11.11

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich persönlich wirklich sehr, dass wir heute etwas so Wichtiges beschließen, und das einstimmig, nämlich die dringend notwendige Hilfe und Unterstützung für Frauen in einer absoluten Ausnahmesituation.

Ja, ein Schwangerschaftsverlust – wir haben es schon mehrfach gehört, aber man kann es gar nicht oft genug betonen – kann ein extrem belastendes Ereignis im Leben einer Frau sein, nämlich sowohl psychisch als auch körperlich. Aus diesem Grund erweitern wir den Hebammenbeistand auf Fehlgebur­ten nach der 18. Schwangerschaftswoche. Das ist ein wirklich wichtiger Schritt, denn wir dürfen betroffene Frauen einfach nicht alleinlassen.

Immerhin zwischen 12 und 24 Prozent aller Schwangerschaften enden durch einen Schwangerschaftsverlust oder eine Fehlgeburt frühzeitig, und da sprechen wir nicht von den unbekannten, von den unbemerkten Fehlge­burten, bei denen die Frauen vielleicht noch gar nicht einmal wussten, dass sie schwanger sind, sondern diese Zahl betrifft die Schwangerschaften, die schon festgestellt wurden.

Auch wenn es wünschenswert wäre, dass die Frauen in dieser Situation durch ihre Familie, durch Freunde aufgefangen und unterstützt werden, so ist es doch leider immer noch so, dass das Thema Fehlgeburten und auch frühe Fehlgeburten Tabuthemen sind. Dadurch haben diese Frauen, die betrof­fenen Frauen, nicht nur die seelische und die körperliche Belastung, sondern zusätzlich auch noch das Gefühl, die Situation alleine stemmen zu müs­sen; und oft haben sie auch noch Schuldgefühle, weil ihr Körper diese Schwan­gerschaft nicht halten konnte.

Wie läuft das denn bisher ab? – Da kommt vielleicht eine Frau von einem Kontrolltermin nach Hause, bei dem sie erfahren hat, dass der Herzschlag ihres Babys nicht mehr zu hören ist, nicht mehr zu sehen ist. Sie wird nach Hause geschickt, vielleicht mit einer Überweisung zur Kürettage. Vielleicht hört sie auch zum ersten Mal von der Möglichkeit, dass sie die ganze Sache quasi aussitzen kann und abwarten kann, ob ihr Körper die Schwangerschaft selber beendet.

Sagen wir, sie entscheidet sich dazu, ihren Körper mit der Situation sel­ber zurechtkommen zu lassen. Das kann von vielen Tagen bis zu Wochen dau­ern – Tage, in denen sie zusätzlich womöglich immer noch zum Beispiel unter Schwangerschaftsübelkeit leidet oder Unterleibsschmerzen hat.

Dann setzt wie gesagt oft erst nach vielen Tagen die Geburt ein – denn jeder Schwangerschaftsverlust ist eine Geburt. Wenn sich die Frau dann in die­ser Situation doch unsicher fühlt und ins Spital geht, hört sie dort vielleicht noch einmal den Vorwurf, warum sie nicht gleich gekommen ist und überhaupt so lange zugewartet hat. Dann Narkose, Kürettage, nach dem Aufwachen nach Hause – und das war’s dann mit der Begleitung. Noch ein paar Tage Kran­kenstand, und dann sollte auch schon wieder alles okay sein.

Das ist es aber eben oft nicht! Ein Schwangerschaftsverlust ist wie schon erwähnt wirklich eine Geburt und sollte auch so begleitet werden – davor, wäh­renddessen und danach –, und das eben durch jene Fachfrauen, die da­für ausgebildet sind. Hebammen sind in dieser schwierigen Zeit eine wichtige Unterstützung. Sie beraten, sie betreuen und sie pflegen körperlich. Sie begleiten den Trauerprozess, aber auch die körperlichen Veränderungen. Sie kümmern sich um Rückbildung und Heilvorgänge nach der Geburt. Und das schaffen wir jetzt mit den vorliegenden Gesetzesänderungen zumindest für Fehlgeburten nach der 18. Schwangerschaftswoche.

Der von mir skizzierte mögliche Ablauf zeigt auch, wie wichtig die weite­ren Maßnahmen sind, die im Ministerrat beschlossen wurden, um Frauen bei Fehl- und Totgeburten umfangreich und bestmöglich von Anfang an zu begleiten und zu unterstützen. Da gibt es die Weiterbildungsoffensive für Ärztinnen und Ärzte und auch für Hebammen – ganz wichtig –, speziel­le Weiterbildungen für Beraterinnen und Berater bei Familien-, Frauen- und Mädchenberatungsstellen; es werden Richtlinien und Leitfäden für Ärztinnen und Ärzte erstellt, auch ganz wichtig, denn diese sind meistens die ersten Ansprechpersonen von betroffenen Frauen. Eine Broschüre wird erstellt – „Stille Geburt oder Tod des neugeborenen Kindes“ –, die in Krankenhäusern aufliegen soll. Das soll nicht nur Information für betroffene Eltern sein, sondern auch zur Bewusstseinsbildung und zur Ent­tabuisierung beitragen, das einfach sichtbar machen.

Als besonders wichtig erachte ich auch die Einrichtung der interdiszi­plinären Arbeitsgruppe, die sich damit beschäftigt, wie eine Erweiterung der Definition Totgeburt erfolgen kann und die Ansprüche betroffener Frauen auf Wochengeld, Kündigungs- und Entlassungsschutz, auf Mutterschutz prüft.

Alles in allem ist das also ein wirklich sehr gutes und ganz wichtiges Paket, und wie schon gesagt freue ich mich über die breite Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Obrecht.)

11.16

Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.

Als nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Manuela-Anna Sumah-Vospernik zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.