9.41
Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! An Herausforderungen mangelt es zweifelsfrei nicht, denn die Welt ist im Umbruch. Die globale Ordnung bildet sich neu, fundamental neu. Nicht nur die globalen Machtverhältnisse verschieben sich massiv in diesem Jahrhundert, die Megathemen Klimaschutz, Biodiversität, Ernährung, Frieden und Sicherheit, Demokratie sind ganz oben auf der Agenda.
Um bei dieser Neuordnung und Bewältigung der Megathemen eine Rolle zu spielen, braucht es Stärke. Das heißt für uns, wie ich ganz klar meine, die österreichische Außenpolitik muss vor allem eine europäische sein. Und was eigentlich selbstverständlich sein sollte, wo wir aber immer wieder unter Kritik stehen: Die Außenpolitik muss ihren eigenen Prinzipien, den europäischen Werten treu sein, auch wenn es einen Preis hat oder eigentlich gerade dann, wenn es einen Preis hat. Wir wissen leider, dass das allzu oft nicht der Fall ist.
Das betrifft – und das möchte ich schon kritisch anmerken – insbesondere die Wirtschaftsaußenpolitik – bei allem Verständnis –, die überhaupt ein dominanter Aspekt der Außenpolitik ist. So leicht machen wir es uns gelegentlich im Namen von Wachstum und Arbeitsplätzen, wenn es um Geschäfte mit Autokraten oder um Rohstoffe geht, die man benötigt.
Das zeigt aber auch eines auf: Außenpolitik ist nicht nur eine Sache des Außenministers, Außenpolitik ist eine gemeinsame Verantwortung. Eine der wichtigsten und wirksamsten außenpolitischen Aktivitäten der letzten Zeit, jedenfalls auf europäischer Ebene, ist die Zustimmung zum so wichtigen Renaturierungsgesetz, das übrigens im Europäischen Parlament längst bestätigt ist – und das von 20 Staaten. Ein Diktat aus Brüssel ist jedenfalls etwas anderes. Das ist eine Regelung, bei der es um die Zukunft geht. Eine Zukunft für die jungen Leute heute gibt es nur mit einer intakten Natur. (Beifall bei den Grünen.) Gerade in Österreich mit seinem irrwitzigen Bodenverbrauch sollte uns das ein besonderes Anliegen sein. (Ruf bei der FPÖ: Windkraftanlagen ...!)
Eine fast unbemerkte außenpolitische Aktivität, aber ebenso mit einer hohen Zukunftsrelevanz für die Energieversorgung – wir haben gesehen, wie wichtig diese ist –, ist die Vereinbarung Österreichs mit Deutschland und Italien zum Bau einer Pipeline von Süd nach Nord durch halb Europa, um künftig vor allem Wasserstoff transportieren zu können.
Wir sahen ja schmerzvoll in den letzten Jahren und sehen schmerzvoll nach wie vor die Folgen der katastrophalen außenpolitischen Fehler mit der über viele Jahre aufgebauten einseitigen Abhängigkeit von Russland.
Eine besondere Rolle kann und muss Österreich – das ist schon mehrfach angesprochen worden – in der Frage des EU-Beitritts des Westbalkans einnehmen. Das geschieht auch zu einem großen Teil. Die Verfahren wären aber, denken wir, dringendst zu beschleunigen, ohne auf Klein-Klein zu schauen. Wir müssen dabei unbedingt offensiv sein und dürfen nicht den Fehler machen, diese Länder viele Jahre lang mit bürokratischen Argumentationen hinzuhalten, denn es gibt nur einen, der sich dann die Hände reibt, und das ist Putin.
Zur außenpolitischen Verteidigung und zum Ernstnehmen europäischer Werte gehört insbesondere auch die aktive Unterstützung demokratischer Kräfte im Ausland. Gerade da, Herr Außenminister – auch ein Appell –, könnte Österreich einen wertvollen Beitrag leisten, auch im Alleingang. Insbesondere die Oppositionellen in Russland brauchen Hilfe – etwa durch ein Aufenthaltsrecht bei uns –; das sind vor allem Journalist:innen, Künstler:innen, Wissenschafter:innen, NGOs, LGBTIQ-Leute und so weiter.
Leider ist eine aktive und progressive Außenpolitik in Europa und auch in Österreich in Gefahr – in Gefahr durch die nationalistischen, populistischen Demokratiefeinde am äußersten rechten Rand. Wir haben gerade mit Kollegen Leinfellner ein eindrückliches Beispiel genau dafür gesehen, was uns da blüht. Insofern ist auch die Außenpolitik eine demokratiepolitische Fragestellung. Wenn die Rechtsnationalisten an der Macht sind – das sagen sie ja selber –, wollen sie Mauern bauen und eben nicht eine – so wichtige – offene, solidarische Außenpolitik betreiben.
Daher: Es gibt noch viel zu tun. Bleiben wir, vor allem die demokratischen Kräfte, dran, für ein freies und, ich denke, auch seinen Werten verpflichtetes Europa und Österreich! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
9.46
Präsidentin Margit Göll: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten. Ich erteile es ihm. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten.