10.35

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Werter Herr Sozialminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Damen und Herren! Da ich hier der Erstredner bin, möchte ich eingangs vielleicht mit etwas Nettem beginnen und gehe dann zu etwas nicht so Nettem über.

Ich möchte vor allem auch dem Gesundheitsminister links von mir eine Würdigung aussprechen dafür, dass er sich einer Fragestunde gestellt hat. Das machen nicht viele Minister dieser Bundesregierung (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP – Zwischenruf des Bundesrates Schennach) und ist durchaus positiv.

Ich glaube, das ist, wenn man das als Mitglied der Bundesregierung macht, sehr herausfordernd, dennoch bietet es uns die Möglichkeit, mehr Themen zu erörtern. Ich würde mir das von anderen Mitgliedern der Bundesregierung auch wünschen – das ist gleich ein Appell mitunter vielleicht an den Finanzminister, der gleich kommen wird, dessen Anwesenheit bei dem Tagesordnungspunkt eigentlich auch ganz gut passen würde, auch wenn die Gesetze, über die wir sprechen, nicht in seine unmittelbare Vollziehung fallen. Das ist mir schon bewusst.

Jetzt vielleicht zum nicht so Netten: Worum geht es? – Es geht um das Wohnbaupaket der Bundesregierung. Da stehe ich nicht an, zuzugeben, dass es da auch Licht gibt, aber es gibt eben auch Schatten, und der Teil, den ich zu besprechen haben, der betrifft den Schatten, weil ich scheinbar vorzugsweise Kontrareden halte.

Was genau ist der Schatten an dem Vorschlag, den wir hier haben? – Wir reden seit gefühlt einem Jahr, wenn nicht sogar länger davon, dass uns die Mieten davongaloppieren, dass die Leute darunter leiden, und ich unterstelle – jetzt einmal auch im Positiven gemeint – den Kolleginnen und Kollegen der Volkspartei, dass sie Menschen in ihrem Umfeld haben, die sie darauf hinweisen, dass es Leute in der Bevölkerung gibt, die sie darauf ansprechen und die sagen: Wir leiden unter diesen Mieten.

Wir haben schon von der Fraktionsvorsitzenden der ÖVP gehört, dass die Salzburgerinnen und Salzburger darunter zu leiden haben, ich bin mir sicher, dass der Landesgeschäftsführer der ÖVP-Niederösterreich, der gleichfalls hier herinnen sitzt, das von Niederösterreicherinnen und Niederösterreichern auch hören wird; der Geschäftsführer des Oberösterreichischen Seniorenbundes, der wird das von den Seniorinnen und Senioren natürlich auch hören. Es wird ganz, ganz viele Menschen geben, die Sie darauf anreden. Das heißt, ich gehe auch da wieder im guten Sinne davon aus, dass Sie gelegentlich zusammensitzen und darüber reden: Ja, die Mieten, die steigen, laufen wirklich davon, die Leute leiden wirklich darunter!

Dann überlegen Sie, was man dagegen machen könnte, und dann sitzt man in einem Kreis zusammen und denkt sich: Was könnte man dagegen machen, dass die Mieten steigen? Die Leute können sie sich nicht leisten! – Dann ist Stille, und dann kommt jemand raus und sagt: Die Leute könnten den Wohnraum doch kaufen! Die Leute könnten ihn kaufen, und das könnte man fördern! Weil wenn sie sich die Mieten für eine Wohnung nicht leisten können, dann sollen sie sie einfach kaufen! So einfach ist das! (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit der Bundesrätin Schumann. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Das ist dann die Lösung, und diesen Ansatz fördern wir heute auch noch. Anstatt dass wir in die Mieten eingreifen, wird das auch noch gefördert.

Wie macht das die Bundesregierung tatsächlich? – Es gibt einen Freibetrag von 500 000 Euro: Wenn sich jemand so eine Wohnung leisten kann, kriegt er 1,1 Prozent vom Steuerzahler geschenkt. 5 500 Euro gibt es einfach einmal aus der Portokasse zurück für die Personen, die in der glücklichen Lage sind, sich so eine Wohnung leisten zu können. Ich kenne niemanden, der sie sich leisten kann. Ich kenne tatsächlich niemanden – und ich weiß auch nicht, wo die Empörung herrührt, Frau Kollegin Kittl, weil gerade in Wien wissen wir, dass sich ganz viele Menschen diese Summen sicher nicht leisten können.

Der Skandal sind ja tatsächlich nicht nur die 500 000 Euro, der Skandal ist ja tatsächlich, dass das auch für Leute gilt, die Eigentum an Grundstücken erwerben, deren Wert bis zu 2 Millionen Euro in die Höhe geht. Selbst wenn sie ein Grundstück kaufen, das 2 Millionen Euro kostet, kriegen sie hintennach immer noch diese 5 500 Euro geschenkt.

Das heißt, wenn man sich eine Villa im 19. Bezirk, im Nobelbezirk kauft – und ich habe vorhin nachgeschaut –, die auch für 1,9 Millionen Euro zu haben ist, was ich mir tatsächlich nicht leisten kann – vermutlich auch niemand, den ich in meinem Umfeld kenne, und vermutlich auch die meisten, die Sie kennen, können sich das nicht leisten –, wenn also eine Person in Döbling diese 1,9 Millionen Euro hinlegt und diese Villa im Nobelviertel kauft, schenkt ihnen der österreichische Steuerzahler, weil wir das jetzt so beschließen sollen, 5 500 Euro on top zurück. – Das geht mir nicht ein! Anstatt dass wir in die Mieten eingreifen, wird dieses Geld hergeschenkt.

Das ist leider ein Evergreen, der hier zu spielen ist, weil das immer und immer wieder passiert: Wir nehmen Geld der Steuerzahler, der Steuerzahlerinnen und finanzieren damit Wohlhabende und Leute, die es ohnehin nicht brauchen.

Wir leben in einer Zeit, in der die Kinderarmut steigt, in der Altersarmut steigt, in der Menschen Probleme haben, ihre Mieten zahlen zu können, in der die Zahl der Delogierungen steigt, in der die Zahl der Personen mit einem Mietzinsrückstand steigt, und trotzdem greift man nicht dort hin, sondern man ermöglicht es, dass Personen, die Villen um 1,9 Millionen Euro in Döbling kaufen, hintennach noch einmal ein Geschenk bekommen – und das halte ich für falsch und unmoralisch. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Sozialminister hier links von mir strudelt sich dann mit den Konsequenzen ab. Wir haben ganz viele Menschen, die sich die Mieten nicht leisten können, und jetzt erhöhen wir mit dem zweiten Gesetzesbeschluss im Rahmen dieses Themenblocks die Wohnhilfe, weil die Leute diese Unterstützung dringend brauchen. Da sind wir auch dafür, weil das eine notwendige Maßnahme ist, aber – da kann ich André Heller zitieren – das ist wie ein Luftröhrenschnitt, der einem das Leben rettet, wenn eine Haselnuss im Hals steckt. Das ist eine notwendige Maßnahme, aber niemand will diese Maßnahme. Wir würden uns wünschen, dass sie nicht notwendig wäre. Und man könnte das verhindern, man könnte in die Mieten eingreifen. Man tut es nicht! Stattdessen lässt man sie steigen, und dann müssen wir mit dem Geld der Steuerzahler:innen diese Leute finanzieren, damit sie ihre Mieten zahlen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Wer bekommt das dann? Wer bekommt das Geld? – Natürlich wandert es vom Steuerzahler an die Leute, die ihre Miete damit zahlen – es wandert also letztendlich in die Taschen der Vermieterinnen und Vermieter, die es tatsächlich gerade nicht brauchen. Das ist einfach ein falscher Zugang, deswegen können wir dem ersten Punkt nicht zustimmen.

Wir unterstützen natürlich die Erhöhung der Wohnhilfe, weil sie notwendig ist. Wir würden uns aber einen Zustand wünschen, in dem das nicht notwendig wäre. Es läge in Ihrer Hand. Sie haben sich nicht dazu bereit erklärt, über das ganze letzte Jahr hinweg nicht. Sie haben sich auch mit dieser Maßnahme nicht dazu bereit erklärt. Ich will wirklich noch einmal das Bild verankern, das zeigt, was Sie heute machen: Sie erklären sich bereit, dass jemand, der sich eine Villa um 1,9 Millionen Euro leisten kann, 5 500 Euro zurückbezahlt bekommt. Das ist Ihre Maßnahme. (Beifall bei der SPÖ.)

10.41

Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Christoph Stillebacher. Ich erteile dieses.