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Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister! Also an Abstrusität ist das ja kaum mehr zu überbieten, was gerade vorher gesagt worden ist – solch ein Durcheinander! Ich werde das jetzt aber ein bisschen nutzen, um einmal ganz grob zu skizzieren, worüber wir beim Emissionshandel überhaupt reden.
Das ist zunächst einmal ein europäisches System (Zwischenruf bei der FPÖ) und tatsächlich ein Kernstück des Klimaschutzes und der Emissionsreduktion. (Ruf bei der FPÖ: Milliardenbetrugssystem – man kann es eh zusammenfassen!) Es gibt ihn jetzt schon ganz schön lange, 20 Jahre ungefähr, wenn man die Einführungsphase mitrechnet. Das System hat nicht immer funktioniert, weil sich der Preis die ersten Jahre nicht entwickelt hat, weil zu viele Zertifikate vorhanden waren. Das ist jetzt grundlegend anders und entgegen den Behauptungen der FPÖ funktioniert das natürlich sehr wohl.
Die Betriebe, die im Emissionshandel sind – und die machen übrigens einen sehr großen Teil der gesamten Emissionen aus –, haben ihre Emissionen europaweit seit dem Basisjahr 2005 um 38 Prozent gesenkt – 38 Prozent! Also erfolglos ist schon etwas anderes. Das Emissionshandelssystem funktioniert jetzt mit den Korrekturen, die gemacht wurden, sehr wohl. (Zwischenruf bei der FPÖ.)
Das Instrument ist europäisch, ich möchte das noch einmal betonen, und das ist gut und wichtig. (Ruf bei der FPÖ: Ja, genau!) Das ist gut und wichtig, weil gerade die energieintensive Industrie, um die es hier vorrangig geht, im internationalen Wettbewerb eigentlich umfassend vertreten ist. (Bundesrat Spanring: Die wandert eh ab! Super gemacht! Ich bin stolz auf euch, ganz, ganz toll!) Das ist ja mithin ein Beispiel, wieso die EU wichtig und unverzichtbar ist, auch für die europäische Wirtschaft.
Das Besondere daran ist – und ich finde es immer seltsam, dass da gerade auch von Marktliberalen der Vorwurf kommt –, dass das marktwirtschaftlich organisiert ist, und gerade das war ja vielen ein großes Anliegen. Sukzessive einbezogen werden übrigens jetzt auch der Flugverkehr und der Schiffsverkehr, aus denen ja auch nicht gerade frische Luft entströmt.
Kurz zusammengefasst: Was macht der Emissionszertifikatehandel? – Er sichert die Zielerfüllung hinsichtlich zulässiger Emissionen für die energieintensive Industrie. Das wurde jetzt im Zuge des Pakets Fit for 55 noch einmal verschärft, und zwar wurde die Reduktion auf 62 Prozent bis 2030 angehoben – übrigens eine wichtige Maßnahme, um aus dem russischen Gas auszusteigen. (Ruf bei der FPÖ: Ha, ha, ha!) Natürlich funktioniert das, weil das so abläuft, dass die jährlich zur Verfügung stehende Emissionsmenge in Form von Zertifikaten – sie wird teils gratis zugeteilt, dazu kommen wir noch, und teils wird sie versteigert – eben Jahr für Jahr sinkt, und irgendwann beträgt sie null. Die Betriebe können sich auch darauf einstellen, das wissen die.
Durch dieses Carbontrading – so nennt man das – stellt sich ein Preis ein. Die Betriebe können Zertifikate kaufen, ersteigern oder sie können Reduktionsmaßnahmen setzen und selber Zertifikate verkaufen – sie können sich also entscheiden, nur der Pfad ist vorgegeben, und das ist wichtig, auch für die Planbarkeit.
Die Erlöse verschwinden nicht irgendwo, sondern gehen in Klimaschutzmaßnahmen.
