10.21
Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesministerin! Wir erleben derzeit nicht weniger als ein Auseinanderbrechen der bisherigen globalen Ordnung. Wir erleben ein Ende der Friedensperiode in Europa. (Bundesrat Schennach: Koalition ist auch nicht gut!) Eine neue Weltordnung ist im Entstehen. Neue Blockbildungen – das sehen wir täglich in den Nachrichten – werden das globale Machtgefüge in den nächsten Jahrzehnten massiv verschieben. Sehr viel wird dabei vom Verhalten Chinas und Indiens abhängen, aber natürlich auch von Russland und den USA sowie selbstverständlich von Europa.
Für Europa heißt das, dass sich Europa neu orientieren, neu ausrichten muss. Europa muss als Region, die sich auf ein demokratisches, liberales, freies und soziales Gesellschaftsmodell stützt, stärker werden, denn das macht sonst niemand! Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, dass die europäische Außenpolitik auf neue Beine gestellt wird; das heißt, wir brauchen im eigenen Interesse eine gemeinsame Außenpolitik. Es muss in Zeiten wie diesen, in denen eine Neuordnung stattfindet, aufhören, dass alle Staaten ihre eigenen Süppchen kochen. Das spielt nur den anderen großen Blöcken in die Hände.
Es muss aufhören, dass man alles, was einem gerade nicht passt oder was man selber nicht zu ändern in der Lage oder willens ist, aus innenpolitischen Gründen auf Europa schiebt. Das schlägt sich natürlich bis in die Bundesländer nieder.
Ein kleines Beispiel: Eine aktuelle Umfrage zur EU-Stimmung zeigt folgendes Bild: In Vorarlberg sagen 47 Prozent, dass sie etwas Positives von der EU-Mitgliedschaft merken, in Niederösterreich sind es 28 Prozent. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Dementsprechend wünschen sich in Vorarlberg 51 Prozent mehr europäisches Handeln, in Niederösterreich 36 Prozent. Da braucht es, glaube ich, nicht viel Fantasie, um herauszufinden, warum das so ist, wer wo in der Regierungsbeteiligung ist. (Die Bundesrät:innen Grimling und Schennach: Mikl-Leitner!)
Es ist klar: Wir brauchen gerade jetzt eine geeinte und starke EU mit Mitgliedsländern, die Europa voranstehen und nicht hintanstehen. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
Für Spielchen steht zu viel auf dem Spiel, denn fast schon zahllos sind die Herausforderungen in den nächsten Jahren. Ein Jahrhundertprojekt ist der Klimaschutz als Kernfrage. Das geht nur gemeinsam und solidarisch, das geht nur, wenn insbesondere Europa anderen Ländern bei der Transformation hilft. Es geht einmal grundlegend um die Transformation der gesamten Wirtschaft in eine CO2-freie Kreislaufwirtschaft, und das braucht Planbarkeit, denn es geht darum, fundamentale Umbauten vorzunehmen, mit Hunderten Milliarden an Investitionen. Ein Beispiel dafür ist die Mobilitätswende, was mich sehr aufregt, mit dem Ausstieg aus dem Verbrenner – das regt mich nicht auf –, aber genau da brauchen wir Planungssicherheit. Sonst wird Europa den Umstieg verpassen und die Autoindustrie ruinieren. Es ist daher auch wirtschaftlich fatal, eine Rücknahme der Regelungen zu fordern und Europa zu einem Land gestriger Verbrennungstechnologie machen zu wollen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
Was viele nicht begreifen wollen, ist, dass ein funktionierendes Ökosystem mit einer großen Artenvielfalt kein Luxus ist, sondern die Grundlage unseres Lebens. Das braucht natürlich hinreichend Flächen, auf versiegelten Flächen gibt es keine Ökologie. Wir verbrauchen entschieden zu viel Boden, zu lange wurde Raubbau betrieben. Das wurde von der Kommission und dem Parlament erkannt. Umso unverständlicher ist es, dass sich gerade Österreich mit seinen Bodenverbrauchsrekordwerten dagegen wehrt – oder besser gesagt: eine Gruppe von Landeshauptleuten.
Nicht zuletzt steht unser gesamtes liberales und solidarisches Gesellschaftssystem auf dem Spiel. Es ist sehr traurig und wirklich brandgefährlich, zu sehen, dass Kräfte, die das zerstören wollen, die Europa zerstören wollen, vielerorts oft im Vormarsch sind. Das sind die rechtsradikalen und rechtsnationalen Parteien, zu denen auch die FPÖ gehört. (Bundesrat Leinfellner: Ah, da ...!) Herr Leinfellner hat gerade vorhin bewiesen, auf welchem Zerstörungstrip Sie sind. Da fordert der Spitzenkandidat sogar, dass Orbán – das ist die Antithese zur offenen Gesellschaft – Kommissionspräsident werden soll. (Bundesrat Schennach: Ja, so ist es! – Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.)
Nein, ich bin fest überzeugt: Nur eine geeinte und gestärkte EU, felsenfest auf dem Fundament der Menschenrechte und im offenen, sozialen, liberalen und solidarischen Rechtsstaat verankert, sowie das Programm einer konsequenten Transformation in eine CO2-freie Gesellschaft und ein intakter Naturraum können den Weg in eine gute Zukunft weisen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
10.26
Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte sehr.