19.58
Bundesrat Matthias Zauner (ÖVP, Niederösterreich): Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin Edtstadler! Frau Gewessler! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst auch von mir die Vorbemerkung, dass sich die Österreichische Volkspartei natürlich zum Naturschutz bekennt (Bundesrätin Schumann: Na bravo! – weiterer Ruf bei der SPÖ: Ah geh!), und ich möchte auch wirklich eine Lanze brechen für unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, für unsere Landeshauptleute und für all die Aktivitäten, die in den Ländern, in den Städten und in den Gemeinden in Abstimmung, im Einklang mit der Bevölkerung für den Naturschutz, für den Umweltschutz passieren.
Wenn ich jetzt das Bundesland Niederösterreich hernehme, wenn wir jetzt in Bälde Grenzen beschließen, wo nicht mehr verbaut werden darf, wenn ich an die Energie- und Umweltagentur des Landes Niederösterreich denke, die einen hervorragenden Job macht, dann setzt sich das, was hier passiert, aus ganz vielen Mosaiksteinen zusammen.
Warum wir aber heute hier diskutieren, ist ja vor allem wegen des rechtlichen Zusammenkommens dieses Beschlusses. Frau Gewessler, da darf ich gleich am Beginn ganz klar sagen: Recht ist nicht biegsam. Auch nicht vor einem grünen Bundeskongress, wenn man Erfolge braucht, um gewählt zu werden. Recht muss Recht bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren, was Frau Gewessler getan hat (Zwischenruf des Bundesrates Schmid), ist nicht mehr und nicht weniger als ein Rechtsbruch. Gegen eine einheitliche Stellungnahme der Bundesländer – und ich sage das ganz bewusst hier im Bundesrat – und gegen eine Akkordierung mit dem zuständigen Landwirtschaftsministerium zu stimmen, geht nicht, denn es ist einfach nicht rechtens. Das wussten Sie, denn die Stellungnahme des Verfassungsdienstes war eindeutig. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schmid.)
Dann dieser Winkelzug, mit privaten Gutachten diese Erkenntnisse zu übertrippeln, den Juristinnen und Juristen vorzuwerfen, dass sie nicht weisungsfrei agieren würden, den Verfassungsdienst der Republik infrage zu stellen und mit Gutachten zu kommen – wobei es überhaupt schwierig war, Juristinnen und Juristen zu finden, die diese ausstellen –: Das lässt schon ganz tief blicken. Im Vergleich zu Ihnen agiert der Verfassungsdienst nämlich nicht wie eine NGO, sondern arbeitet im Interesse der Republik, unabhängig von Parteien und Interessenvereinigungen. (Beifall bei der ÖVP.)
Und das hat für mich noch eine Dimension: Haben Sie eigentlich hinterfragt, was Sie als auf die Verfassung angelobte Ministerin anrichten? In Wahrheit erschüttern Sie mit dieser Vorgehensweise die Grundfesten unseres Staates. Berechtigterweise muss man eigentlich fragen: Wer soll sich in der Republik eigentlich an Gesetze halten, wenn es auf die Verfassung angelobte Minister:innen nicht mehr tun? (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Himmer: So ist es!)
Deswegen haben wir als Österreichische Volkspartei Frau Gewessler auch wegen Amtsmissbrauch angezeigt. Jetzt gibt es viele, die sagen: Warum haut ihr sie dann nicht raus? (Bundesrätin Schumann: Jetzt sind wir aber schon ganz tief!) Ich verstehe das, ich hätte das in der ersten Emotion auch gerne getan. Was aber wäre denn die Konsequenz? – Die Frau Verfassungsministerin hat es angesprochen: die Gefahr ungeordneter Verhältnisse und das Chaos des freien Spiels der Kräfte im Parlament, wie wir es 2008 erlebt haben. Wir brauchen in dieser Phase, so kurz vor einer Nationalratswahl, aber nicht wieder ein freies Spiel der Kräfte (Ruf bei der SPÖ: Habt eh schon genug aussi g’haut!), wir brauchen Stabilität statt Chaos. Dafür steht der Bundeskanzler und dafür stehen wir als Volkspartei. (Beifall bei der ÖVP.)
Dann gibt es noch einen ganz wesentlichen Grund, warum wir uns nicht zu diesem Koalitionsbruch verleiten lassen haben, und dieser Grund befindet sich in diesem Haus, nämlich 60 Gesetzesvorlagen, die im Parlament liegen und die wir im Interesse Österreichs noch umsetzen wollen. Ich erwähne ganz bewusst eine Gesetzesvorlage im Bundesrat – Bundesrätin Schartel: ja, die kostet Millionen Euro –, und zwar ist das das Gemeindepaket für die Städte und Gemeinden, das angekündigt, mit Städtebund und Gemeindebund akkordiert, aber noch nicht beschlossen ist.
Dieser Gesetzentwurf und auch die anderen brauchen diese Regierungsmehrheit im Parlament, um umgesetzt zu werden. Daher haben wir uns als Österreichische Volkspartei aus Staatsverantwortung (Bundesrat Schennach: Mhm!) gegen den eigentlich logisch notwendigen Schritt entschieden. Aus Staatsverantwortung setzen wir die Zusammenarbeit bis zur Wahl fort, aus Staatsverantwortung verhindern wir ungeordnete Verhältnisse, und wir werden Ihnen, Frau Gewessler, heute nicht das Misstrauen aussprechen, nicht, weil wir Ihnen vertrauen – Sie haben unser Vertrauen mehr als strapaziert –, sondern aus Staatsverantwortung für unser Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren, eine Rolle in diesem Schauspiel gehört natürlich auch beleuchtet, und das ist die Rolle der Bundeshauptstadt Wien. (Ruf bei der SPÖ: Na, jetzt hat es aber lang gebraucht!) Es war ja erst der EU-wahltaktische Schwenk des Wiener Bürgermeisters – in der Hoffnung, dass enttäuschte Grünwählerinnen und Grünwähler, die mit der Show von Frau Schilling wenig anfangen konnten, doch noch umgestimmt werden können – der Auslöser und der vermeintliche Hebel, dass es so gekommen ist, wie es gekommen ist.
Da stelle ich mir schon ein paar Fragen: Was bedeutet das denn für den Donaukanal, der Wien jahrzehntelang vor Hochwasser geschützt hat? – Renaturieren wir den jetzt? (Bundesrätin Schumann: Die ÖVP hat gegen die Donauinsel gestimmt!) Was bedeutet das für den Lobautunnel? – Verabschiedet sich die Stadt Wien von diesem Projekt?
Aus Sicht der Länderkammer stellt sich schon auch die Frage: War es das wert? War es das wert, die Landeshauptleutekonferenz zu torpedieren, war es der abgeschlagene dritte Platz bei der Europawahl wirklich wert? – Das wird die Sozialdemokratie zu klären haben, nicht nur intern. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Eines ist aus Sicht der Länderkammer natürlich ein absoluter Treppenwitz der Geschichte: wenn Frau Gewessler im Alleingang einen Vertrag abschließt, der die Länder, Städte und Gemeinden in die Verantwortung und in die Finanzierung zwingt – der Gemeindebund hat das ja auch schon klar zum Ausdruck gebracht ‑, und als diejenige, die abstimmt, dann in Wahrheit überhaupt kein Risiko, überhaupt keine Verantwortung trägt, sondern sich zulasten der Städte, Länder und Gemeinden dann auch noch als Heldin feiern lässt. In Wahrheit ist es nicht mehr und nicht weniger als ein Anschlag auf die föderale Struktur unseres Staates. Sie haben Aktionismus über Recht gestellt, um ein gutes Ergebnis beim Bundeskongress zu erreichen. Unrühmlicher geht es nicht mehr. (Beifall bei der ÖVP.)
Eines finde ich aus grüner Sicht dann überhaupt speziell – in Wahrheit ist das, was Sie gemacht haben, Politik Marke Kickl –: Dinge versprechen und ankündigen, die gegen das Recht verstoßen, frei nach dem Motto: Das Recht muss der Politik folgen und nicht die Politik dem Recht. Das Dramatische dabei ist, Herr Kickl hat es bis jetzt nur angekündigt, Sie haben es getan, und das ist unfassbar. (Beifall bei der ÖVP.)
Wir hätten diese Legislaturperiode natürlich auch ganz anders beenden können, indem wir das in den Mittelpunkt stellen, was diese Bundesregierung – Grüne und Volkspartei gemeinsam – erreicht hat. (Ruf bei der FPÖ: Gar nichts!) Das war in den vergangenen fünf Jahren immens viel. In krisenhaften Zeiten haben wir es geschafft, diese Republik durch diese Unsicherheit zu führen. Wir hätten diese Regierungsperiode auch so beenden können (Bundesrätin Schumann: Mit einem Budgetdefizit, dass die Tür nicht zugeht ...!), leider haben Sie sich für einen anderen Weg entschieden.
Daher steht für uns klar fest: Österreich braucht in diesen herausfordernden Zeiten eine Bundesregierung, die Recht lebt, die Stabilität hochhält und die Sicherheit gibt. (Bundesrätin Schumann: Genau!) Dafür werden wir als Österreichische Volkspartei in den kommenden Wochen und Monaten werben, und wir werden gemeinsam mit den Österreicherinnen und Österreichern dafür sorgen, dass nach dem 29. September der Bundeskanzler wieder Karl Nehammer heißt (Beifall bei der ÖVP), denn er ist der Garant dafür, dass eine Politik der Vernunft, der Mitte und des Hausverstandes umgesetzt wird.
Eine Schlussbemerkung erlauben Sie mir noch: Ich finde es ehrlich gesagt eine scheinheilige Provokation, dass Sie, während die Verfassungsministerin hier sehr sachlich und sehr sorgenvoll die Entwicklungen betrachtet (Heiterkeit des Bundesrates Gross), schmunzelnd danebensitzen. Auch das ist ein Bild, das Bände spricht. (Beifall bei der ÖVP.)
20.09
Vizepräsident Dominik Reisinger: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Schennach gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte sehr.