11.29
Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen vor den Bildschirmen! Zuallererst möchte ich meiner Vorrednerin Claudia Arpa danken, allerdings nicht für ihre Ausführungen und schon gar nicht dafür, dass die SPÖ gegen die Einrichtung und Förderung von Gewaltambulanzen ist – sie bringt seit vier Jahren Anträge dahin gehend ein, war aber davor zig Jahre in der Regierung, und in dieser Zeit wurden keine Gewaltambulanzen eingerichtet (Ruf bei der SPÖ: Oh, es ist Wahlkampf! – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) –; ich möchte ihr vielmehr für ihre wichtige Arbeit in einem Frauenhaus und ihre Vernetzungsanstrengungen danken, die sie damals als Präsidentin des Bundesrates mit Blick auf die österreichischen Frauenhäuser unternommen hat. – Vielen Dank dafür! (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)
Apropos Präsidentin: Ich möchte mich auch bei ihr bedanken; jetzt ist sie nicht da, dann werde ich das in meiner nächsten Rede machen. Ich möchte mich auch bei Elisabeth Grossmann bedanken, sie ist auch nicht da, dann mache ich das auch in meiner nächsten Rede.
Zum Gewaltambulanzenförderungs-Gesetz: Wir wissen – ich habe es auch hier schon öfter gesagt –, 90 Prozent aller Verfahren, die Frauen angestrengt haben, weil sie Gewalt ausgesetzt waren, nämlich in ihren eigenen vier Wänden, oft leider auch sexualisierte Gewalt erfahren haben, wurden eingestellt. Nur jedes zehnte Verfahren endete mit der Verurteilung des Täters: aber nicht deswegen, weil festgestellt wurde, dass der Täter unschuldig ist – das wäre schön –, sondern deswegen, weil das Verfahren im Zweifel für den Angeklagten, aus Mangel an Beweisen geendet hat. Ein Mangel an Beweisen bedeutet, es lagen zu wenige Zeug:innenberichte vor oder die Verletzungen wurden nicht oder schlecht dokumentiert und konnten für das Verfahren nicht verwendet werden.
Da wollen wir mit der Förderung von Gewaltambulanzen Abhilfe schaffen, nämlich insofern, als alle Personen, die von Gewalt betroffen sind, sich dort kostenlos und rund um die Uhr, sieben Tage die Woche gerichtsmedizinisch untersuchen lassen können. Egal, ob danach Anzeige erstattet wird oder nicht, diese gerichtsfeste – so nennt sich das – Dokumentation von Gewaltanwendung bleibt kostenlos.
Das ist der wichtige Punkt: Es geht um diese gerichtsmedizinische Untersuchung, es geht nicht um Opferschutz in dem Sinne, dass Leistungen im Spital zur Heilung und zur Vorsorge erbracht werden, sondern es geht um die gerichtsmedizinische Untersuchung, das heißt, um die Beweissicherung der Verletzung, damit der Beweis genügend Aussagekraft vor Gericht haben wird und außer Zweifel gestellt werden kann, dass die Frauen oder Kinder durch Fremdeinwirkung Gewalt ausgesetzt waren. Genau das ist das Neue.
Eine weitere wichtige Funktion dieser Gewaltambulanzen ist, dass sie den Frauen Aufklärung und Unterstützung dahin gehend bieten, wo sie weitere Hilfe bekommen können. Das ist auch deswegen so wichtig, weil jedes Gespräch mit kompetenten Menschen helfen kann, diese Gewaltspirale zu durchbrechen. Wir haben es eh auch vorhin von Kollegin Arpa gehört: Auch in den Frauenhäusern werden diese Gespräche geführt. Das ist deswegen so wichtig, da so vielleicht zum ersten Mal überhaupt bemerkt wird, dass es nicht normal ist, unter Druck gesetzt oder kontrolliert zu werden, geprüft zu werden, geschlagen zu werden, und dass man nicht selbst schuld an der Gewalt ist oder sie gar provoziert. Schuld ist immer der Täter. Jedes solches Gespräch hilft – es hilft und es ist ein erster Schritt, sich aus einer gewaltvollen Beziehung zu lösen.
