9.23

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Außenminister! Liebe geschätzte Vorrednerin, so ganz werden wir heute hier nicht harmonieren. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Sie sprechen davon, dass sich Österreich einsetzt. Ich frage mich: Wo ist die österreichische Außen­politik in den letzten Jahren geblieben? (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Selten gibt es ein Politikfeld, das so ambitionslos verwaltet wird wie die österreichische Außenpolitik. (Bundesrat Buchmann: Du bist zu viel im Ausland!) Ich teile Ihre Auffassung von den Krisenherden, die Sie erwähnt haben, geschätzte Vorrednerin, aber: Wo sind die Initiativen Österreichs, was den Genozid in Gaza betrifft? Wo sind die Initiativen, die zu einem Dialog und zu einem Frieden in der Ukraine führen? (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Gerade ein neutrales Land führt nicht die Neutralität als Tabernakel vor sich her, sondern ist zu einer aktiven Neutralitätspolitik verpflichtet – und aktive Neutralitätspolitik heißt, Konfliktpartner und -partnerinnen zusammenzu­bringen und einen Dialog zu starten beziehungsweise Möglichkeiten dafür zu su­chen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich muss immer wieder schmunzeln, wenn ich Bilder sehe, auf denen der Bundeskanzler oder der Innenminister bei einem Besuch in Ägypten oder in Marokko oder in Tunesien zu sehen ist, um sogenannte Rückführungsab­kommen vorzuventilieren. Wir alle wissen: Das kann die Europäische Union ma­chen, aber sicherlich nicht ein einzelner Staat. Diese Rückführungsabkom­men sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind.

Zum anderen – wenn wir jetzt so prinzipiell zur Außenpolitik auch ein wenig die EU-Politik dazunehmen – muss man sagen: Alles, was diese Regierung immer wieder bei EU-Richtlinien präsentiert, kommt zu spät oder nicht recht­zeitig; oder gerade dann, wenn ein Vertragsverletzungsverfahren zur Tür hereinweht, kommt noch schnell eine Regelung. Da braucht man dann in ganz vielen Fällen die Opposition für eine entsprechende Mehrheit, und man wundert sich dann, dass bei solch einem Husch-Pfusch die Opposition nicht ständig auf Stand-by steht.

Außerdem: Ich komme gerade aus Straßburg und weiß nicht, wie oft ich in den letzten Tagen auf diesen unglückseligen Brief von Herrn Nehammer und Frau Edtstadler an den belgischen Vorsitz angesprochen worden bin. Das ist blamabel. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Doppler.) Zu schreiben, eine amtierende Ministerin habe nicht das Recht, Österreich zu vertreten – natürlich hat sie das Recht! Wenn, dann hätte man sie vorher abberufen müssen. Die Zeit dazu wäre gewesen. Natürlich hatte sie das Recht, Österreich zu ver­treten. Das wird auch noch so weitergehen. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Herr Außenminister, nach dem Zusammenbruch in Afghanistan haben wir ganz schlecht ausgeschaut. Wir haben darum gebeten, bedrohte Frauen in Ös­terreich aufzunehmen, aber keine einzige dieser Frauen, deren Leben bedroht war, wurde von uns aufgenommen. Das ist unglaublich und unerhört. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Gerade erst wurden zwei wichtige Personen gewählt – und da sieht man, dass andere Länder anders vorgehen. Die Schweiz hat alle Parteien – auch die Schwesterpartei der FPÖ zum Beispiel, die Blocher-Partei – eingespannt, um für einen Sozialdemokraten zu rennen, und zwar erfolgreich zu rennen. Der neue Generalsekretär des Europarates ist ein Schweizer Sozialdemokrat gewor­den, weil die Regierung mit allen Parteien dahinterstand und dies zum Erfolg führte.

Österreich hat sich um das Amt des Menschenrechtskommissars bemüht. Die Botschafterin war enorm tätig – aber wo war die Regierung dahinter? Wo hat sie in Europa zum Ausdruck gebracht: Das ist für uns wichtig!? – Das hat sie nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Gleichzeitig hat diese schwarz-grüne Regierung Folgendes geschafft: Gestern hat die Wahl des österreichischen Richters zum Menschenrechtsge­richtshof stattgefunden. Bisher hatten wir eine Richterin. Jetzt haben wir einen Richter – einen Ungarn. Sie haben es nicht geschafft, von österreichi­scher Seite – wo wir so hohe Kapazitäten haben – einen richtigen personellen Vorschlag zu bringen. Das ist alles andere als ein Ruhmesblatt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Liebe Frau Schwarz-Fuchs, wo wir praktisch im Duett tanzen, sind Ihre Ausführungen zum Westbalkan. Das ist immer eine Herzensangelegenheit Österreichs gewesen, allerdings nicht in dieser abgeschwächten Form, wie Sie es präsentiert haben, sondern schon in der richtigen Form. Ja, wir wollen die Vollmitgliedschaft vieler Balkanstaaten, denn das Haus ist nur dann komplett, wenn der Westbalkan Mitglied ist und es nicht so kleine Halbmitglied­schaften oder Stufenweise-Mitgliedschaften gibt.

Ich glaube, wir haben noch große Probleme im Bereich Bosnien, nämlich im Hinblick darauf, dass es dort endlich eine Verfassung gibt, die auch Bürger und Bürgerinnen und nicht nur Religionsgemeinschaften kennt und die nicht auf einem Waffenstillstand, sondern auf einer echten Verfassung fußt. – Das ist eines.

Beim Kosovo (in Richtung Bundesrätin Schwarz-Fuchs) trennt uns gar nichts – außer die großen Fünf – die großen Fünf! Okay, ich bin nicht glücklich über den Berater oder die Beraterin von Bundeskanzler Scholz in Deutschland, die da plötzlich alle ins Konzert der Verzögerung einstimmen. Ich hoffe sehr, dass bis zum nächsten Ministerrat im Europarat der Weg für die Mitgliedschaft des Kosovo zumindest im Europarat frei ist. In manchen Din­gen sind sie ja schon weiter als wir.

Die ÖVP – das muss man auch dazusagen; (in den Saal blickend:) irgend­wo ist Edgar Mayer, ein Zeitzeuge unseres gemeinsamen Bemühens –, die ÖVP hat immer verhindert, dass Österreich Mitglied der Bank des Europarates wird. Die einzige Bank der Welt, die zwei Fragen stellt: Was ist der soziale Mehrwert, wenn ich Kredit gebe?, und: Was sind die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt? Das sind die einzigen zwei Fragen, die die erfolgreichs­te Bank in Europa stellt. Und wer ist nicht dabei? – Österreich, weil die ÖVP seit 20 Jahren verhindert, dass wir bei dieser wunderbaren Bank, die bisher so viel Richtungsweisendes gemacht hat, dabei sind.

Also ich hoffe, irgendwann wird das Finanzministerium wieder eine andere poli­tische Farbe bekommen – da schaue ich jetzt auch Andreas Babler inten­siv an (Heiterkeit bei der FPÖ) –, es ist ganz wichtig, wer im Finanzministerium sitzt. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Ja, ja, ihr werdet es noch sehen. Dem österreichischen Nationalteam hat man auch nicht zugetraut, dass es in einer Gruppe gewinnt. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) Jetzt beruhigt euch. (Das ehemalige Mitglied des Bundesrates Mayer betritt den Saal.) – Ah, jetzt kommt mein Zeitzeuge, mit ihm könnt ihr dann gerne reden. Wir haben uns gemeinsam um diesen Beitritt bemüht.

Zum Abschluss möchte ich noch zwei, drei Worte sagen. Liebe Sissi Grossmann, ich gratuliere zu deiner Wahl ins EU-Parlament. Hier wirst du uns fehlen. Vielleicht gehörst du der Delegation der Cosac des EU-Parlaments an oder vielleicht – hoffentlich – treffen wir uns in der Türkei wieder, wo ich gerade eine Woche in den Gefängnissen war (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ), es wäre schön, wenn wir weiterhin zusammenarbeiten würden. Danke schön für all deine Arbeit hier im EU-Ausschuss. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

9.33

Präsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm dieses.