22.26

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Besucher sind keine mehr da. Liebe Zuschauer via Livestream – sofern uns noch jemand zu dieser späten Stunde zuschaut! In der gegenständlichen Gesetzesvorlage geht es – wir haben es bereits von meiner Vorrednerin gehört – um die Präzisierung beziehungsweise Nachschärfung in der nationalen Umsetzung einer EU-Richtlinie insbesondere in Bezug auf das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs. (Präsidentin Göll übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte Sie hier jetzt aber nicht mit Wiederholungen langweilen. Meine Vorrednerin hat bereits alle wesentlichen Punkte zur gegenständlichen Gesetzesvorlage gesagt.

Da es aber unter anderem auch um das Jugendgerichtsgesetz geht und uns der Umgang mit unmündigen Straftätern aktuell sehr beschäftigt, möchte ich noch ein paar Worte zum Thema der Jugendkriminalität sagen. Wie es aussieht, wird die FPÖ zu diesem Thema bei diesem Tagesordnungspunkt auch noch einen Entschließungsantrag einbringen. Daher ist es mir besonders wichtig, im Vorfeld auch schon etwas dazu zu sagen.

Jugendkriminalität ist leider ein immer brisanteres Thema. Wenn man mit Menschen redet, die mit Jugendlichen arbeiten, hört man, dass die Jugendlichen die Dinge oft nur noch schwarz und weiß sehen. Sie können Konflikte kaum noch verbal lösen oder sich auf Kompromisse einigen.

Heute am frühen Abend gab es von ORF Vorarlberg wieder ganz aktuell eine schreckliche Headline: Schlägerei und Bedrohung durch Waffe. Beziehungsstreit zwischen Jugendlichen eskalierte. – Zitatende. Ein 17-jähriger Jugendlicher aus Bludenz erlitt dabei eine Gehirnerschütterung.

Ein weiteres Beispiel für unfassbare Jugendkriminalität ist der abscheuliche Missbrauch eines zwölfjährigen Mädchens durch mehrere Tatverdächtige. Dieser Missbrauchsfall ist ja vor ein paar Wochen durch alle Medien gegangen und hat eine Debatte rund um das Alter für die Strafmündigkeit ausgelöst. Bundeskanzler Nehammer hat nach dem Bekanntwerden dieses Missbrauchsfalls Maßnahmen gefordert. Verfassungsministerin Edtstadler und Innenminister Karner wurden nun ersucht, ein Paket zu erarbeiten.

Es gibt drei konkrete Handlungsfelder, um bei diesem Thema entgegenzuwirken. Unter 14 Jahren besteht aktuell keine Strafmündigkeit. Jugendgewalt braucht einfach mehr Aufmerksamkeit. Die Rolle und Verantwortung der Eltern muss man sich auch anschauen.

Prävention und Unterstützung durch die Jugendwohlfahrt sind wichtig. Es gibt inzwischen eine Schieflage von Delikten gegen Leib und Leben im Vergleich zu Vermögensdelikten.

Ich möchte an dieser Stelle auch ein paar Zahlen nennen, damit Sie sehen, wie stark die Zahl der Straftaten gestiegen ist. Die Zahl der Straftaten, die Jugendliche und Kinder unter 14 begangen haben, hat sich in den vergangenen zehn Jahren von etwas über 5 000 auf rund 10 000 Straftaten pro Jahr verdoppelt. Gleichzeitig gibt es bei den Jugendlichen über 14 – diese sind ja bereits deliktfähig und daher strafbar – nur einen moderaten Anstieg, und bei jungen Erwachsenen, das sind Personen zwischen 18 und 21 Jahren, können wir sogar einen Rückgang der Straftaten verzeichnen. Wir müssen daher wirklich überlegen, wie wir diesem Phänomen der Kinder- und Jugendkriminalität unter 14 Jahren begegnen.

Eine Diskussion über die Weiterentwicklung beziehungsweise Anpassung unseres Rechtssystems an sich veränderte Lebensverhältnisse ist notwendig. Unsere Gesellschaft hat sich verändert, man sollte also darüber diskutieren.

