15.00

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werter Bundesrat! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich darf jetzt die Dringliche Anfrage der SPÖ-Fraktion einbringen, begründen und die bedauerliche Feststellung, die ja die Grundlage für unsere Anfrage ist, gleich voranstellen: „4.000 fehlende Polizist:innen – handeln Sie endlich im Sinne der Sicherheit, Herr Innenminister!“ (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen damit auf einen Umstand aufmerksam machen, der von sich aus besorgniserregend ist und dem berechtigten Wunsch der Bevölkerung nach mehr Sicherheit, nach mehr Ordnung nicht gerade nachkommt. Es geht uns auch weniger um Kritik als vielmehr darum, hier endlich gegenzusteuern – und zwar jetzt und vor allem spürbar.

Was finden wir derzeit vor? – Die Bevölkerung wächst, die Polizei schrumpft. Das ist eine Entwicklung, vor der wir nicht die Augen verschließen dürfen, und als verantwortlicher Minister dürfen Sie die Sicherheit der Men­schen nicht vernachlässigen und bei der Sicherheit auch nicht sparen. (Ruf bei der ÖVP: Passiert auch nicht!) – Ich erkläre es dann gleich.

Wir wollen mehr Polizei auf der Straße, das ist die zentrale Forderung, und bessere Arbeitsbedingungen für unsere Polizistinnen und Polizisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Innenminister, Sie werden versuchen, das anders darzustellen, aber ich glaube, Sie können das nicht wegreden und wegdiskutie­ren, denn es gibt in diesem Bereich nur eine Verantwortung, und das ist die Verantwortung der ÖVP, weil Sie seit fast 25 Jahren die Innenministerinnen und Innenminister dieser Republik stellen. Und das doch sehr ernüchtern­de Ergebnis – was ist Ihr Ergebnis, Herr Bundesminister? – ist, dass es derzeit circa 4 000 dienstbare Polizist:innen weniger gibt als noch vor vier Jahren. Die Zahlen sprechen diesbezüglich eine klare Sprache: 2020 waren es noch rund 28 600 Vollbeschäftigungsäquivalente, 2023 nur mehr rund 24 600 Vollbeschäftigungsäquivalente.

Ich weiß natürlich – und das wissen auch andere, die Medien verfolgen –, dass Sie hier immer mit anderen Zahlen kommen und argumentieren, zuletzt auch im April, es war nachzulesen. Ich kann Sie aber beruhigen, Herr Innenminis­ter, unsere Zahlen stimmen, und zwar deshalb, weil es Ihre Zahlen sind, die Sie uns mit der Post, also schwarz auf weiß, auch mit Ihrer Unterschrift über unsere parlamentarischen Anfragen übermittelt haben.

Bitte wiederholen Sie Ihre Zahlen nicht – auch wenn sie stimmen, es ist ein anderer Vergleich –, sonst würde es doch aus meiner Sicht peinlich, wenn Sie immer von systemisierten Personalständen reden und wir von dienstbaren Personalständen!

Es ist ganz einfach. Ich frage Sie: Kann eine Planstelle, die nur auf dem Papier existiert, aber nicht von einem Polizisten oder einer Polizistin besetzt ist, für die Sicherheit der Menschen in diesem Land sorgen? – Ich denke, nicht, und ich weiß, dass Sie das auch so wahrnehmen müssen.

Es gibt viele Polizeikräfte, die karenziert sind, die in Mutterschutz sind, im Langzeitkrankenstand oder auch in Ausbildung und eben nicht aktiv für die Sicherheit sorgen können. Ein gutes Beispiel dafür bin ich selbst. Ich habe eine Plandienststelle in meiner Heimat, die ich aber nicht aktiv besetze, weil ich dienstfrei gestellt bin. Genau deshalb kann man diese Kolleginnen und Kollegen nicht zum dienstbaren Personalstand zählen und so tun, als wäre alles in Ordnung.

Die Personalsituation wird also immer angespannter. Davon ist vor allem auch die Bundeshauptstadt Wien sehr betroffen. Zuletzt gab es dort 2023 mehr Abgänge als Zugänge, als Aufnahmen. Man verzeichnete im Jahr 2023 540 Abgänge, großteils durch Pensionierungen oder Versetzungen, und 415 Aufnahmen.

Jetzt möchte ich aber zur Abwechslung etwas Positives hervorheben: Ich spreche Ihnen grundsätzlich das Bemühen nicht ab, junge Menschen für den Polizeiberuf zu gewinnen; nur bin ich der Meinung, dass coole Plakate und Werbespots dafür nicht ausreichen. Es braucht dringend auch attraktivere und bessere Arbeitsbedingungen, um die Personallücken füllen zu können.

Deshalb fordern wir als klares Argument eine Dienstrechtsreform, die den Polizeidienst attraktiver macht und die Rekrutierung von neuem Personal unterstützen soll. Es braucht im Wesentlichen gar nicht so viel: Ein ordent­liches Grundgehalt und weniger Zulagendschungel, und es braucht ein attraktiveres und familienfreundlicheres Dienstzeitmodell, weg von der hohen Mehrbelastung, die es fast unmöglich macht, Familie, Freizeit und Beruf zu vereinbaren.

Ich kann das auch mit Zahlen belegen: Mit Journaldienst und Überstunden leis­ten die österreichischen Polizist:innen mehr als 10 Millionen Mehrdienst­leistungsstunden pro Jahr. Das sind pro Kopf heruntergerechnet rund 374 Über­stunden pro Jahr, also mehr als zwei Monate mehr Arbeitsleistung. Das heißt: Wir brauchen weniger Belastung, mehr Attraktivität für diesen Beruf – und für die Sicherheit unserer Menschen wieder mehr Polizist:innen auf unseren Straßen. (Beifall bei der SPÖ.)

Um das zu erreichen, muss es eine umfassende Rekrutierungsstrategie und zu­sätzlich eine Reform der Regelung für die Teilzeitbeschäftigung geben; denn wir müssen nicht nur neues Personal aufnehmen, sondern auch erfahrenes Personal halten. Da es diese flexible Teilzeitregelung leider nicht gibt, ver­liert die Polizei gut eingearbeitetes Personal. Ein Beispiel dafür: Mit Stand 1.1.2023 waren in Oberösterreich nur 232 Polizist:innen teilzeitbe­schäftigt, weil es hier ganz einfach zu strenge Regelungen gibt.

Wenn Kolleg:innen aus unterschiedlichen, teils auch aus persönlichen Gründen eine Reduzierung der Dienstzeit beantragen, lehnt die Dienstbehörde das in den meisten Fällen ab. Das führt dann dazu – ein Beispiel wieder aus der Praxis –: Vor wenigen Wochen musste eine Polizistin aus Oberösterreich, aus meinem Heimatbezirk, die über 20 Jahre Berufserfahrung hat, ihren Dienst quittieren, weil ihr dieses Ansuchen um Teilzeitbeschäftigung nicht genehmigt wurde.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das kann es im 21. Jahrhundert doch nicht sein! (Beifall bei der SPÖ.) Da muss ein Paradigmenwechsel kom­men, um die Sicherheitskräfte im Job zu behalten und um interessierte junge Menschen zur Bewerbung zu motivieren.

Im Übrigen sieht das auch die FSG Polizei so wie wir. Deshalb hat sie im Mai ein Volksbegehren eingereicht. Ich lade alle, die sich für mehr Personal bei der Polizei starkmachen wollen, dazu ein, dieses Volksbegehren mit der Bezeichnung Polizei – Kritischer Personalmangel persönlich entweder bei ihrem Gemeindeamt oder auch online via ID Austria zu unterstützen.

Sehr geehrter Herr Innenminister, wir stellen Ihnen zu dieser wichtigen Thematik 37 Fragen. Es gibt viel zu tun. Sie stehen in großer Verantwortung, bitte kommen Sie dieser auch nach! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.09

Präsidentin Margit Göll: Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundesminister für Inneres zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.