Schlussansprache der Präsidentin
Präsidentin Margit Göll: Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In wenigen Tagen wird Niederösterreich den Vorsitz in der Länderkammer und in der Landeshauptleutekonferenz an Oberösterreich übergeben. (Bundesrat Steiner: Na Gott sei Dank!) Die Präsidentschaft im Bundesrat geht damit für mich zu Ende. (Bundesrat Steiner: Gott sei Dank!)
Die niederösterreichische Präsidentschaft stand unter dem Motto Gemeinsam über Grenzen: Europa verbindet. Ich habe dieses Motto ganz bewusst gewählt, nicht nur wegen der damals anstehenden Wahl zum Europaparlament, sondern vor allem weil ich als Bürgermeisterin einer Grenzlandgemeinde regelmäßig erfahren darf, wie intensiv eine gemeinsame EU-Mitgliedschaft benachbarte Länder verbindet.
Sehr oft haben wir im Wahlkampf gehört, was uns in der EU trennt, was es an der Entwicklung der Union auszusetzen gibt, was nicht funktioniert und was am besten sofort abgestellt werden sollte. Ich will das auch gar nicht herunterspielen, denn viele dieser Vorwürfe sind berechtigt. Die EU neigt zu Überregulierung, die Subsidiarität kommt zunehmend unter die Räder, das Migrationsproblem ist ungelöst, die Hoffnungen in den Green Deal waren überzogen, und wirtschaftlich fallen wir weiter hinter China und die USA zurück.
Es gibt jedoch auch eine andere Seite, die oft zu wenig Beachtung findet: die vielen Vorteile, die die EU den Bürgerinnen und Bürgern gebracht hat und die wie selbstverständlich hingenommen werden oder von denen viele nicht einmal wissen, dass sie der EU zuzuschreiben sind.
Vor einer Woche habe ich mit EU-Kommissar Johannes Hahn am Europaforum Wachau teilgenommen und darüber gesprochen, was sich in meinem Heimatbundesland Niederösterreich mit dem EU-Beitritt unserer Nachbarstaaten zum Positiven verändert hat. Etwa die grenzüberschreitende und grenzübergreifende Zusammenarbeit mit Tschechien im Rettungswesen, bei den Feuerwehren, aber auch bei der Polizei ist bereits beispielgebend, und wir werden daran arbeiten, sie weiter zu intensivieren.
Niederösterreich hat bereits mehrere Interreg-Leuchtturmprojekte umgesetzt, etwa das Healthacross for Future aus meiner Region. In Gmünd entstand das europaweit erste grenzüberschreitende Gesundheitszentrum, das wir im Rahmen von Bundesrat im Bundesland gemeinsam besichtigt haben. Dort wurde uns eindrucksvoll präsentiert, wie Zusammenarbeit im Gesundheitswesen über Grenzen hinweg konkret gelebt wird, die Menschen in den Regionen unterstützt und ihnen zugutekommt.
Die Bundesratskonferenz „Jugend ohne Grenzen“ sollte Jugendlichen die Möglichkeit geben, ihren Meinungen, Ideen und Initiativen Gehör zu verschaffen. Jugendliche aus ganz Österreich, der Slowakei und Tschechien kamen im Parlament zusammen, um über ihre Zukunft in einem Europa ohne Grenzen zu diskutieren, und wir haben dabei erfahren, wie junge Menschen das geeinte Europa erleben und was sie sich von der Europapolitik erhoffen. Armutsbekämpfung, Maßnahmen gegen den Klimawandel, Bekämpfung von Terrorismus und die Schaffung von Arbeitsplätzen stehen ganz oben auf der Wunschliste unserer Jugend.
In den Grenzregionen Europas befinden sich Kinder und Jugendliche oft in einer besonderen Situation. Sie erleben hautnah die Auswirkungen politischer und wirtschaftlicher Veränderungen. Doch gerade darin liegen auch sehr große Chancen.
Grenzregionen können Brücken bauen, sie sind Orte der Begegnung und des Austausches. Es ist wichtig, dass wir unsere Regionen stärken.
Der Besuch der Mitglieder der Präsidiale des Bundesrates in Tschechien hat uns die vielen Aspekte der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit vor Augen geführt. Mit dem tschechischen Senatsvorsitzenden Miloš Vystrčil haben wir Gespräche über die Perspektiven der Bürgerinnen und Bürger in den Grenzregionen geführt. Im Austausch mit dem tschechischen Minister für Bildung, Jugend und Sport standen vor allem die Belange der Jugend, aber insbesondere die elementare Bildung und die Schulbildung im Mittelpunkt.
Die Wahl des Europaparlaments und die Mobilisierung der Jugend, ihr Wahlrecht in Anspruch zu nehmen, standen dann im Mittelpunkt des Austausches mit der Präsidentin der Abgeordnetenkammer des tschechischen Parlaments.
Auch Migration und Sicherheit, insbesondere die Unterstützung der Länder für die Ukraine im jeweiligen Rahmen, waren Thema unseres Gesprächs.
Diese Themen kamen auch beim Treffen mit dem Außenminister der Tschechischen Republik zur Sprache. Das Treffen mit dem Minister für europäische Angelegenheiten der Tschechischen Republik stand dann im Zeichen der Beitrittsperspektiven der Länder des Westbalkans sowie der Republik Moldau und der Ukraine.
Zum Abschluss führte der Besuch der Bundesratsdelegation nach Telč, wo wir mit dem Senatspräsidenten zunächst die Grundschule besuchten, um vor Ort die Fortschritte in der Bildungszusammenarbeit der Grenzregion kennenzulernen.
Auch für die weitere Arbeit in meiner Gemeinde und im ländlichen Raum brachte das viele neue Perspektiven.
Wichtig war mir in dieser Präsidentschaft außerdem, das Augenmerk auf die Anliegen der Frauen zu lenken. Deshalb fand auch am 8. März, am Weltfrauentag, eine Veranstaltung im Parlament statt. Dabei habe ich jenen Aspekt in den Mittelpunkt gestellt, der mir besonders wichtig ist: die Beteiligung von Frauen an politischen Entscheidungsprozessen.
Politischer Einfluss ist entscheidend für die Förderung von Chancengleichheit und die Beseitigung von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Ich habe dazu besondere Mutmacherinnen eingeladen, ihre ganz persönliche Geschichte zu erzählen – Frauen, die Widerstände aus dem Weg geräumt haben und sich durchgesetzt haben.
Die Anliegen der Jugend, der Frauen und insbesondere unserer Bundesländer habe ich auch bei meinen vielen Gesprächen im letzten Halbjahr stets transportiert. Ich habe mit dem Bundeskanzler, mit allen Ministern und Staatssekretären gesprochen, mit vielen Botschaftern, der Präsidentin des Deutschen Bundestages, dem Präsidenten des ukrainischen Parlaments, Vertretern der Glaubensgemeinschaften wie dem Bischof in Sankt Pölten oder dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien.
Unserer Funktion als Länder- und Europakammer können wir nur gerecht werden, wenn wir unsere Anliegen so oft wie möglich hinaustragen und der Länderkammer Gehör verschaffen.
Besonders ist mir der respektvolle und wertschätzende Umgang in den Gesprächen mit allen Fraktionen wichtig. In einer Zeit wie dieser, in der wir uns wieder vor wichtigen Wahlen befinden, ist das weiterhin ein sehr zentrales Anliegen: wie wir nach den Wahlen auf kollegialer Ebene unter Beachtung der Vorbildfunktion, die uns Politikern zugeschrieben wird, persönliche Befindlichkeiten hintanstellen und die Interessen derer, die wir vertreten, in den Vordergrund stellen.
Ein zentraler Aspekt ist die Bedeutung einer gemäßigten Sprache und natürlich auch des respektvollen Umgangs miteinander. Wir müssen uns bewusst sein, dass unsere Äußerungen und unser Verhalten nicht nur unsere politischen Konkurrenten, sondern auch die Menschen in unserem Land beeinflussen. Eine gemäßigte Sprache fördert den konstruktiven Dialog und trägt dazu bei, Spannungen abzubauen und Lösungen zu finden, die dem Wohl aller dienen.
Der politische Diskurs lebt von unterschiedlichen Meinungen und Perspektiven. Wir dürfen aber niemals vergessen, dass wir alle Teil derselben demokratischen Gemeinschaft sind. Ich appelliere an Sie alle, sich dieser Verantwortung bewusst zu sein und sich für einen respektvollen Umgang miteinander einzusetzen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)
Nur so können wir gemeinsam dazu beitragen, dass unsere Demokratie stark und lebendig bleibt und unsere Gesellschaft nicht weiter auseinanderdriftet.
Zum Schluss möchte ich Ihnen allen sagen, dass ich natürlich sehr stolz bin, für mein Heimatbundesland Niederösterreich den Vorsitz im Bundesrat geführt zu haben. Dass dies so gut verlaufen ist, verdanken wir insbesondere den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier im Haus. Mein herzlicher Dank geht an Bundesratsdirektorin Susanne Bachmann, ihre Stellvertreterin Alice Alsch-Harant und besonders an meine Assistentin Paula Jenner.
Großer Dank gilt auch der Veranstaltungsabteilung, die bei der komplexen Vorbereitung der Jugendkonferenz wirklich hervorragende Arbeit geleistet hat, sowie dem Internationalen Dienst für die profunde und professionelle Begleitung und Unterstützung bei allen internationalen Gesprächen.
Meinem Nachfolger Franz Ebner wünsche ich viel Erfolg für die Präsidentschaft Oberösterreichs. – Alles Gute für deinen Vorsitz, Franz! (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Bundesrät:innen von SPÖ und FPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)
Ich danke Ihnen für die Unterstützung dieser Präsidentschaft und wünsche Ihnen und Ihren Familien eine schöne und erholsame Sommerzeit. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)