Mit dem heutigen Gesetzesbeschluss kann der Bund nun Förderverträge, die sehr lange, mit sehr vielen Experten nach bestimmten Standards ausgearbeitet wurden, mit Einrichtungen abschließen, die dann als Gewaltambulanzen fungieren können. Das heißt, es können auch bereits bestehende Projekte in Krankenhäusern in diesem Bereich weiterhin finanziell abgesichert werden. Das ist wichtig, da das bekannte Anlaufstellen sind, die damit erhalten werden. Es können aber auch neue errichtet werden. In Wien wird es ab Herbst eine fixe Stelle geben, in Graz gibt es bereits eine. Diese zwei Stellen, aber grundsätzlich auch alle zukünftigen Stellen werden mobile Teams haben, die auch in den Ländern unterwegs sein werden, um dort diese Dokumentationen durchführen zu können.
Im Ausschuss – wir haben es gehört – gab es große Kritik daran, was sehr schade ist, denn es sollte eigentlich große Freude herrschen. Diese Kritik bezog sich einerseits darauf, dass nicht sofort und überall in Österreich ausgerollt wird. Wie auch schon eingangs frage ich mich auch da, warum das nicht schon im Zuge von früheren Regierungsbeteiligungen gemacht wurde, warum das Thema erst heute aufs Tapet kommt, obwohl es das Thema leider schon sehr lange gibt, es altbekannt ist.
Die andere Kritik war, dass es zu wenig Personal gibt. Auch das ist ein – sage ich einmal – Henne-Ei-Problem, denn ich kann nicht Personal schulen, wenn es diese Einrichtungen nicht gibt. Es passiert aber jetzt beides gleichzeitig, und es sind vier Ministerien – wir haben es eben gehört: auch das Bildungsministerium – Teil dieser gemeinsamen Arbeitsgruppe, um genau dafür zu sorgen. Wir wissen genau, dass das ein großer Kraftakt ist.
In Wien und Graz gibt es schon ähnliche Projekte, sie werden noch an die einheitlichen Standards angepasst. Das geht natürlich schneller, wenn es diese Projekte schon gibt. Sie dienen als Pilotprojekte, um so schnell wie möglich in den Westen, nach Innsbruck, nach Salzburg, auszurollen. Auch dahin gehend gibt es schon Gespräche, natürlich wird an einer österreichweiten Versorgung und auch an einer rechtlichen Absicherung gearbeitet. Das ist das Ziel.
Das Wichtige ist, es geht nicht um die medizinische Erstversorgung, die ist natürlich immer gewährleistet, sondern es geht um die gerichtsmedizinische Feststellung von Gewaltanwendung, darum, diese gerichtsfest zu machen und als klaren Beweis im Verfahren verwenden zu können.
Zum Schluss möchte ich mich noch ganz eindringlich an den Innenminister wenden (Bundesrat Spanring: Ihr seids mit ihm in der Regierung!) – vielleicht hören Sie es oder es wird an Sie weitergeleitet –: Schulen Sie Ihre Polizistinnen und Polizisten, schulen Sie sie, damit sie den Frauen schon bei der Anzeige größtmögliche Unterstützung geben können, damit sie sie über juristische und psychosoziale Angebote informieren können, aber vor allem dahin gehend, dass sie die Anzeigerinnen ernst nehmen und so viele Beweise wie möglich sammeln! (Bundesrat Spanring: Das ist jetzt eine Unterstellung gegen die Polizei! Das ist typisch grün!) Mehr Beweise führen zu besseren Verfahren, zu höheren Aufklärungsraten und Verurteilungen, bessere Verfahren führen natürlich wiederum zu mehr Anzeigen. So werden sich Frauen eher an die Polizei um Hilfe wenden.
Schließlich werden, wenn es mehr Verurteilungen gibt, die Gefährder vielleicht nicht mehr so leicht zuschlagen. Genau darum geht es, um die Verhinderung von Gewalt, genau das ist Prävention, genau das ist das Wichtige. Daher sind die Gewaltambulanzen als ein Puzzleteil von vielen in der Gewaltprävention so wichtig. Bleiben wir dran, nutzen wir alle Instrumente im Gewaltschutz! Vielleicht entscheiden auch Sie sich um, liebe SPÖ, und stimmen für die Gewaltambulanzen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
11.38
Vizepräsident Dominik Reisinger: Als nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Barbara Prügl zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte.