20.15

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Mag. Norbert Totschnig, MSc: Geschätzter Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Die EU-Jahresvorschau steht natürlich, wenn wir uns die europäische Politik anschauen, unter dem Eindruck der zu Ende gehen­den Legislaturperiode auf europäischer Ebene. Die letzte Plenarwoche im EU-Parlament findet zwischen dem 22. und dem 25. April dieses Jahres statt. Entsprechend aktiv sind alle Akteure, alle Institutionen. Das Motto der Kommission ist – wir haben es schon gehört – „Heute liefern, das Morgen vorbereiten“. Die Kommission konzentriert sich in dieser Phase vor allem darauf, die noch offenen Rechtsakte, die diskutiert werden, umzusetzen.

Im Mittelpunkt steht dabei natürlich der Green Deal mit all seinen Gesetzes­akten. Als weiteres Ziel wurde die Sicherstellung der strategischen Auto­nomie der Europäischen Union definiert. Da geht es um Energie, da geht es aber natürlich auch um Lebensmittel. Ein weiteres Ziel ist die Reduktion von Bürokratie, der Bürokratieabbau. Da wurde eine 25-prozentige Reduktion der Mitteilungen für Unternehmen als Ziel genannt.

Wenn man vom Green Deal spricht, muss man immer wieder in Erinne­rung rufen, dass er eine Strategie ist, aus der man nicht aussteigen kann, und diese Strategie umfasst insgesamt 136 Rechtsakte, die angekündigt worden sind – einige sind noch nicht präsentiert worden. Von den 136 wurden bis dato 47 umgesetzt, weitere 32 stehen kurz vor der Umsetzung. Dahin gehend gibt es jetzt natürlich Bemühungen insbesondere der belgischen Präsidentschaft, die mit Hochdruck daran arbeitet, diese noch umzuset­zen. In den letzten Wochen sind, so glaube ich, 60 Rechtsakte abgeschlossen worden. Da sieht man, welches Tempo derzeit an den Tag gelegt wird. Von den 136 Gesetzesvorhaben betreffen 22 die Land- und Forstwirtschaft. Das heißt, diese reichen weit über den Sektor Landwirtschaft hinaus: Energie, Wirtschaft, Unternehmen, Banken, also da sind die gesamte Wirtschaft und die Gesellschaft betroffen.

Zu den Themen, die in meinem Ressort in den vergangenen Monaten wichtig waren und auch noch wichtig sind und im Bericht erwähnt werden: Es geht uns im Bereich Landwirtschaft natürlich in erster Linie darum, eine Stärkung der strategischen Autonomie für die Landwirtschaft zu erreichen. Lebens­mittelversorgungssicherheit hat in den vergangenen Jahren eine völlig neue Be­deutung bekommen. Die Kommission hat das aufgegriffen. Es geht auch um die Vereinfachung der GAP. Die Bauernproteste sind auch von einer sehr komplizierten Bürokratie, die die EU vorgibt, motiviert worden. Natürlich sind dafür auch andere Umstände ausschlaggebend: die sehr schwierige Preissi­tuation auf den Märkten, neue Anforderungen der Gesellschaft gegenüber den Bäuerinnen und Bauern zum Beispiel.

Mir war das ein großes Anliegen. Deswegen habe ich auch ein Schreiben an Agrarkommissar Wojciechowski und an den Green-Deal-Kommissar Šefčovič mit ganz konkreten Vorschlägen für einen Bürokratieabbau geschickt, die eine tatsächliche Entlastung für die Land- und Forstwirtschaft bringen würden. Und auch aufgrund unseres Drängens gegenüber der Europäischen Kommission wurden nunmehr von der Europäischen Kommission konkrete Vorschläge für eine Vereinfachung im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik vorgelegt. Das ist ein Gesetzesvorhaben, also eine Novelle der erst kürzlich novellierten Gemeinsamen Agrarpolitik. Wir wollen, dass das jetzt rasch in den Institutionen beschlossen wird. Der Rat für Landwirt­schaft hat bereits zugestimmt. Es gibt da ein sogenanntes Dringlichkeitsverfah­ren und wir hoffen, dass dann das Europäische Parlament beim nächsten Plenum da auch zustimmt. Einen großen Vorteil bringt das vor allem für kleinere Betriebe. Für Österreich wird das bedeuten, dass alle Betriebe bis 10 Hektar keine Sanktionen und Kontrollen mehr haben, was die Basisprämie, also die erste Säule betrifft. Das würde eine Entlastung für über 40 Prozent der Antragsteller in Österreich bedeuten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wesentlich bei unserer Arbeit ist natürlich, jetzt auch die reformierte Gemeinsame Agrarpolitik weiterzuentwickeln, die seit einem Jahr gilt. Was ist dabei nämlich wesentlich für Österreich? – Es ist einfach die Tatsache, dass wir mit dem Impulsprogramm, das wir im Rahmen der Budgetverhand­lungen beschlossen haben, die Aufstockung der nationalen Mittel für die Landwirtschaft um insgesamt 360 Millionen Euro – also 90 Millionen Euro pro Jahr mehr – vorgenommen haben. Diese Gesetzesänderung, diese Aufstockung muss integriert werden, und das soll auch in diesem Jahr erfolgen.

Was ist der Mehrwert für die Landwirtschaft? – Diese Aufstockung be­deutet ein Plus bei den Prämien im Agrarumweltprogramm von 8 Prozent. Das ist eine spürbare Aufstockung. In der Bergbauernförderung haben wir 8 Prozent, und bei jenen mit erhöhten Erschwernissen, also der Dreier- und Vierergruppe, 14 Prozent, also eine deutliche Aufstockung.

Im Bereich der Investitionsförderung werden wir die Obergrenze der anrechen­baren Kosten für Investitionen von 400 000 auf 500 000 Euro anheben.

Ein weiterer Aspekt, der behandelt wird, ist das Thema Ukraine. Durch den rus­sischen Angriff auf die Ukraine hat sich die Union entschlossen, die Ukraine zu unterstützen, insbesondere auch aufgrund der Tatsache, dass die Schwarzmeerhäfen im Jahr 2022 vollständig blockiert waren. Es war notwendig, die Ukraine dabei zu unterstützen, ihre Produkte in die Zielländer zu bringen, für die sie vorgesehen sind und waren. Das sind der Nahe Osten und Afrika.

Da hat sich mittlerweile wieder sehr viel verändert, das muss man auch sagen. Die Ukraine ist wieder imstande, direkt über das Schwarze Meer ordent­liche Mengen zu exportieren, sodass der Landweg über Europa, der natürlich auch sehr teuer ist, in dem Sinn nicht mehr notwendig ist.

Man muss auch sagen, dieser freie Marktzugang für die Ukraine in die Euro­päische Union hat vor allem in den Anrainerländern zu massiven Markt­verwerfungen geführt. Es war jetzt einfach auch notwendig, dafür zu sorgen, die Gesetzesgrundlage für diesen Marktzugang, nämlich die Autonome-Han­delsmaßnahmen-Verordnung, die ja jährlich verlängert werden muss, anzupas­sen, um zu schauen, dass wir auf den Agrarmärkten in Europa stabile Verhältnisse haben. Das ist auch wichtig, um die Solidarität für die Ukraine aufrechtzuerhalten.

Es ist uns durch unser Engagement auch gelungen, zu erreichen, dass man in Hinkunft für sensible Agrarprodukte Schutzmaßnahmen vorsieht. Da geht es um Zucker, da geht es um Geflügel, da geht es um Eier, da geht es aber auch um Hafer. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Es ist notwendig, damit diese Verordnung dann tatsächlich im Juni in Kraft treten kann, dass auch das Europäische Parlament zustimmt, dass die Trilog­verhandlungen abgeschlossen werden können. Dazu beginnen am Montag nächster Woche weitere Gespräche.

Im Bereich der Forstwirtschaft plant der belgische Vorsitz, noch in diesem Jahr einen Ratsbeschluss über den Vorschlag zu einem Waldmonitoring zu­stande zu bekommen. Da geht es immer um Zweidrittelmehrheiten. Qualifizierte Mehrheit im Rat heißt, es müssen mindestens 55 Prozent der Mitglied­staaten, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren, zustimmen.

Was ist das Ziel dieses Waldmonitorings? – Die Union will vor allem durch Fernerkundung umfassend Walddaten erhalten. Unser Anliegen ist, dass eine Verhältnismäßigkeit bei der Datenerhebung und beim Datenmoni­toring im Hinblick auf die Kosten für die Mitgliedstaaten möglich ist. Wir sind da sehr, sehr kritisch eingestellt, auch weil es darum geht, dass Forstwirt­schaft eigentlich eine Sache der Mitgliedstaaten ist und wir darauf bestehen, dass das auch weiterhin so bleibt. Österreich ist ja dafür bekannt, dass wir unter großer Eigenverantwortung eine nachhaltige Waldwirtschaft auf Basis eines sehr strengen Forstgesetzes sicherstellen.

Es wurde angesprochen: Auch ein Anliegen von uns ist die Entwaldungsverord­nung, die ja bereits im Jahr 2022 beschlossen worden ist. Sie ist schon in Kraft getreten. Was noch aussteht, ist die Anwendung dieser Verordnung. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Union mit den Leitlinien für die Mitgliedstaaten säumig ist. Wir müssen wissen, wie das konkret angewendet werden muss.

Die Union ist auch nach wie vor mit der Risikoeinstufung für die Mitgliedstaaten säumig. Das ist bedeutend, weil es für die Kontrollen, die durchgeführt werden müssen, ausschlaggebend ist: Je höher das Risiko einer Entwaldung im Mitgliedsland, desto mehr Kontrollen. – Diese Dinge fehlen, deswegen haben wir das auf europäischer Ebene thematisiert. Wir haben gesagt, man soll die Anwendung so lange aussetzen, bis wir Klarheit haben, wie man das eigentlich tatsächlich umsetzt.

Wir haben auch angesprochen, dass es einen Unterschied geben muss zwischen Mitgliedstaaten, in denen es ein tatsächliches Entwaldungsrisiko gibt, und jenen, in denen das nicht der Fall ist. Österreich gehört zu jenen, wo es kein Ent­waldungsrisiko gibt. Bei uns werden die Waldflächen jährlich um 2 300 Hektar größer. In den letzten 50 Jahren sind 330 000 Hektar zugewach­sen, da besteht also kein Risiko.

Wir wollen einfach, dass es hier auch eine Entlastung, einen Bürokratie­abbau gibt, denn: Wer sind die Betroffenen von diesem bürokratischen Mehr­aufwand? – Die Rinderbauern, die Sojabauern, die Waldbauern. Büro­kratie, bürokratische Belastungen führen immer dazu, dass die Kleinen aufgeben, übrig bleiben dann die Großen.

Unser Anliegen wurde sehr breit unterstützt, 20 Mitgliedstaaten haben es unterstützt. Das zeigt, dass dieses Problem natürlich auch in anderen Mit­gliedstaaten besteht und erkannt wird, und wir hoffen, dass die Kommission entsprechend reagiert und eine Vorlage macht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein weiteres Thema ist die Wasserwirtschaft. Da ist es um die Revision der Kommunalabwasserrichtlinie gegangen, die Anfang dieses Jahres erfolgreich abgeschlossen wurde. Worum geht es dabei? – Die wesentliche Neuerung ist unter anderem eine zusätzliche Reinigungsstufe in großen Kläranlagen, mit der gezielt chemische Spurenstoffe aus dem Abwasser entfernt werden.

Unser Anliegen in den nächsten Wochen wird das gleiche wie in den vergange­nen Monaten sein: Wir werden uns auf europäischer Ebene intensiv ein­bringen, wir werden Allianzen schmieden, werden österreichische Anliegen vor­bringen, und so, wie es ausschaut, können wir das auch erfolgreich durch­setzen. In diesem Sinne danke ich auch für eine gute Zusammenarbeit. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

20.26