10.15

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Staatssekretärin! Die Jugend gibt es ja nicht – das hat die Frau Kollegin ja vorher schon gesagt –, sie ist divers, sie ist sogar sehr divers und hat extrem unterschiedliche Voraussetzungen in ihrem Erwachsenwerden.

Was sich aber in Umfragen klar zeigt, ist, dass die jungen Leute die großen Herausforderungen unserer Zeit und deren Implikationen sehr klar sehen. Nur ein Beispiel: Die große Jugendstudie von Ö3 im letzten Jahr, bei der über 39 000 junge Leute in Österreich sehr ausführlich befragt wurden, zeigt zum Beispiel Folgendes: 77 Prozent der Jugendlichen bereitet Krieg besondere Sorgen, gefolgt von der Sorge um zunehmende Ungerechtigkeit in der Gesellschaft – dabei geht es um die Unterschiede zwischen Reich und Arm –, und dann kommt mit 61 Prozent der Klimawandel, der den jungen Leuten Sorgen und Ängste bereitet. Da ist es nicht immer leicht, zuversichtlich zu sein.

Die jungen Leute laufen aber deswegen natürlich nicht mit hängendem Kopf herum. Das wäre auch kein adäquater Lösungsansatz. Nein, es ist nicht immer einfach, jung zu sein, in einer Zeit, in der die Welt im Umbruch ist oder gar aus den Fugen geraten ist. Allein das nötigt mir großen Respekt vor den jungen Leuten ab. Stellen Sie sich einmal selber die Frage: Möchte ich noch einmal 20 sein?

Sie haben – auch das zeigen die Umfragen – sehr viele gute und wichtige Eigenschaften: Sie sind offen, sie sind Europäer:innen – ganz wichtig –, sie wollen etwas lernen, sie wissen, dass die großen Aufgaben nur gemeinsam gelöst werden können. Natürlich ist auch ihnen das direkte soziale Umfeld – das muss man auch nicht überinterpretieren –, Freunde, Familie, besonders wichtig. Ohne funktionierende Beziehungen und Familie, ohne Menschen, die Orientierung geben und vorbehaltlos hinter einem stehen, war es immer schon und ist es sehr schwierig.

Ich merke in meinen Kontakten, dass viele junge Leute sehr viel wissen, sich einsetzen und damit auch nicht mehr alles hinnehmen. Sie wissen, dass es um ihre Zukunft geht, die einem nicht von selber zufliegt. Sehr viele junge Leute haben eine wohltuende Klarheit, Direktheit und Radikalität, wenn es sich um gesellschaftspolitische Fragestellungen dreht. Das geht ja vielen Entscheidungsträgern leider ab, weil sie Interessen von einflussreichen Klientelen befriedigen wollen oder selbst vom Status quo profitieren. Das ist mit ein zentraler Grund, warum wir die jungen Leute brauchen und auf sie hören sollten. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Wir brauchen junge Leute, die aktiv und aufmüpfig sind, die unbequem sind, junge Leute, die die Etablierten aufwecken und ein Stück weit vor sich hertreiben. Das ist wichtig, weil die aktuellen Krisen von denen gelöst werden müssen, die jetzt an den Hebeln sitzen. Im Klimaschutz zum Beispiel muss der Turn in den nächsten wenigen Jahren gelingen.

Ein besonderer Ort für die Demokratie – auch wenn es manche nicht gerne hören – ist die Straße: öffentlich zu sagen, was sie wollen, gemeinsam für etwas einzutreten, laut zu sein. Fridays for Future hat das besonders eindrucksvoll und wirkungsvoll gezeigt. Wie geht ihr Slogan? – „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut!“ Man kann es sich jetzt natürlich leicht machen und auf besonders sichtbare Aktivist:innen abfällig hinunterschauen, sie kriminalisieren, sie als nicht normal bezeichnen und absurderweise einsperren wollen – so, als ob sie das Problem wären. Dabei sind sie ein Sprachrohr, noch dazu ein konsequent gewaltfreies. Angebrachter wäre es, endlich hinzuhören, worum es ihnen geht, nämlich null Komma null um Selbstzweck, null Komma null um Eigeninteressen. Es macht ihnen keinen Spaß, beleidigt, angeschrien, an den Haaren von der Straße gezerrt zu werden. Nein – sie haben Sorgen. Das weiß ich aus Gesprächen mit ihnen. Sie fürchten um ihre Zukunftschancen. Sie haben Angst und sagen zu Recht, dass zu wenig geschieht. Und damit sind sie übrigens eins mit der Wissenschaft. Dafür braucht es natürlich weniger Mut, sich empört vor Kameras für den ach so bequemen Status quo einzusetzen.

Vorrangig ist es also der Job der jetzigen Entscheidungsträger der Politik, mithin auch unser Job, für Verhältnisse zu sorgen, in denen junge Leute zuversichtlich sein können, für eine sozial-ökologische Wende zu sorgen, nämlich eben mit einem konsequenten Blick auf die nächste Generation. (Beifall bei den Grünen.)

Ich kann nur allen jungen Leuten sagen – das mache ich übrigens bei jeder sich bietenden Gelegenheit –: Bleibt dran! Wir brauchen euch! Wehrt euch! Ohne euch bewegt sich zu wenig, ohne euch schaffen wir es nicht! (Beifall bei den Grünen.)

10.20

Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses.