13.52
Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin! Es geht um ein Thema, das meines Erachtens nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die es eigentlich verdient, denn die Wärmewende, und darüber reden wir, ist neben der Stromwende das wohl wichtigste Vorhaben im gesamten Klimaschutz – und ein besonders komplexes und schwieriges, da es in bestehende Strukturen eingreift, und nicht nur eingreift, sondern eingreifen muss.
Die Dimension ist enorm: Über eine Million Gasheizungen und um die 550 000 Ölheizungen in den Heizkellern schleudern nach wie vor Klimagifte in die Atmosphäre. Darum war schon in den Regierungsverhandlungen klar, dass es einen planbaren Rahmen braucht, diese loszuwerden.
Was zu verstehen sich viele so schwertun: Gerade bei strukturellen Änderungen – also bei Dingen, die lange brauchen – ist es entscheidend, schnell zu beginnen, sofort zu handeln, die Weichen früh zu stellen, denn damals noch 19 Jahre sind heute nur noch 16. Um all diese Kessel loszuwerden und um alternative Strukturen aufzubauen, ist das eine extrem kurze Frist. Das ist kürzer als die Lebensdauer eines Kessels – das muss man sich einmal vorstellen!
Die Festlegung, bis 2040 Klimaneutralität zu erzielen, ist nun wirklich ein essenzielles Ziel im Sinne der Zukunftssicherung – man kann es nicht oft genug sagen – und der besonderen Verantwortung, die eben auch ein reiches Land wie Österreich hat. So war – weil uns das bewusst war – Anfang 2020 das Regierungsprogramm kaum aus der Druckerei, begannen wir mit einer großen Länderrunde mit der Arbeit. Ich kann mich noch sehr gut erinnern: Es war Ende Februar 2020.
Als Erstes haben wir einen gemeinsamen Auftrag – ein gemeinsames Mandat, haben wir das damals genannt – ausgearbeitet; es geht ja bei Heizanlagen sehr stark um Länderkompetenzen. Allen war klar – Bund und Ländern –, es braucht einen gemeinsamen Kraftakt. Bereits ein halbes Jahr später stand dieses Mandat, getragen von der Klimaministerin, vom Finanzminister, den Energielandesrät:innen und den Landeshauptleuten, und einer der wichtigsten – man muss eigentlich sagen –, nein, der wichtigste Punkt darin war, einen Rechtsrahmen für den Ausstieg aus Gas- und Ölheizungen zu entwickeln, auch im Bestand – es geht vor allem auch um einen Ausstieg.
Operativ durchgeführt wurde das dann von einem Koordinationsteam mit Vertretern aus den Ländern, dem BMK, dem BMF und Expert:innen. Ich sage Ihnen, ich bin schon viele, viele Jahre in verschiedenen Rollen in Bund-Länder-Arbeitsgruppen, aber dermaßen konstruktiv habe ich noch keine Arbeitsgruppe erlebt. Das bestätigen auch sehr, sehr viele andere – auch sehr kritische – Kollegen und Kolleginnen.
Es gab Zigdutzende Sitzungen mit allen Ländern, ungezählte Sitzungen in den Unterarbeitsgruppen, immer wieder wurden Forschungseinrichtungen beigezogen, viel Detailarbeit wurde geleistet. Ich möchte nur eines herausheben, weil das ein besonders wichtiger Punkt war, der zu klären uns wichtig war, weil da auch immer besonders viel Kritik kam: Ein wesentlicher Aspekt war eine wirklich intensive Analyse sämtlicher technischer und ökonomischer Möglichkeiten, auf erneuerbare Energieträger umzusteigen oder Fernwärme anzuschließen. Also wirklich für jede nur vorstellbare Situation wurden Lösungen ausgearbeitet, die Kosten bewertet und die Wirtschaftlichkeit angeschaut, und wir können heute guten Gewissens sagen: Ja, das geht. Eine Dekarbonisierung ist technisch und auch wirtschaftlich möglich. Es gibt nur ganz, ganz wenige Ausnahmen, und die waren im Ursprungsentwurf ja auch schon abgebildet.
