9.13

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ja, viele Chancen konnten sich durch das europäische Einigungswerk realisieren, und die wohl wichtigste ist der Friede in den Mitgliedstaaten der EU, die sich – wie wir wissen – zuvor ja in langen kriegerischen Auseinander­setzungen mit viel menschlichem Leid bekämpft haben. Das wurde durch das europäische Einigungswerk überwunden.

Auch die wirtschaftliche Entwicklung kann sich aber sehen lassen – Kollege Buchmann hat es zum Teil schon ausgeführt –: Die Exporte in die EU-Staaten aus Österreich haben sich vervierfacht, und aus der Steiermark haben sie sich sogar verneunfacht. Also da sieht man schon eine besondere Wirtschaftskraft, und die Chancen lassen sich auch noch steigern: Mit dem Vollbetrieb des Koralmtunnels, aber auch des Semmeringbasistunnels rücken wir in das Zentrum der transeuropäischen Netze, die vom Baltikum bis ans Mittelmeer reichen und auch die österreichischen Landeshauptstädte besser miteinander verbinden.

Das sind unglaublich große Chancen für den Personenverkehr, aber auch für den Güterverkehr, sofern wir es endlich schaffen – und das ist ein großer Appell an die Bundesregierung beziehungsweise auch an die künftige Politik der Europäischen Union –, den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern; damit können wir auch diese Chancen realisieren. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundes­rät:innen der ÖVP.)

Das wäre ein großer Gewinn für die Lebensqualität, für die Umweltqualität und auch die Verkehrssicherheit in Österreich.

Ja, wir rücken in Europa zusammen. Der gemeinsame Markt wird genützt. Es wird immer mehr europaweit gearbeitet und auch eingekauft, und das stellt uns gleichzeitig auch vor große Herausforderungen. Es braucht dafür nämlich auch einen gemeinsamen europaweiten rechtlichen Rahmen, damit die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch der Konsumentinnen und Konsumenten nicht unter die Räder kommen. Im Bereich des Arbeitsrechtes ist da, gerade auch auf Betreiben sozialdemokratischer Abgeordneter wie zum Beispiel Evelyn Regner, einiges gelungen – die Plattformrichtlinie beispielsweise.

Die Binnenmarktfreiheit, die Dienstleistungsfreiheit hat dazu geführt, dass sich neue Arbeitsformen auf unseren Arbeitsmärkten einschleichen. Immer mehr Arbeiten – nicht nur Lieferdienste, beispielsweise auch Pflegearbeiten, Büro­arbeiten, Übersetzungsdienste und so weiter – werden über Onlineplatt­formen an sogenannte neue Selbstständige vermittelt, und daraus entspringen natürlich auch große Gefahren. Das kann zum Auslaufen des traditionellen, des klas­sischen Dienstvertrages und damit auch zu einem Mangel an sozialer Absiche­rung und zu einer Aushöhlung des Sozialstaates führen – und damit der Finanzierung von all dem, was aufgebaut wurde, von der Bildung bis zu den Pensionen. Das durfte man nicht zulassen, und deshalb wurde diese Richtlinie beschlossen, die jetzt auch raschest umgesetzt werden muss. (Beifall bei der SPÖ.)

Genauso ist es notwendig, neue Erscheinungsformen in der Arbeitswelt generell genau unter die Lupe zu nehmen, denn da schleichen sich auch Dinge ein, die wir nicht haben wollen, nämlich Diskontarbeitsplätze auf unseren Baustellen, weil eben die Lücken der Entsenderichtlinie ausgenützt werden. Da muss man ganz dringend nachjustieren, denn es muss das Prinzip gelten: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Da braucht es auch europaweite Kontrollen, am besten durch ein europaweites Arbeitsinspektorat. Also da müssen wirklich die Lücken aufgespürt und das Arbeitsrecht muss entsprechend nachjustiert werden, wenn es notwendig ist.

Auch die besten EU-Richtlinien helfen den Menschen aber nichts, wenn sie in Österreich nicht umgesetzt werden. Da gibt es einige Beispiele, wo das nur sehr, sehr schleppend vorangeht, beispielsweise bei der Lohntransparenzrichtlinie. Es ist erstmals gelungen, den Beschäftigten wirklich ein wirksames Instrumentarium in die Hand zu geben, um sich gegen Lohndiskriminierung wehren zu können, indem eben die Beweislast umgekehrt wird. Da lässt sich die Bundesregierung aber schon sehr viel Zeit mit der Umsetzung. Das sollte rasch umgesetzt werden, damit die Beschäftigten auch wirklich etwas davon haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Da erwarte ich eine Vorlage, genauso wie beim Konsument:innenschutz, wo eben eine Richtlinie beschlossen wurde, die schon längst umzusetzen wäre, um sich eben auch mittels Sammelklagen wehren zu können. Da ist die Bundesregie­rung ebenfalls absolut säumig, auch da erwarten wir rasch Umsetzungsschritte.

Umsetzungen sind immer sehr, sehr spät erfolgt und meist auch sehr zu Unguns­ten der Beschäftigten, der Konsumentinnen und Konsumenten, wie beispiels­weise bei der Work-Life-Balance-Richtlinie, die nicht nur verspätet gekommen ist, sondern in der Weise umgesetzt wurde, dass man den Familien in Wahrheit zwei Monate Karenzzeit gekappt und das dann auf die EU geschoben hat. (Beifall bei der SPÖ.)

So will man dann Europabewusstsein fördern? – Da passt irgendetwas nicht zusammen. Gerade die große Europaskepsis ist teilweise schon auch sehr stark hausgemacht, gerade auch von der Politik der amtierenden Bundesregierung.

Arbeitnehmer:innen, Konsument:innen sind anscheinend in der Europäischen Union weit besser vertreten als in der österreichischen Bundesregierung, obwohl es natürlich auch europaweit großen, großen Handlungsbedarf gibt. Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten schauen genau darauf, wie es den Menschen geht, die sich für ihr hart erarbeitetes Geld natürlich auch etwas Gscheites und nicht irgendwelche Produkte, die dann knapp nach Ablauf der Gewährleistung oder Garantie kaputtgehen, kaufen können sollen. Da braucht es also auch einen entsprechenden Schutz und eben eine Langlebigkeit der Produkte. Da ist auch noch unglaublich viel zu tun.

Wenn die Preise weit über die Herstellungskosten hinaus steigen, sodass die Menschen schon Sorge haben müssen, wie sie die Energiekosten stemmen, wie sie den Lebensmitteleinkauf stemmen, wie sie überhaupt den Alltag finanzieren, dann muss regulierend in den Markt eingegriffen werden, wenn ersichtlich ist, dass Marktmacht einseitig missbraucht wird.

Und wenn schon seitens der österreichischen Bundesregierung nichts geschieht, dann muss das vonseiten der Europäischen Union passieren. Es braucht einfach eine Regulierung der Märkte, wenn das Ganze aus dem Ruder läuft. Das ist ganz, ganz dringend notwendig, weil die Menschen sonst das Vertrauen in das europäische Einigungswerk, aber auch insgesamt in die Politik und letztendlich auch in die Demokratie verlieren. Das müssen wir uns immer vor Augen führen. (Beifall bei der SPÖ.)

Und: Natürlich geht es ganz, ganz wesentlich um Versorgungssicherheit. Das muss oberste Priorität der künftigen europäischen Politik sein. Wir müssen die Produktion der lebensnotwendigsten Produkte, beispielsweise Medikamente, wieder nach Europa holen. Wir wissen es – ich habe hier auch eine Anfrage dazu gestellt –, 500 Medikamente sind in Österreich nicht verfügbar. Wir müssen die Produktion nach Europa holen. Es braucht eine Reindustrialisierung – natürlich auch klimaschutzgerecht.

Insgesamt steht Klimaschutz ganz, ganz groß auf der Agenda. Klimaschutz muss aber für alle lebbar und leistbar sein. Bei Klimaschutzmaßnahmen braucht es soziale Gerechtigkeit, damit da auch niemand ausgeschlossen wird. Die soziale Dimension des Klimaschutzes ist also auch ein ganz, ganz wichtiges Ziel.

Und: Es darf keinen Wettlauf nach unten geben, weder bei Löhnen noch bei Sozialleistungen, aber auch nicht bei Steuern. Es darf da keinen Wettlauf nach unten geben, Steuern müssen dort eingehoben werden und dort anfallen, wo auch die Gewinne anfallen, denn sonst werden unsere öffentlichen Haushalte und damit die Finanzierung unseres Sozialstaates ausgehöhlt. (Beifall bei der SPÖ.)

Entscheidend muss sein, wie es den Menschen in Europa geht. Ja, die EU ist mehr als nur ein reiner Binnenmarkt, sie soll ein guter Platz zum Leben sein. (Beifall bei der SPÖ.)

9.23

Präsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Bitte.