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Bundesrat Christian Fischer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Landeshauptfrau! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Werte Zuseher:innen! Frau Landeshauptfrau, wir durften uns noch nicht persönlich kennenlernen: Ich bin Bürgermeister in der wunderschönen Marktgemeinde Sankt Veit an der Gölsen. Unsere Gemeinde liegt im Bezirk Lilienfeld und ist mit 3 900 Einwohnern die einwohnerstärkste Gemeinde im Bezirk Lilienfeld. Eine wunderschöne Landschaft, zahlreiche Ausflugsmöglichkeiten, eine Vielzahl an Gastbetrieben sowie über 50 Vereine machen das Leben bei uns in Sankt Veit so richtig lebenswert. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall der Bundesrätin Eder.)

Natürlich ist auch die Nähe zu unserer Landeshauptstadt Sankt Pölten ein guter Grund, sich bei uns anzusiedeln. Unsere Gemeinde hat immer vom gemeinnützigen Wohnbau profitiert, so durften wir in den letzten Jahrzehnten gemeinsam mit der Allgemeinen gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft Sankt Pölten über 300 Wohnungen ihrer Bestimmung übergeben.

Wir waren bis vor Kurzem eine Zuzugsgemeinde. Das hatte natürlich einen wesentlichen Grund: den gemeinnützigen Wohnbau. Natürlich profitierten nicht nur unsere Kommune und zahlreiche junge Familien vom gemeinnützigen Wohnbau, auch die einheimischen Firmen im Bau- und Baunebengewerbe konnten Einnahmen kalkulieren und Arbeitsplätze garantieren.

Wir hätten auch in den kommenden Jahren mit Reihenhäusern und Wohnungen ein entsprechendes Angebot für einen Zuzug schaffen wollen, aber durch Ihr Herunterfahren der Wohnbauförderung auf 9 Prozent des Vorjahres und der Verlagerung auf das Sanieren von bestehenden Wohnungen ist es uns leider nicht mehr möglich, ein entsprechendes Angebot für leistbares Wohnen zu schaffen. Ihre Wohnungspolitik ist für mich unverständlich und geht total in die falsche Richtung und ist mit ein Grund für die Aushöhlung des ländlichen Raumes und die Kündigung zahlreicher Arbeiter im Baugewerbe. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich brauche nicht zu erwähnen, dass nicht nur meine Heimatgemeinde von der Streichung der Wohnbaugelder betroffen ist – allein im Bezirk Lilienfeld sind meines Wissens vier Bauvorhaben auf Eis gelegt worden. Im Namen sämtlicher Kommunen ersuche ich Sie, Frau Landeshauptfrau, nein, ich bitte Sie, die Veranschlagung der Wohnbauförderung wieder auf den Stand der letzten Jahre zu erhöhen sowie um die Reservierung von Bauland für sozialen Wohnbau. Diese vorgeschlagenen Maßnahmen dienen zur Konjunkturbelebung und sorgen für die dringend notwendigen Impulse zur Belebung der Bauwirtschaft, und leistbarer Wohnraum bremst natürlich die gegenwärtige Teuerung ab.

Ein weiteres Problem im ländlichen Raum ist die mangelnde ärztliche Versorgung. Mir ist natürlich bewusst, dass dies nur zum Teil in die Länderkompetenz fließt, aber, sehr geehrte Frau Landeshauptfrau, es ist nicht allzu lange her, da haben Sie die blau-gelbe Gesundheitsoffensive zum Ausbau der ärztlichen Versorgung mit dem Ziel der bestmöglichen wohnortnahen Gesundheitsversorgung in Niederösterreich präsentiert.

2018 haben Sie das Versprechen einer Landarztgarantie abgegeben. Die Idee einer Landarztgarantie war eine gute. Gemeinden, deren Kassenordinationen seit über einem Jahr leer stehen, sollten vom Land durch angestellte Spitalsärzte unterstützt werden. Sie sollten dann für längstens ein Jahr den Ordinationsbetrieb führen. Der Grundgedanke der blau-gelben Gesundheitsoffensive mit der Gründung einer Ärztebereitstellung GmbH ist auch zu begrüßen – so weit die Theorie.

Wie wirksam waren diese Aktionen? – In Niederösterreich gibt es zurzeit 22 offene Stellen für Allgemeinmedizin sowie 30 offene Stellen für Fachärzte. Laut dem Vertragsarztstellenpool der niederösterreichischen Ärztekammer sind allein im Bezirk Scheibbs fünf freie Kassenplanstellen für Allgemeinmedizin nicht besetzt. In der Gemeinde Gresten ist man seit 2016 auf der Suche nach einem Hausarzt. In meinem Heimatbezirk Lilienfeld gibt es keinen Vertragsarzt für Kinder- und Jugendheilkunde, keinen für Hautkrankheiten und es gibt dort auch keinen Urologen.

Natürlich steht Niederösterreich mit dem Mangel an Kassenärzten nicht allein da. Auch wenn es in Österreich eine sehr hohe Arztdichte gibt, gilt unter Jungmedizinern das Jobprofil des Kassenarztes als unattraktiv. Selbstständigkeit, ein hohes Maß an finanziellem Risiko und Eigenverantwortung und vor allem der Zeitfaktor passen nicht mit dem Grundbedürfnis vieler Junger nach einer Work-Life-Balance zusammen.

Gemeinden rittern sich untereinander, um einen Arzt für eine offene Kassenarztstelle zu bekommen. Das geht mittlerweile so weit, dass Gemeinden Geld für eine Agentur ausgeben, die sich auf die Vermittlung von Ärzten aus Russland und der Ukraine spezialisiert haben, um Arztstellen besetzen zu können; anzumerken ist, dass der Geschäftsführer dieser Vermittlungsagentur ein ÖVP-Gemeinderat in Niederösterreich ist. Das setzt natürlich eine Nostrifizierung der Kandidaten voraus – eine Nostrifizierung dauert durchschnittlich mindestens zwei Jahre –; so geschehen in meinem Heimatbezirk Lilienfeld sowie im Bezirk Scheibbs.

Am Ende des Tages bleiben die finanzschwachen Gemeinden wieder auf der Strecke, folglich natürlich auch zahlreiche Patientinnen und Patienten. Wer sich keine Privatärzte leisten kann, muss oft zu lange auf einen Termin bei einem Kassenarzt warten. Wir wollen eine staatlich garantierte medizinische Versorgung innerhalb von 14 Tagen. Es darf nicht sein, dass Menschen ihr Leben lang Krankenversicherungsbeiträge einzahlen und dann nicht die medizinische Versorgung bekommen, die sie brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend möchte ich kurz das Kinderbetreuungsangebot in Niederösterreich thematisieren. In unserer modernen, schnelllebigen und leistungsorientierten Welt brauchen Familien mehr Qualitätszeit mit ihren Kindern, eine bessere Vereinbarkeit von Job und Familie sowie eine finanzielle Entlastung des Familienbudgets. Mit einem ganzjährigen, ganztägigen Gratiskindergarten können wir das für Niederösterreich auch erreichen. In Wien, im Burgenland und in Kärnten ist der Kindergarten für alle Kinder gratis. Was in diesen Bundesländern möglich ist, muss endlich für alle Kinder in ganz Österreich umgesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Kindergarten ist die erste Bildungseinrichtung im Leben eines jungen Menschen, dort wird der Grundstein für dessen weitere Laufbahn gelegt. Es braucht daher auch mehr Bundesmittel, Landesmittel für den dringend notwendigen Ausbau der Betreuungsplätze sowie eine angemessene Bezahlung der Betreuungskräfte.

In meiner Gemeinde wurde in der letzten Gemeinderatssitzung ein einstimmiger Beschluss gefasst: dass Betreuungskräfte und Reinigungskräfte in die nächsthöhere Entlohnungsgruppe überstellt werden – eine finanzielle Anerkennung für die tagtäglich hervorragende Leistung meiner Kolleg:innen.

Positiv zu erwähnen ist, dass in Niederösterreich ab September 2024 Kinder schon im Alter von zwei Jahren in den Kindergarten gehen dürfen. Sankt Veit ist eine von 17 Pilotgemeinden, die das schon seit September 2023 praktizieren. Dafür möchte ich mich bei Ihnen bedanken, Frau Landeshauptfrau.

Abschließend möchte ich Ihnen noch zu Ihrem runden Geburtstag, der vorige Woche war, gratulieren und dem neu gewählten Bundesratspräsidium alles Gute wünschen. – Danke. Glück auf! (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

10.00

Präsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Bitte.