleisten.

Ich möchte jede Frau ermutigen, ihre Fähigkeiten und Talente in den Dienst unserer Gesellschaft zu stellen – ganz egal, ob im Ehrenamt oder in der Politik. Ich lade deshalb am Internationalen Frauentag am 8. März Bürgermeisterinnen und Gemeindevertreterinnen aus ganz Österreich ins Parlament ein. Frauen werden darüber berichten, wie sie es an die Spitze ihrer Profession gebracht haben und vor welchen speziellen Herausforderungen sie dabei standen.

Ich komme zum Schluss. Wir stehen vor wichtigen Wahlen, vor einem Moment, der unsere demokratische Verantwortung unterstreicht. In dieser Zeit sollten wir bei unserem politischen Diskurs besonders achtsam umgehen. Ich bitte Sie inständig, während des Wahlkampfs den Respekt gegenüber Ihren politischen Mitbewerbern zu wahren. Politik sollte stets im Zeichen des Austauschs von Ideen stehen – nicht im Schatten persönlicher Angriffe. Lassen Sie uns den Wählern ein Vorbild sein, wie ein respektvoller und konstruktiver Diskurs aussehen kann! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Es ist unabdingbar, dass wir uns nach den Wahlen weiterhin gemeinsam für das Wohl unseres Landes einsetzen. Die Zusammenarbeit über parteipolitische Grenzen hinweg ist keine Schwäche, sondern ein Zeichen von Stärke und Reife unserer Demokratie. In einer Zeit, in der die Herausforderungen komplexer denn je sind, müssen wir nach dem Verbindenden und nicht nach dem Trennenden suchen. Unsere Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht, dass wir über Parteigrenzen hinweg zusammenarbeiten, um die drängenden Probleme anzugehen – sei es der Klimawandel, die Migration, soziale Gerechtigkeit, aber auch die wirtschaftliche Entwicklung. In einer Demokratie ist es von größter Bedeutung, dass wir nach den Wahlen die Hände wieder ausstrecken, anstatt uns in Grabenkämpfen zu verlieren.

Ich appelliere daher an alle Fraktionen und Parteien, sich für eine Politik des Respekts, der Zusammenarbeit und des Miteinanders einzusetzen. Lassen Sie uns gemeinsam eine Atmosphäre schaffen, in der unsere politische Debatte von Idealen und Visionen anstatt von Spaltung und Konfrontation geprägt ist! – Vielen Dank für eure, für Ihre Aufmerksamkeit und für Ihr Engagement für unser gemeinsames Österreich. Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der FPÖ.)