Ich möchte auch betonen, dass wir dieses Phänomen der vermehrten schweren Straftaten von Kindern und Jugendlichen unter 14 Jahren nicht nur bei uns in Österreich haben. Gerade heute haben die Medien wieder von einem schrecklichen Fall aus Frankreich berichtet, wo ein 14-jähriges Mädchen nach der Schule fast zu Tode geprügelt wurde. Sie ist lebensgefährlich verletzt worden und lag sogar zeitweise im Koma.

Unsere Gesellschaft verändert sich, und darauf müssen wir reagieren. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Einerseits muss man sich anschauen, wie man in Zukunft damit umgeht, dass Jugendliche unter 14 Jahren, die schwere Straftaten gegen Leib und Leben begehen, nicht angemessen bestraft werden können. Die Senkung des Strafalters allein wird aber aus meiner Sicht zu wenig sein. Es braucht ein Gesamtkonzept. Eine etwaige Anpassung des Strafrechts hinsichtlich der Strafmündigkeit, das heißt der Herabsetzung der Strafmündigkeit, bedarf einer Gesamtbeurteilung und ist im Gesamtkontext zu betrachten.

Es sind mehrere Maßnahmen notwendig. Es ist unter anderem wichtig, dass in solchen Fällen Erziehungsmaßnahmen gesetzt werden, auch unter Berücksichtigung und Heranziehung entwicklungspsychologischer Erkenntnisse. Andererseits stellt sich aber auch die Frage nach der Rolle der Eltern beziehungsweise nach der Verantwortung der Eltern.

Überlegungen hinsichtlich Änderung in der Jugendwohlfahrt müssen auch angestellt werden. Da geht es vor allem auch um die Ausstattung der Jugendwohlfahrt mit mehr Möglichkeiten.

Auch den Bereich der Prävention und Unterstützungsmaßnahmen müssen wir uns anschauen. Da geht es vor allem auch darum, wie man die Eltern bei der Prävention besser unterstützen und die Jugendwohlfahrt besser einbinden kann.

Es braucht außerdem eine Begleitung von Jugendlichen in Bezug auf eine gelungene Resozialisierung.

Ich finde bei diesen Überlegungen sollte man sich auch das Schweizer Modell im Detail anschauen. In der Schweiz sind Kinder schon ab dem zehnten Geburtstag strafmündig. Für sie gilt das Jugendstrafrecht, das vor allem Schutzmaßnahmen vorsieht. Wie sieht das konkret aus? – Für unter 15-Jährige gibt es in der Schweiz weder eine Geld- noch eine Haftstrafe. Als Strafe möglich ist eine Art Verwarnung, vergleichbar mit einer Gelben Karte im Fußball, oder etwa eine verpflichtende Tätigkeit bei einer karitativen Einrichtung. Diese darf jedoch höchstens zehn Tage dauern. Strafmündigkeit ab zehn Jahren bedeutet in der Schweiz vor allem dies: Bei einem Kind schaut der Staat genauer hin, prüft, ob es ambulanten oder in schwerwiegenden Fällen auch stationären Betreuungs- oder Behandlungsbedarf gibt.

Zusammenfassend kann ich nur sagen, der Gesetzgeber ist enorm gefordert, um die Jugendkriminalität wieder senken zu können. Zum Schutz der Betroffenen sollte man sich ausreichend Gedanken machen, welche Maßnahmen gesetzt werden können. Mit einer einzelnen Maßnahme, wie zum Beispiel nur der Herabsetzung der Strafmündigkeit, ist es aus meiner Sicht nicht getan.

Abschließend bitte ich Sie alle um Ihre Unterstützung für die gegenständliche Gesetzesvorlage, damit wir die nötigen Nachschärfungen bei diesen Gesetzen im Zusammenhang mit der präzisen Umsetzung der EU-Richtlinie beschließen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

22.34

Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. – Bitte.