Bereits im Jahr 2021 lagen die ersten Bausteine für ein entsprechendes Erneuerbare-Wärme-Gesetz vor – auch das eine große Leistung der zuständigen Abteilungen. Es gab bis zum Schluss an die 30 Gesetzesvarianten.
Im Frühjahr 2022 war es dann so weit, jedenfalls aus der Sicht des WKT, also aus der Sicht des gemeinsamen Gremiums, der politischen Steuerungsrunde. Die wesentlichen Elemente waren ein generelles Aus für fossile Energieträger in der Raumwärme bis 2040 – ein generelles Aus –, sofortiger Stopp im Neubau für sämtliche Fossile, ein Erneuerbarengebot bei sämtlichen Kesseltäuschen im Bestand. Was heißt Gebot? – Gebot heißt: Wenn es möglich ist, sind Erneuerbare einzubauen, wenn es nicht möglich ist, gibt es entsprechende Ausnahmen.
Darüber hinaus gab es – wichtig, wiewohl technisch – ein Zentralisierungsgebot in Mehrwohnungshäusern. Das ist ganz wichtig, weil es eine entscheidende Voraussetzung ist, um überhaupt auf Fernwärme umsteigen zu können. Diese Bestimmung wäre besonders für die Stadt Wien mit ihren rund 500 000 Gaseinzelheizungen wichtig. Das kann man nicht umstellen, wenn man im Gebäude keinen Verteilbaum, um es einfach auszudrücken, hat.
Parallel dazu – das haben wir schon öfters hier herinnen besprochen – haben wir sofort und stetig an Verbesserungen der finanziellen Absicherung gearbeitet, denn klar ist: Ein Tauschgebot ist ein Eingriff – gar keine Frage! Das ist ein Eingriff ins Eigentum, und da gilt es, den Energieträgerwechsel auch jenen zu ermöglichen, die ein geringes Einkommen haben, die so eine Investition sonst nicht stemmen könnten.
Also ich glaube, selten wurde ein Gesetz so umfänglich vorbereitet.
Natürlich hat es, sobald verstanden wurde, dass wir das ernst meinen, Widerstände gegeben: Märchen von synthetischem Öl und Gas – die gerade wiederholt wurden – wurden erzählt; alles könne doch so bleiben, wie es ist; aber es ist immerhin gelungen, im Juni 2022 einen abgeschwächten, aber immer noch guten Ministerratsvortrag zu verabschieden und in die Begutachtung zu gehen. Auch die Regierungsvorlage im November 2022, die dann in den parlamentarischen Prozess geschickt wurde, hat im Kern noch die große Wärmewende enthalten.
Da ich selbst in diese Gesetzeswerdung gerade auch als Bindeglied zu den Bundesländern viele, viele Monate Lebensenergie investiert habe, verspüre ich keine Lust, aus meinem Herzen eine Mördergrube zu machen, und werde ganz kurz skizzieren, wie es dann gelaufen ist. Spätestens ab November 2022, als es halt wirklich ernst wurde, als es im Parlament war, begann die systematische Behinderung – man muss das so formulieren.
Auch wenn das jetzt manche nicht gerne hören, war es halt nun einmal so. Die offiziellen – ich betone: die offiziellen – Vertreter:innen der ÖVP wollten das EWG nie. Vor allem aus der Wirtschaftskammer und der Gaswirtschaft mit ihren verlängerten Armen, die sie ja hat (Ruf bei der FPÖ: ... chancenlos dagegen!), wurde alles getan, um das EWG zu verhindern. (Ruf bei der SPÖ: Hört, hört!) Trotzdem waren wir im März 2023, fast genau ein Jahr ist es her, ganz nah dran – ein Beschluss im Wirtschaftsausschuss stand unmittelbar bevor –, allerdings kam dann ein paar Tage zuvor, übers Wochenende – wörtlich –, die SPÖ mit sehr weitreichenden Forderungen als Bedingung für die nötige Zweidrittelmehrheit.
Ja, vieles davon, sage ich auch ganz offen, war inhaltlich auch nachvollziehbar. Allerdings betraf vieles davon materiell nicht das EWG, aber vor allem war es zu viel, und es war eine veritable Fehleinschätzung der politischen Situation. Wir haben dann gleichwohl so viel wie nur möglich zu übernehmen versucht, und da ist auch viel gelungen, aber de facto war es vorbei. Die Verhandlungsleiterin der ÖVP ist im letzten Moment mit einem Verweis auf die Forderungen, für mich zumindest sachlich völlig unverständlich, abgesprungen. Von da an ist nichts mehr weitergegangen.
Die unselige Debatte beziehungsweise, besser formuliert, die grausliche Kampagnisierung gegen das Heizungsgesetz in Deutschland hat dann die Gegner:innen des EWG noch einmal bestärkt. Unsererseits wurde alles versucht, um das ursprüngliche EWG doch noch über die Ziellinie zu bringen, aber eine Mehrheit zu finden war dann letztlich aussichtslos. Die Folgen davon sind schon relevant, weil nun der rechtliche Rahmen für eine Dekarbonisierung im Bestand fehlt. Das schafft leider massive Probleme in der Umsetzung im Wohnrecht, wenn das fehlt, und ein Kesseltausch ist somit sehr schwer umsetzbar. Besonders bitter – ich habe es erwähnt – ist das für große Städte mit den vielen Einzelheizungen. Also galt es, das Beste daraus zu machen, und da ist noch einiges gelungen, das sich herzeigen lässt – und ich komme jetzt zu den erfreulichen Dingen –, weshalb ich heute trotzdem sehr guten Gewissens hier vor Ihnen stehe.
Wir haben zwei Bausteine: erstens ein EWG, das festlegt, dass im Neubau definitiv Schluss mit fossilen Energieträgern ist. Es wird in Österreich von nun an kein neues Gebäude mehr mit einer Öl- oder Kohleheizung gebaut werden. Das gilt auch für Gas- oder Ölheizgeräte – das ist ganz wichtig, auch kein Gerät ist mehr zulässig. Das ist ein riesiger Meilenstein, das muss man auch dazusagen. Selbst das war ein großer Kampf, und ich freue mich sehr, dass das gelungen ist. Es steckt nämlich auch eine Botschaft dahinter, die ganz klar ist: Wir wollen kein Gas und kein Öl mehr in den Heizkellern. Sie sind Klimagift, sie machen uns abhängig, sie haben eine minimale Wertschöpfung, sie sind teuer, sie sind unberechenbar und es gibt viele, viele Alternativen.
Der zweite Baustein im Wärmepaket ist ein massiver Ausbau der Investitionsförderung für den Umstieg. Ich habe das das letzte Mal im Dezember schon ausführlich skizziert. Im Standardfall winken Förderquoten von zumindest 75 Prozent. Ich kann nur allen raten: Nutzen Sie diese Anreize, besser wird es nicht mehr, und lassen Sie sich – man spürt es ja schon wieder – nicht von den im Moment wieder relativ geringen Kosten für Gas und Öl täuschen! Das wird nicht so bleiben. Und Sie machen sich damit weiterhin abhängig von Despoten. Versorgungssicherheit ist jedenfalls etwas anderes.
Jetzt liegt der Ball wieder verstärkt bei den Ländern, weil es ja ihre Kompetenz ist, Lösungen für den Bestand zu implementieren, da Planungssicherheit zu schaffen. Ich bin schon gespannt, wie wir da weiterkommen werden. Und was ergänzend wichtig ist – das sage ich inzwischen schon jedes Mal –, das sind die sozialpolitischen Begleitmaßnahmen: bis hin zu 100 Prozent Förderung für einkommensschwache Haushalte, sprich die ersten drei Dezile, das ist wirklich viel – im Übrigen mit gesetzlich abgesicherten Mitteln bis 2030. Erzählen Sie auch das weiter, es ist zugunsten der Betroffenen.
Auch wenn wir das EWG natürlich gerne anders gehabt hätten, intensiver und klarer in den Rahmenbedingungen, im Bestand, trotzdem: So gehen Sozialpolitik und Klimaschutz zusammen und so geht nicht aufgeben. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
14.03
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer. Ich erteile ihm das Wort.