12.01

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab ist zu sagen, dass die Einführung von Gewaltambulanzen natür­lich wünschenswert ist und das Projekt und damit auch die vorliegende Gesetzesinitiative von uns NEOS unterstützt werden.

Schade ist allerdings, wie diese wichtige Neuerung eingeführt wurde: als Anlass­gesetzgebung, ohne Begutachtungsverfahren, ohne Einbindung von Expertinnen und Experten und auch in Kenntnis der Tatsache, dass die für diese Gewaltambulanzen notwendige Anzahl an Gerichtsmedizinerinnen und ‑medizinern gar nicht vorhanden ist.

Die Gewaltambulanzen sind mit einem minimalen Budget ausgestattet, das noch dazu in Wahrheit nur für die kommenden Monate gesichert ist. Es fehlt an einer flächendeckenden Versorgung, sodass in der Bevölkerung der Eindruck entstehen kann, dass es eine Ungleichbehandlung zwischen der Bevölke­rung im Osten und im Westen Österreichs gibt, was ja auch im Ausschuss schon thematisiert wurde.

Wenn die derzeit unterirdisch niedrige Verurteilungsrate durch die Einführung von Gewaltambulanzen verbessert werden kann, ist das natürlich gut, wichtig und richtig, aber dem Thema Gewalt an Frauen begegnet man nicht mit der Anhebung der Verurteilungsquote. Die Plattform Siolence – zusammengesetzt aus den Wörtern violence und silence – hat zuletzt aufgezeigt, dass in Österreich Hunderttausende Frauen im Stillen mit Gewalt leben. Sie werden gedemütigt, bedroht und so weiter, und zwar vom eigenen Partner, vom eigenen Vater, vom eigenen Opa, vom eigenen Bruder oder von einem Unbekannten. Die Opfer schweigen oft, weil sie sich genieren oder keinen Ausweg sehen, und die Gesellschaft schweigt viel zu oft, weil Gewalt gegen Frauen immer noch ein Tabuthema ist oder als solche gar nicht wahrgenommen wird.

Gewalt ist ein Kreislauf, der uns als Gesellschaft alle betrifft. Wie können wir als Gesellschaft der zunehmenden Gewalt gegen Frauen entgegenwirken? – Es braucht dazu nicht nur eine umfassende Strategie gegen Gewalt, klare Zu­ständigkeiten und ausreichende Budgets, sondern auch einen klaren Fahrplan für Männerprävention und viel mehr Aufklärung und Bewusstseinsar­beit in der Gesellschaft.

Feminismus ist Männersache. Ich habe diesen Satz hier im Bundesrat bereits von Kollegen Mertel gehört, der, glaube ich, Kollegen Schreuder zitiert hat. Feminismus muss tatsächlich Männersache werden. Warum? – Weil sich Feminismus für unsere ganze Gesellschaft lohnt. Wie Sie sicher wissen, ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen, belegen Studien von McKinsey, WHO und UN übereinstimmend, dass Feminismus unsere Gesellschaft reicher, gesünder und friedlicher macht.

Damit wir als Gesellschaft zu einer gleichberechtigten Gesellschaft wer­den, muss aber zuerst das Bewusstsein dafür, was Gewalt an Frauen schon alles ist, geschärft werden. Gewalt an Frauen endet vielleicht in den Gewalt­ambulanzen, aber sie fängt schon viel früher an: bei Beleidigungen, Erniedrigun­gen, Demütigungen.

Deshalb ist es zum Beispiel auch wichtig, dass wir Bundesrätinnen und Bundesräte hier im Saal mit gutem Beispiel vorangehen. Insbesondere: Wenn Ministerinnen anwesend sind, dürfen diese zwar in der Sache hart kritisiert werden – das ist klar –, aber sie dürfen nicht mehr durch die Abwertung zum Beispiel ihres optischen Erscheinungsbildes beleidigt werden. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.) Auch wenn wir hier strafrechtliche Im­munität genießen: Das darf es nicht mehr geben.

Wohin müssen wir als Gesellschaft uns also entwickeln? – Der Gentleman – übersetzt: der sanfte Mann – 2.0 oder der Ehrenmann, wie die Jugend sagt, 2.0 muss ohne Wenn und Aber für uns Frauen einstehen. Er muss zum Wohle unserer ganzen Gesellschaft aufstehen, wenn er Gewalt an Frauen in welcher Form auch immer erkennt. Wir Frauen müssen auch aufstehen, wenn wir Gewalt an Frauen in welcher Form auch immer erkennen. Wir dürfen nicht weiter schweigen, denn wer schweigt, spielt mit.

Die geplanten Gewaltambulanzen sind daher ein sehr guter, überfälliger Schritt in die richtige Richtung und werden von uns NEOS unterstützt.

Schade ist, dass dieses wichtige Gesetz tatsächlich vorerst nur eines ist: der erste Schritt in die richtige Richtung. – Danke. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Mertel.)

12.05