9.19

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Zuseher:innen und Zuhörer:innen! Wie geht es denn der Jugend in Österreich? Ich glaube, diese Frage muss sich die Politik permanent stellen. Wie geht es denn der Jugend auf allen Ebenen, und zwar allen Jugendlichen: den Jugendlichen am Land, den Jugendlichen in der Stadt, den Jugendlichen, die in einer Lehrausbildung sind, den Jugendlichen, die in schulischer Ausbildung sind, den Jugendlichen, die eine Universität besuchen werden? Der Gesamtblick ist wichtig – nicht nur der einseitige Blick, der Blick dorthin, wo es einem mehr bringt oder wo es einem besser gefällt.

Ja, die Jugend, für die wir jetzt einstehen müssen, steht unter höchsten Belastungen. Es ist die Generation Krise. Sie hat permanent Krisen erlebt, eine nach der anderen. Es ist die Generation der großen Wandelprozesse, sei es der Wandel in der Frage des Klimaschutzes oder der Wandel in der Frage der Digitalisierung und der Ausbau der künstlichen Intelligenz. Die jungen Menschen sind in vielen, vielen Bereichen unglaublich gefordert.

Es ist die Generation, die von der Teuerung ganz, ganz stark betroffen ist, weil Teuerung junge Menschen besonders hart trifft. Sie betrifft sie in ihren Lebensrealitäten und sie betrifft sie in dem Umstand, dass es meist die jungen Menschen sind, die am Anfang ihrer Berufslaufbahn sehr wenig verdienen. Da haben wir halt das Problem, dass die Regierung völlig – und wirklich völlig – an der Inflationsbekämpfung gescheitert ist. (Beifall bei der SPÖ.) Die Teuerung trifft junge Menschen hart, das ist eindeutig.

Es ist auch die Generation der Flexibilität. Selten war eine Generation so früh schon selbstständig, erwachsen und extrem flexibel. Wir werden jetzt eine Generation erleben, die nicht an einem Arbeitsplatz bleibt, sondern ihre Arbeitsplätze sehr oft wechseln wird. Wir werden eine Generation erleben, die auch neue Formen der Führung in den Unternehmen fordert. Es beginnt also eine ganz, ganz neue Zeit.

Es ist die Sehnsucht – aus dem Erleben der Krisen, natürlich – nach Stabilität, nach dem familiären Umfeld und nach einer Work-Life-Balance da. Da ist ganz genau hinzusehen, zu schauen: Wie kann man jungen Menschen die Chance geben, Beruf und Familie gut vereinbaren zu können?

Die jungen Menschen fordern von der Politik Loyalität und Solidarität, kein Auseinanderdividieren, sie fordern von der Politik Worte statt Taten– das sollten sich viele, die jetzt im politischen Geschehen agieren, bitte ins Stammbuch schreiben. Sie fordern auch das Recht darauf, ihren eigenen Weg zu gehen. Das ist für junge Menschen jetzt extrem schwierig.

Die Frage des Wohnens – Wohnen als Menschenrecht – ist für sie ganz, ganz schwierig. Wie viele junge Menschen würden gerne einen eigenen Haushalt gründen und können es nicht, weil es aufgrund der finanziellen Lage einfach nicht möglich ist? – Ich darf Ihnen eine Zahl sagen: Fast 50 Prozent des Monatseinkommens von jungen Menschen wird für Wohnen ausgegeben. Da muss einem schon einmal klar werden, was das heißt, 50 Prozent des Einkommens für Wohnen auszugeben. Sie leiden auch unter den befristeten Mietverhältnissen. Wir wissen, auch da ist die Regierung gescheitert: keine Mietpreisbremse, kein Mietpreisdeckel, der das erleichtert hätte, besonders für junge Menschen. Natürlich haben viele junge Menschen Sehnsucht nach einem Eigenheim, das ist unbestritten, aber leisten können sie es sich nicht. Das ist auch Faktum. Wie soll denn das gehen? (Beifall bei der SPÖ.)

Schön, wenn die Regierung jetzt ein bisschen das Füllhorn ausschüttet. Fakt ist aber, dass Immobilien für junge Menschen mit ihrem Verdienst jetzt nicht leistbar sind. So ist es. Schauen Sie sich die Immobilienpreise an, schauen Sie sich die Preise für den Hausbau an, schauen Sie sich die Preise für Wohnungen in den Städten an! Es ist nicht leistbar. Sehnsüchte zu schüren und dann nicht erfüllen zu können, auch das ist nicht besonders anständig.

Das ist die Generation, die wie schon gesagt von der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz extrem betroffen sein wird – wie wir alle jetzt bereits, das ist ja alles da, sie aber werden noch einige Schritte weitergehen. Umso wichtiger ist es, dass man sie in ihrem Selbstbewusstsein stärkt, dass man sie in ihrem kritischen Geist stärkt. Es wird nicht mehr die Einheitsmeinung geben, die über Medien verbreitet wird und bei der man darauf hofft, dass das jetzt alle so mitnehmen. Die Medienlandschaft wird noch vielfältiger werden. Die Informationslandschaft wird noch vielfältiger werden. Da muss man jungen Menschen die Chance geben, kritisch zu denken. Man muss ihnen die Chance geben, zu fragen: Was ist richtig? Was ist falsch? Wo hinterfrage ich? Woher kommt die Information?

Außerdem müssen wir den jungen Menschen noch mehr und deutlicher die Bedeutung der Demokratie nahebringen. Das ist ganz, ganz wichtig, weil die Demokratie gerade in Zeiten der Unsicherheit besonders gefährdet ist.

Ich darf auch noch auf die Jugend und die Arbeitswelt zu sprechen kommen. Was mir da besonders am Herzen liegt: junge Menschen, die eine Lehrausbildung machen. Diesbezüglich schaut es nicht so gut aus, wie man das gerne haben möchte. 2023 waren 108 000 Lehrlinge in Ausbildung. Vor zehn Jahren waren es noch 10 000 Lehrlinge mehr und vor zehn Jahren waren es noch 10 000 ausbildende Betriebe mehr. Das heißt, da gehen die Zahlen zurück. Wenn man immer ruft: Facharbeiter und Facharbeiterinnen brauchen wir jetzt ganz, ganz dringend!, dann sage ich: Bitte bilden wir sie auch aus. Bitte bilden wir sie qualitätsvoll aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist wichtig, dass man die Förderung für Lehrausbildung an Qualitätskriterien bindet. Das ist wichtig. Wir hören vom Lehrlingsmonitor, dass junge Menschen – gerade in den Branchen, in denen besonders nach Arbeitskräften gesucht wird: in den Branchen der Hotellerie, der Gastronomie, im Konditoreigewerbe – sagen: Die Arbeitsbedingungen sind nicht ideal und ich möchte den Beruf gerne verlassen. Das kann nicht zukunftsweisend sein, sondern da muss man schauen, was man tun kann, damit die Lehrausbildung so ist, dass sie dann auch gerne in dem Job bleiben, und auch die Arbeitsbedingungen so sind, dass sie sagen: Ich mache die Ausbildung und bleibe dann auch in dem Job! Da ist noch eine Menge zu tun, da ist wirklich eine Menge zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Jugendarbeitslosigkeit steigt, und zwar in einem erschreckenden Ausmaß. Einen traurigen Rekord, den ich hier nennen darf, verzeichnet Oberösterreich. Mit Jänner gab es 10 000 jugendliche Arbeitslose. Das ist für ein Land wie Oberösterreich – ein Industrieland – eine wirklich – wirklich! – besorgniserregende Zahl. Da ist hinzuschauen und da sind Maßnahmen zu setzen, nicht nur zu sagen: Wir suchen eh ganz dringend Fachkräfte!, aber mit dem Ausbilden und mit den Arbeitsplätzen funktioniert es nicht. So kann man damit nicht umgehen. Auch da ist hinzuschauen!

Ich möchte noch ein Thema mitgeben, weil wir auch über den Tellerrand schauen müssen. Wir können nicht sagen, es ist uns ganz egal, was woanders passiert. Nein, uns als Sozialdemokratie ist es nicht egal. Es ist ganz, ganz schlimm, dass es Österreich wirklich nicht geschafft hat, dem EU-Lieferkettengesetz zuzustimmen. Da geht es um Kinderarbeit, da geht es um Arbeitsbedingungen, da geht es um Zwangsarbeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann nicht in Österreich sagen: Ich möchte das Beste tun für die jungen Leute! – das wollen wir alle –, aber was woanders ist, ist mir egal. Dort sollen Kinderhände Dinge schaffen. – Das wollen wir nicht. Das ist unerträglich – menschenrechtlich unerträglich. Es ist ganz unerträglich in der Frage des Standorts. Ganz ehrlich: Sie gefährden den Standort Österreich, wenn man nämlich solche Arbeitsmethoden zulässt – wenn man zulässt, dass Kinderhände Dinge schaffen –, dann kann sehr viel billiger produziert werden. Das ist eine Konkurrenz zu unseren Produktionen, die fair und gut und ohne Kinderarbeit ablaufen. Wer da wegschaut und wer einer entsprechenden Regelung nicht zustimmt, der macht sich auch mitschuldig, dass Kinderarbeit auf der Welt stattfindet. Das wollen wir alle nicht. Wir wollen ein gutes Leben für alle jungen Menschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen ein gutes Leben für die jungen Menschen in Österreich, wir wollen, dass sie ihren Job gut machen können, dass sie gut ausgebildet werden, dass sie Beruf und Familie gut vereinbaren können. Wir denken aber über den Tellerrand hinaus. Wir wollen auch für Europa – das ist wichtig – gute Arbeitsbedingungen. Wir wollen das aber auch für die Länder außerhalb Europas, weil Kinderarbeit unerträglich ist. Dagegen werden wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns immer wehren. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

9.28

Präsidentin Margit Göll: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Isabella Theuermann. Ich erteile ihr dieses.