20.09
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frauen Bundesministerinnen! Ich bedanke mich für den Bundesrat, dass Sie beide hier sind; das ist eine doch etwas außergewöhnliche Situation, vor der wir stehen.
Eines möchte ich gleich am Anfang feststellen: Der Titel der Dringlichen ist falsch. Das Renaturierungsgesetz gefährdet nämlich in keiner Weise die Landwirtschaft und es gefährdet in keiner Weise die Ernährung unseres Landes. Das ist Humbug. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)
Wer die Ernährung unseres Landes gefährdet, sind die Städte, die Gemeinden und die Länder, indem sie einen unglaublichen Flächenfraß vornehmen. (Beifall bei Bundesrät:innen der Grünen.)
Eine jener Regierungen, die ganz besonders scharf dagegen aufgetreten ist, ist die Tiroler Regierung. Die soll eines einmal erklären: In diesen Tagen stimmte die Tiroler Landesregierung zu, eine landwirtschaftliche Vorsorgefläche von 7,5 Hektar in Gewerbegebiet umzuwidmen. – So schaut’s nämlich aus. Das ist das, was in Wirklichkeit die Ernährungssicherheit gefährdet, und nicht ein Gesetz. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)
Schauen wir uns einmal das Land an: Liebe ÖVP, schaut in den Spiegel! Österreich verliert täglich 18 Fußballfelder an wertvollen Böden. Der Bodenverbrauch ist in den letzten 36 Jahren um 50 Prozent gestiegen. Wir brauchen gar nicht die EM abzuwarten, wir sind nämlich Europameister im Flächenverbrauch. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)
Seit 1987 gingen in Österreich Ernährungsflächen in der gesamten Größe des Burgenlandes verloren. Es sind Alarmglocken, die da eigentlich zu läuten haben. Ich verstehe eine solche Debatte nicht.
Jetzt muss man schon sagen: Liebe ÖVP, hört auf! Hört auf, so viele Lügen über dieses Renaturierungsgesetz zu verbreiten! (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Der Bauernbund betreibt eine Desinformationskampagne der Sonderklasse. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ), und die FPÖ greift das auch noch auf und führt es weiter. All das ist nicht der Fall.
Vielleicht wollt ihr nicht immer alles von mir nehmen. Dann können wir auch gerne zum Beispiel „Die Zeit“ hernehmen. Die anerkannte „Zeit“ schreibt über dieses Gesetz, es sei die „Auferstehung per Gesetz“, also Auferstehung im religiösen Sinne. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt, dieses Gesetz sei eine „große Chance“ für die Landwirte und Landwirtinnen.
Die „Kleine Zeitung“ hat auch über einen interessanten Aspekt geschrieben. Da geht es ja immer darum: Ist das ein Bruch des Rechts? – Die „Kleine Zeitung“ erinnert daran, dass in diesem Land eigentlich nur Dollfuß die Verfassung gebrochen und den Rechtsstaat unterwandert hat, dass dies aber nicht bei dieser Frage der Fall war.
Vorhin hat Kollege Zauner von der Rolle Wiens gesprochen. Es ist nicht nur die Rolle Wiens, sondern auch die Rolle von Kärnten. Beide Bundesländer haben sich entschieden, die gemeinsame Länderstellungnahme zu verlassen. Wonach? – Nachdem alle Verhandler des EU-Parlaments sich auf dieses Gesetz geeinigt hatten. (Bundesrätin Miesenberger: Es wurde im Umweltausschuss dagegengestimmt!) – Bitte? (Bundesrätin Miesenberger: Es wurde im Umweltausschuss dagegengestimmt!) – Ja, aber in den Trilogverhandlungen haben sich die Verhandler des EU-Parlaments geeinigt. Das ist das Wichtige. Bei der wichtigen Abstimmung haben sich dann 15 Mitgliedstaaten, die mehr als 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren, dafür entschieden.
Ich habe ja bei der Dringlichen Anfrage einen Hinweis auf Düngemittel und Pflanzenschutzmittel gefunden. Ich weiß nicht: Hat irgendjemand das gelesen? – Davon steht da überhaupt nichts drin, nicht eine einzige Zeile. Es ist ein Fahrplan, nämlich bis 2030 20 Prozent der geschädigten Flächen und Meeresgebiete wiederherzustellen, bis 2050 alle bedrohten Ökosysteme wiederherzustellen. Da steht überhaupt nichts davon drin (Bundesrätin Miesenberger: Das ist ja das Problem!), aber der Bauernbund hört nicht mit der Desinformation auf.
Die künftige Regierung wird dann Maßnahmen setzen müssen, weil es für die EU-Staaten bindend ist. Dieses Gesetz gibt einen Zeitrahmen vor. (Bundesrat Himmer: Frag den Dornauer!) Man kann es auch anders sagen: Das Renaturierungsgesetz ist ein Meilenstein (Beifall bei SPÖ und Grünen), der nicht mit einem anderen Gesetz oder Plan zu vergleichen ist.
Es geht einerseits darum, die Erhitzung des Klimas bei 1,5 Grad zu belassen, der Natur und der Menschheit nicht weniger als das künftige Überleben zu sichern. Es geht andererseits auch darum, dass es 81 Prozent aller Habitate bereits extrem schlecht geht. Wir müssen das zu Kenntnis nehmen.
Deswegen ist ja das Renaturierungsgesetz so wichtig: um Arten wieder anzusiedeln, Lebensräume zu renaturieren, für die Rückkehr der Bestäuberinsekten – die übrigens für die Landwirtschaft extrem wichtig ist – totes Holz im Wald zu belassen, um CO2 in den Mooren zu speichern und die Wälder miteinander zu verbinden. – All das ist der Kern und der Zweck und das Ziel.
Dieses Gesetz trifft auf zwei ganz wichtige Dinge: Das eine ist, die Klimakrise zu bekämpfen, und das andere ist die Biodiversität. Was nämlich einmal verschwindet, kommt nie wieder. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)
Über 80 Prozent der Gene sind verschwunden. Wir benehmen uns wie beim letzten Tanz auf der Titanic – das geht einfach nicht.
Wenn man jetzt zu der interessanten Diskussion kommt: Die Aussage des Kanzlers war: „Das Votum [...] entspricht nicht dem innerstaatlichen Willen“. – Na, so geht das nicht. Es entspricht vielleicht nicht dem Willen der ÖVP (Zwischenruf des Bundesrates Himmer), aber über 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sind für das Renaturierungsabkommen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja, aber es gibt ... rechtliche Grundlage! – Bundesrat Himmer: Ja, die Mehrheit wird überschätzt!)
Hier an diesem Rednerpult habe ich schon einmal – jetzt schaue ich in Richtung Salzburg – über diese Form des Money Launderings gesprochen, das man Chaletbauten nennt. Beim Pass Thurn gibt es dieses berühmte Wasenmoos. Als der Schutz dieses Mooses mit dem Jahrzehnt des Schutzes der Moore vorbei war, hatte die Regierung keine dümmere Idee, um das einmal so zu sagen, als genau dort ein Chalet für Superreiche hineinzubauen, damit sie schnell hintenherum - - (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Die Landesregierung hat das nicht gemacht!) – Ja, aber es ist trotzdem gebaut worden. Es ist ja nicht so, dass dort nichts gebaut wurde. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Die Gemeinde Mittersill hat das gewidmet!) Ihr hättet das gesamte Moor zerstört, wenn wir nicht eingegriffen hätten. So ist es.
Das ist nichts anderes als das, was in Sankt Johann mit der landwirtschaftlichen Vorsorgefläche passiert. Wenn es irgendwo eine Möglichkeit gibt, dann geht man in die Zerstörung.
Nun kommen wir zurück: Ich komme gerade aus Straßburg. Ich war in den letzten Tagen in Straßburg und bin die ganze Zeit auf diesen seltsamen Brief von Frau Ministerin Edtstadler und Herrn Bundeskanzler Nehammer angesprochen worden. Ich muss ehrlich sagen, sogar egal, von welcher Fraktion sie waren, haben sie dort gefragt: Wieso gebt ihr euch so einem Reputationsverlust hin? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Himmer.) – Lieber Freund, ich habe gute Kontakte in alle - - (Bundesrat Himmer: Ja, ja! Ich habe auch ...!) – Frag deine Nachbarin, sie weiß das besser!
Jetzt kommen wir über diese enorme staatspolitische - - (Bundesrat Himmer: Jetzt bin ich ...!) – Du wirst Fraktionsvorsitzender. Heute bist du ein bisschen leiser, denn noch bist du es nicht. (Heiterkeit und Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
Kommen wir noch einmal kurz auf diese Frage der Nichtigkeitsklage zurück. Schaut euch doch einmal an: Es gibt aus Europa unterschiedliche Gutachten, zum Beispiel aus Deutschland. Da gibt aber keiner dieser Nichtigkeitsklage, die da von Österreich eingereicht wurde, irgendeine Chance, und das ist auch gut so: Wo kämen wir denn hin, wenn Minister und Ministerinnen in den Gremien der Räte, in denen sie Österreich vertreten, nicht abstimmen könnten, wie sie den Auftrag haben, es zu tun? (Beifall bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrat Gfrerer: Den Auftrag!) – Nein, es gibt keine einheitliche Stellungnahme, nachdem zwei Bundesländer gesagt haben: Wir ziehen unsere Zustimmung zurück! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das ist etwas anderes.
Kommen wir aber noch ein bisschen zum Thema. Frau Schartel hat vorhin über möglichst weit weg - - (Bundesrat Gfrerer: Was ist mit dem Auftrag?) Ich wundere mich, dass sich die FPÖ bei diesem Plädoyer der Kollegin beim Lieferkettengesetz ein Nein herausgewürgt hat, wo sie hier gerade von den armen Kinder, die Kobalt abbauen müssen, ein Bild gemalt hat. Warum ist die ÖVP, warum ist die FPÖ so gegen das Lieferkettengesetz, gegen diesen wirklichen Meilenstein?
Frau Bundesministerin Edtstadler, Sie haben von der „Gewessler-Methode“ gesprochen, was ich jetzt nicht gerade sehr charmant finde, denn die „Gewessler-Methode“ ist eigentlich eine ÖVP-Methode. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Die ÖVP-Methode ist, dass Sie nämlich, als es einen sozialdemokratischen Bundeskanzler gegeben hat und wir in einer Koalition waren, sehr wohl ein Privatgutachten gegen den Verfassungsdienst – von Herrn Mazal – in Auftrag gegeben haben. Das heißt, Frau Gewessler hat nichts anderes gemacht als das, was Sie schon vorgemacht und vorgezeigt haben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Gross und Sumah-Vospernik.)
Dann haben wir noch einen amtierenden Minister aus (das S wie ein Sch aussprechend) Osttirol, Herrn Totschnig, dem es schnuppe war, was die Klimaschutzministerin denkt, und einem Landwirtschaftspaket einfach zugestimmt hat (Bundesrätin Miesenberger: Das war umgekehrt ...!), wo er auch eine Harmonie mit der Ministerin hätte herstellen müssen. Das wissen Sie. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Gross und Sumah-Vospernik.)
Ich weiß nicht, warum der Bauernbund da dermaßen nervös ist. Seid froh, dass das Renaturierungsgesetz kommt, denn es hilft euch und der Landwirtschaft, zu überleben. (Bundesrätin Miesenberger: Ja, genau! ... Bergbauern!) Und es hilft uns und der Menschheit, zu überleben. Vor allem: Es wird am Ende des Tages eine riesige Hilfe für die Landwirtschaft werden. (Bundesrätin Miesenberger: Ja, genau!)
Wir sind jetzt ein bisschen beim Hornberger Schießen, dass viele dieser Angriffe ins Leere gehen. Jetzt frage ich mich – wenn der Bauernbund erlaubt, dann stelle ich mir auch Fragen (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von SPÖ und ÖVP) –: Warum wird diese Koalition, die offensichtlich emotional und inhaltlich am Ende ist, weitergeführt? (Bundesrätin Miesenberger: Der Kollege Zauner hat das schon erklärt!) – Ja. Was er gesagt hat, ist ja Schönfärberei. Die wird erstens weitergeführt, damit es hier keine Gesetze gegen die ÖVP gibt, denn die sind sehr wohl möglich. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)
Zweitens: Sie wird weitergeführt, weil es noch einen ganzen Haufen von Posten zu vergeben gibt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik. – Bundesrätin Miesenberger: Ah, geh!) Da wird es einen EU-Kommissar geben, da wird es eine FMA-Aufsicht geben. Da muss man noch einen Minister in die Nationalbank entsorgen. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) All diese Dinge sind noch zu tun.
Ich befürchte, die Grünen wird das noch teuer zu stehen kommen, nämlich die Grünen kommt es teuer zu stehen. (Bundesrat Schreuder: Mach dir keine Sorgen um uns!) Nicht die Republik, aber die Grünen kommt es teuer zu stehen, denn da müssen sie noch einer ganzen Reihe von Personalentscheidungen zustimmen, denen sie vielleicht so nicht zugestimmt hätten.
In diesem Sinne: Meine Fraktion, die Stadt Wien, das Land Kärnten, wir freuen uns, dass es dieses Renaturierungsgesetz gibt (Bundesrat Gfrerer: Doskozil!), das für die, die sich in Wien auskennen, etwas bringt. Bürgermeister Ludwig hat gesagt, wir werden die Liesing wieder zu einem mäandrierenden Fluss machen – das ist im 23. Bezirk, wer sich nicht auskennt. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Und die Donauinsel gibt es dann nimmer! ... Bauern renaturieren!) – Komm! – Wir werden die Liesing dort herausholen, wo sie derzeit in Rohren geführt wird. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Hört einmal!
Ich verstehe es nicht: Sie wollen Landwirtschaft auf Böden betreiben, die meterweise unter Wasser stehen, weil der Boden nicht mehr in der Lage ist, das Wasser aufzusaugen?! Da wollt ihr Landwirtschaft machen? Aber komm! (Beifall bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)
Das ist nämlich Sand in die Augen zu streuen. Ihr könnt mir glauben: Die Österreicher und Österreicherinnen wissen, was Flächenverbrauch heißt, und wissen, wer dafür zuständig ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.) Ihr habt beim Flächenfraß in Österreich überhaupt keinen Widerstand geleistet, sondern ihr schaut, dass ihr eure Schäfchen ins Trockene bringt – aber so wird das nicht gehen. (Bundesrat Tiefnig: Es wird bald keine Schäfchen mehr geben!)
In diesem Sinne kann ich seitens der SPÖ nur sagen: Wir sind froh, dass es zu diesem Beschluss zur Renaturierung gekommen ist, dass es die entsprechende Mehrheit, die dafür auf EU-Ebene notwendig war, gegeben hat. Allen juristischen Spielchen werden wir mit größter Gelassenheit entgegensehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Gross und Sumah-Vospernik.)
20.26
Vizepräsident Dominik Reisinger: Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl ist als nächste Rednerin gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.