Es gibt auch eine Reihe von Maßnahmen zum Schutz der energieintensiven Industrie vor Abwanderung. Das funktioniert derzeit so, dass sie Zertifikate gratis bekommt. Das wird jetzt auf einen Grenzausgleichsmechanismus umgebaut – das hatten wir schon einmal –, im Rahmen dessen entsprechend dem importierten Fußabdruck Zertifikate erworben werden müssen. Das ist eine ganz, ganz wichtige Maßnahme zum Schutz der Industrie vor Billigimporten aus China – das haben wir gerade ganz aktuell auf der Agenda – oder, ich sage jetzt einmal, stark CO2-intensivem Stahl aus Indien und so weiter.
National – die Kollegin hat es erwähnt – gibt es auch noch eine Reihe von Entlastungsmaßnahmen. Das sind allein heuer 43 Millionen Euro für die Landwirtschaft, 225 Millionen Euro für die energieintensive Industrie.
Was kommt jetzt eigentlich neu hinzu? – Neu hinzu kommt, auch im Zuge des Green Deals, eine Ausweitung des Emissionshandels, natürlich auch fossile Brennstoffe, und zwar auf Gebäude, auf Betriebe, die jetzt nicht im Emissionshandel sind, also im Wesentlichen auf die Raumwärme und auf den Verkehr. Das ist jetzt schon eine wirklich große, große Änderung.
Verpflichtet sind allerdings natürlich nicht die Haushalte selbst oder die Autofahrer:innen, sondern die Inverkehrbringer, die Verkäufer mit anderen Worten, die Lieferanten von Gas und Öl, die Verkäufer von Benzinern und Diesel. Das funktioniert im Großen und Ganzen gleich wie in der Industrie. (Bundesrat Kofler: Aber teurer wird es!) Deshalb habe ich das kurz skizziert.
Die grundlegende Basis haben wir bereits geschaffen; das war letztes Jahr. Jetzt ist es so, dass das 2027 startet. Also was geschieht jetzt eigentlich? – Es gibt eine Einführungsphase. Da geht es um das Monitoring, da geht es um Berichtspflichten. Die Handelsteilnehmer müssen sich im Zuge dessen allerdings registrieren, und zwar spätestens vier Monate vor Beginn. Um das zu erleichtern, um mehr Zeit zu haben, soll das jetzt in Österreich gleich starten können, nämlich mit Juli.
Was noch sichergestellt werden soll: dass es keine Doppelberichtspflichten gibt, dass es keine Unterschiede zwischen dem nationalen System und dem System, das auf europäischer Ebene eingeführt wird, gibt – kein Doppelreporting –, um ja nicht unnötige Bürokratie zu schaffen.
Wie gesagt, das ist insgesamt eine große Veränderung mit Ausweitung auf Gebäude und Verkehr, obwohl es technisch klingt, und es wird eine große Herausforderung, das auch entsprechend zu justieren. Ich selbst, gebe ich zu, war, als die Idee auftauchte, sehr skeptisch, weil das doch recht komplex ist und nicht einfach zu justieren, weil es ja in Zukunft doch sehr, sehr viele Akteure und Akteurinnen geben wird – viel mehr als jetzt.
Wichtig ist aber auch, und da sind sich alle einig: Es ist auf längere Zeit hinaus eine ergänzende Maßnahme. Es wird weiterhin wichtig sein, national Maßnahmen zu setzen: im Baurecht, in der Wohnbauförderung, zur sozialen Abfederung und so weiter.
Ich möchte noch einmal beziehungsweise wieder einmal auf die wirklich exzellenten Förderungen hinweisen, die wir haben – gerade vom BMK –, für thermische Sanierungen, also Stichwort Gebäude, für den Kesseltausch, für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Wir starten jetzt übrigens mit dem Reparaturbonus auch für Fahrräder – eine ganz wichtige Maßnahme.
Ich kann nur garantieren, dass wir da auch in Zukunft dranbleiben werden, ganz bestimmt. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
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