10.16

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuallererst danke ich allen Kolleginnen und Kollegen für die herzliche Aufnahme in Ihre Reihen als Mitglied der stillen Kammer, die gar nicht so still ist wie ihr Ruf. Die Länderperspektiven werden hier mit Verve, aber meistens auch mit Sachlichkeit vertreten, und es ist mir eine große Ehre und Freude, als erste NEOS-Bundesrätin hier an dieser Stelle zu stehen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Mein Dank gilt ausdrücklich auch meinem sehr geschätzten Vorgänger Karl-Ar­thur Arlamovsky, der als erster Bundesrat für uns NEOS hier in der Län­derkammer Pionierarbeit geleistet hat. Als erste Frau in dieser Position freut es mich auch ganz besonders, die Frauenquote im Bundesrat auf immerhin 48,34 Prozent – wenn ich mich nicht verrechnet habe – zu erhöhen. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich verneige mich vor allen Frauen hier im Saal, in Österreich, in Europa – jede von ihnen ist einzigartig und besonders. Eine ganz besondere Frau war auch Brigitte Bierlein, die als erste österreichische Bundeskanzlerin vielen Frauen ein Vorbild war und gezeigt hat, wie es gelingen kann, gläserne Decken zu durchstoßen und auch als Frau ganz an die Spitze zu kommen. Was sie aber auch gezeigt hat – und ich finde, das haben die Nachrufe auf sie sehr deutlich zum Ausdruck gebracht –, war, dass man den Anstand und die Menschlichkeit in keinem Amt, das man bekleidet, vergessen sollte. Brigitte Bierlein hat zeitlebens nicht nur ihre fachliche Kompetenz ausgezeich­net, sie war auch jemand, der Freundschaften intensiv gepflegt hat und auch Menschen, die sie schon vor ihrer Zeit als prominente Person gekannt und geschätzt haben, nicht vergaß. Sie war auch für mich ein großes Vorbild und wird es weiterhin bleiben.

Bevor ich inhaltlich auf das Thema der Aktuellen Stunde eingehe, möchte ich kurz ein paar Sätze zu meiner Person sagen: Ich bin in Klagenfurt am Wörther­see aufgewachsen, habe nach der Matura in Kleßheim in Salzburg das Touris­muskolleg absolviert, bevor ich in Graz Jus studiert habe. Seit 2001 lebe ich mit meinem Mann hier in Wien, habe hier die Ausbildung zur Anwältin absol­viert und bin inzwischen leidenschaftliche und begeisterte Wienerin, wenn­gleich mein Herz auch sehr stark für die Bundesländer schlägt.

In meinem Heimatbezirk Währing bin ich seit 2021 für die NEOS auch als Be­zirksrätin tätig und kenne die Sorgen und Anliegen der Bürger:innen vor Ort. Als selbstständige Rechtsanwältin und Mutter dreier Töchter weiß ich um die manchmal kaum bewältigbaren Herausforderungen rund um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Meine persönlichen Erfahrungen dazu werde ich hier in meiner politischen Arbeit, deren Schwerpunkte die Frau­enpolitik und das Thema saubere Politik sein werden, einbringen.

Nun zum Thema: Ja, der globale Wandel hat uns alle fest im Griff. Wir leben zwar – weltweit – in einer Zeit, die gesamt gesehen noch nie so reich, so sicher und so gesund war wie heute, aber wir sehen auch wieder Krieg in Europa, zunehmende Konflikte zwischen den Global Playern und beängs­tigende Fantasien von Imperialismus, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erleben mussten.

Was kann Österreich in dieser Zeit dazu beitragen, um unseren Konti­nent, unser geliebtes Europa und die Welt sicherer zu machen? – Die Neutralität weckt in den meisten Österreicherinnen und Österreichern nostalgische Gefühle, das geht mir auch so. Seit der Gründung der Zweiten Republik haben wir unser Staatsverständnis und unsere nationale Identität mit dem Begriff der Neutralität verbunden. Neutralität war auch bis in die Achtzigerjahre ein wichtiger Marker der Außenpolitik Österreichs. Österreich fungierte als Brückenbauer zwischen Ost und West und war im UNO-Kontext sehr gefragt.

Ich selbst hatte das Privileg, im Jahre 2000 ein mehrmonatiges Praktikum bei den Vereinten Nationen in New York zu absolvieren, und habe erlebt, wie der damalige Generalsekretär Kofi Annan die Ratifizierung des Römischen Statuts, also die rechtliche Grundlage des Internationalen Strafgerichts­hofs, vorangetrieben hat. Ich habe damals auch persönlich erlebt, wie hoch das Ansehen Österreichs in der UNO damals war.

Österreich beherbergt seit 1980 einen UNO-Amtssitz und bewirbt sich aktuell auch um die nichtständige Mitgliedschaft im Sicherheitsrat für das Jahr 2027/28.

Die UNO ist seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine aber stark unter Druck. Russland torpediert mit seinem Vetorecht im Sicherheitsrat die Hauptaufgabe dieses Gremiums. Während sich UN-Generalsekretär Guterres in Kiew befand, hagelte es dort russische Raketen. Die Position Russlands zur UNO ist also klar.

Was sind Österreichs Beiträge, um ein Funktionieren der UNO auch weiterhin zu gewährleisten, Herr Minister? – Ein Funktionieren der UNO ist gerade auch für Österreich essenziell, weil die UNO der einzige existierende kollektive Sicherheitsmechanismus für Österreich ist. Solange wir nicht bei Artikel 5 des Nato-Vertrags mitmachen wollen und Artikel 42 des EUV nur auf dem Pa­pier existiert, ist die UNO-Charta für uns sicherheitspolitisch von existen­zieller Bedeutung.

Rechtlich gesehen ist in Hinblick auf die Neutralität für Österreich einzig das Verbot aufrecht, einem Militärbündnis beizutreten. Hat Österreich aber seine Verpflichtung der wehrhaften Neutralität erfüllt? – Nein. Über Jahrzehnte wurde das österreichische Bundesheer zu Tode gespart. Im Falle eines Angriffs könnten wir uns nicht einmal mehr verteidigen.

Präsidentin Margit Göll: Redezeit!

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (fortsetzend): Wie verhält es sich mit der Bedrohungslage Österreichs? Wie sind denn die Erzählungen einzuschätzen, dass uns die Neutralität vor einem Angriff schützt? – Die Antwort ist schmerzhaft, aber sehr klar: Diese Erzählungen sind schlichtweg falsch. Dabei meine ich nicht nur diverse Sicherheitsbedrohungen wie Desinformations­politik, ich meine ganz konkret die Frage, ob das österreichische Staatsge­biet sicher ist.

Im europäischen Ausland hat einzig und allein ein Staat vehementes Interesse daran, dass Österreich seine Neutralität beibehält, und das ist Russland.

Präsidentin Margit Göll: Ich bitte um den Schlusssatz!

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (fortsetzend): Die neue Regierung wird sich der Aufgabe Diskussion der österreichischen Sicherheitspolitik stellen müssen, um die Sicherheit unseres Landes zu ge­währleisten. – Danke. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

10.23

Präsidentin Margit Göll: Ich darf bekannt geben: Der Herr Bundesminister musste wegen dringender familiärer Angelegenheiten weg.

Die Aktuelle Stunde ist somit beendet.