14.50
Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es ist halt so: Die Regierung ist an einer Menge gescheitert, aber woran sie wirklich auch gescheitert ist, ist der Zugang zur Digitalisierung. Warum das derartig schlecht für die Gesamtentwicklung in diesem Land ist, darf ich ganz kurz, auch anhand dieses Gesetzes, das jetzt vorliegt, erklären.
Es ist so: Wir sind natürlich in einer großen Bewegung der Digitalisierung, der neuen Veränderungen durch künstliche Intelligenz. Da ist es wichtig, dass man niemanden zurücklässt. Das ist der wichtigste Punkt, denn wenn man Menschen auf welcher Ebene auch immer zurücklässt – sei es zum Beispiel im Bereich der Arbeitslosenversicherung, weil ein Drittel der arbeitslosen Menschen keinen Zugang zur digitalen Welt hat, keine Möglichkeit hat, ein Handy zu haben oder mit dem PC umgehen zu können, sei es auch in allen anderen Belangen, wo man Zugänge zu bundesstaatlichen Regelungen einfach nur in der digitalen Welt erreichen kann –, dann ist das ein ganz, ganz großer Fehler, weil wir alle mitnehmen müssen, wenn wir den digitalen Wandel gestalten wollen. Jede einzelne Person, die wir nicht mitnehmen, ist eine Person, die sich abgehängt, zurückgesetzt, diskriminiert fühlt. Das wollen wir nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.) Wir müssen beim digitalen Wandel vorangehen.
Es war nicht klug, für den Zugang zu den Leistungen des Bundesschatzes, zum Handwerker:innenbonus und zu welchen Leistungen auch immer, die da sind, nur die digitale Möglichkeit zu eröffnen. Das war ein riesiger Fehler.
Ich weiß, dass Sie jetzt zurückrudern und versuchen, das irgendwie anders zu lösen, aber da geht es um das Gefühl: Ich bin nicht dabei! Ich bin ein älterer Mensch, ich schaffe das nicht, ich bin nicht dabei! Ich bin ein arbeitsloser Mensch, ich habe Qualifikationen, aber ich schaffe es nicht digital! Das regeln Sie da jetzt auch so.
Es wurde im Ausschuss natürlich gesagt: Nein, Anträge und Beratungen können nicht nur digital gemacht werden, sondern, nein, es wird auch in anderer Form möglich sein! Man kann auch live ins AMS kommen! – Das stimmt, das ist noch immer möglich, aber Sie haben in den Gesetzestext hineingeschrieben: „vorrangig“. Das heißt, wir wissen, wohin der Weg geht und dass sich die Gruppe der arbeitslosen Menschen, die eh in einer wirklich schwierigen Situation sind, aufteilt: in jene, die es schaffen, und jene, die es nicht schaffen.
Das wollen wir nicht, das ist nicht der richtige Zugang. Der Wandel muss mit sehr viel Verstand und sehr sensibel gestaltet werden und nicht mit Ho-ruck-Aktionen, wie es jetzt auch bei diesem Gesetz wieder der Fall ist.
Wir wollen niemanden zurücklassen. Wir wollen auch jenen, die vielleicht andere Fähigkeiten – nicht digitale – haben, Chancen auf dem Arbeitsmarkt geben, weil wir sie auf dem Arbeitsmarkt brauchen. So vorzugehen war wiederum in Ihrer gesamten Strategie beim Umgang mit Digitalisierung absolut nicht klug.
Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sagen: Lassen wir niemanden zurück! Schauen wir, dass wir in diesem Wandel alle mitnehmen, dass wir nicht das erzeugen, was die äußerste Rechte nährt, nämlich das Gefühl, zurückgesetzt zu sein, nicht dabei zu sein und ohnmächtig zu sein! Dadurch entstehen Wut und Angst, und das bereitet den Boden für alle antidemokratischen Kräfte. Ich bin mir sicher, dass wir alle, die wir hier im Saal sind, das nicht wollen. (Beifall bei der SPÖ.)
Noch eines lassen Sie mich sagen: Es geht um die Frage der Lohnnebenkosten. Das ist eine ganz wichtige Frage. Wir als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sagen, es sind die Lohnnebenleistungen. Wir wissen, im Dauerregen wird jetzt ganz, ganz viel Geld in die Bewerbung der Senkung der Lohnnebenkosten gepumpt. Unternehmensvertreter und Politiker der ÖVP überschlagen sich förmlich in der Forderung nach einer Senkung der Lohnnebenkosten. Begründet wird das – das klingt ja so schön – mit einem Mehr im Geldbörsel für die Beschäftigten und einem sicheren Standort.
Achtung! Ich sage ganz, ganz deutlich: Achtung! Das ist ein Schmäh. Das ist nicht die Realität (Beifall bei der SPÖ), sondern bei der Frage der Senkung der Lohnnebenleistungen geht es um die zukünftige Finanzierung Ihrer Pensionen, Ihrer Gesundheitsversorgung, des Arbeitslosengeldes und damit auch der Mittel für Qualifizierung, Ihrer Unfallversicherung, wenn einmal etwas passiert, der Wohnbauförderung, die wir so dringend brauchen, Ihrer Familienbeihilfe, Ihres Kinderbetreuungsgeldes, der Gratisschulbücher, der Freifahrten und auch um das Geld für Städte und Gemeinden. Das wird daraus finanziert.
Auch das sei klar gesagt: Es wurden in den vergangenen Jahren die Lohnnebenkosten bereits gekürzt. Seit 2015 entgehen dem Staat in Summe 16 Milliarden Euro, die man für den Sozialstaat hätte verwenden können.
Jede Kürzung der Lohnnebenkosten reißt ein Loch in die Finanzierung des Sozialstaats. Was passiert? – Das Bundesbudget muss aushelfen, und wir wissen alle, in welcher Situation unser Bundesbudget ist.
Da sind wir beim nächsten Punkt, an dem diese Regierung gescheitert ist: Ein derartiges Defizit ist unglaublich. Sie geben der nächsten Regierung ein Defizit mit, das sie kaum noch handlungsfähig macht und verpflichtet, in Sparprogramme zu gehen. Wo werden wir denn dann sparen? Wo wird es denn sein, wo gespart werden soll? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Es werden dann wieder die Sozialleistungen sein, die Sie angreifen werden.
Also all jene, die sagen: Bitte die Lohnnebenkosten senken!, sollen auch sagen, was an Leistungen dann nicht mehr für die Menschen zur Verfügung steht. (Beifall bei der SPÖ.) Das möchten wir gerne wissen, aber bisher haben wir von niemandem, so oft dieses Thema der Senkung der Lohnnebenleistungen diskutiert wurde, diese Auskunft bekommen: Ja, aber dann müssen wir halt bei den Gesundheitsleistungen, bei den Kindern, bei den älteren Leuten sparen! – Das wird nicht gesagt. Es klingt sehr schön, aber es ist eine wirklich bittere Pille, die Sie jetzt wunderbar mit Schokolade darüber und rosa Mascherl verpacken. Die Wahrheit ist aber, es ist ein Schmäh.
Ich bin erstaunt, weil gerade die Menschen, für die Sie sich so einsetzen, gerade die Menschen des Mittelstands, die uns als SPÖ auch so wichtig sind, ja dann besonders betroffen sind. Der Sozialstaat ist das Sparbuch für die, die nicht so viel auf dem Konto und kein eigenes Sparbuch haben, weil sie sicher sein können, dass sie die Leistung kriegen, wenn es ihnen nicht gut geht. Das ist ja erkämpft worden, jeder einzelne Schritt davon ist mühsam erkämpft worden. Jetzt stehen wir am Scheideweg: Wie wird es weitergehen? Wird man weiter in die Lohnnebenkosten eingreifen? Werden sie gekürzt werden? Das heißt: Wird es Kürzungen im Sozialstaat geben oder nicht?
Ganz ehrlich, da sieht man die wunderbaren Parallelen bei ÖVP und FPÖ. Auch die FPÖ ist von der Senkung der Lohnnebenkosten begeistert: Unbedingt! Die müssen gesenkt werden! – Da weiß man, warum das Zusammenwirken der ÖVP mit der FPÖ anscheinend so wunderbar ist: weil sie sich in vielen Themen einfach enorm annähern.
Dieser Kampf für den kleinen Mann, die kleine Frau ist ja ein oberflächlicher. Wenn es wirklich um die Interessen der Menschen geht, sind ÖVP und FPÖ ganz gleichgeschaltet. Nicht umsonst hat Herr Kurz jetzt wieder von sich hören lassen, indem er gesagt hat, die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ sei schon das Beste gewesen! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Freilich. (Beifall bei der FPÖ.)
Diese Koalition steht uns wieder ins Haus. (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler.) Diese Koalition steht uns wieder ins Haus und damit die Senkung der Lohnnebenkosten und die Zerstörung des Sozialstaats. Dafür stehen wir als Sozialdemokratie nicht zur Verfügung. (Bundesrat Himmer: Ja, das wäre ja dann eh ohne euch!) – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)
14.59
Präsidentin Margit Göll: Sehr herzlich darf ich Herrn Bundesminister Gerhard Karner hier im Bundesratssaal begrüßen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)
Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung.