20.27

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:in­nen vor den Bildschirmen! Ich finde es schon spannend, dass die FPÖ eine Dringliche einbringt, jetzt aber an der Debatte kaum interessiert ist. (Widerspruch bei der FPÖ.) Ich finde es aber auch toll, dass Herr Kollege Schennach im Herzen noch ein Grüner ist (Heiterkeit bei den Grünen), und ich hoffe, die SPÖ Wien wird sich mit uns für den weiteren Stopp der Lobauautobahn einsetzen. (Beifall bei den Grünen.)

Aber noch vorweg – auch an die FPÖ gerichtet –: Klimaschutz basiert nicht auf Ideologie, sondern Klimaschutz basiert auf Fakten. Ideologie reißt keine Häuser nieder, trocknet keine Felder aus (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel), überschwemmt keine Orte oder vernichtet keine Waldge­biete, sondern das sind die verheerenden Auswirkungen der Klimakrise. Die Natur zu schützen, zu erhalten oder wiederherzustellen hat mit Ideolo­gie gar nichts zu tun. Es ist schlichtweg eine Notwendigkeit, denn wir brauchen eine intakte Natur zum Leben. Und wir sind schlichtweg nichts und niemand ohne Natur. (Beifall bei den Grünen. – Anhaltende Zwischenrufe der Bundesrätin Schartel.)

Das Schöne bei der EU-Renaturierungsverordnung ist, dass es um ganz Europa geht. Es geht um Wälder, Moore, Flüsse, Wiesen, Meere und die Lebens­räume von Tieren und Pflanzen von der Ostsee über die Alpen bis zum Mittel­meer. Es geht darum, dass die Luft, die wir atmen, und die Wolken voller Hagel und Starkregen keine Grenzen kennen, und es geht darum, das für uns unerlässliche und existenzielle Kapital der Natur in der gesamten Union zu schützen, zu bewahren und zu verbessern. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

Ich schließe an Kollegen Schennach an. Ich habe es auch letztes Mal schon gesagt: Jedes Jahr betonieren wir eine Fläche zu, die so groß ist – ich nehme jetzt Kärnten her – wie der Wörthersee. Jedes Jahr wird ein Wörthersee mehr zubetoniert. Rechnet man den gesamten Bodenverbrauch pro Jahr, sind es sogar zwei Wörtherseen pro Jahr. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Wer glaubt, dass das keine Auswirkungen hat, auch auf die Versorgung, ist realitätsfremd. (Beifall bei den Grünen.)

Daher haben sich die EU-Abgeordneten dafür ausgesprochen, das Ökosys­tem zu bewahren und wieder auszubauen, damit es nicht nur Klimakatastrophen verhindern kann, sondern auch weiterhin die existenziellen Dienstleistungen bereitstellen kann, um unser Leben zu erhalten.

Dabei geht es um das Bestäuben unserer Obstanlagen, um die Säube­rung der Luft durch die Wälder, um das Filtern von Wasser und die Aufnahme von CO2 durch Feuchtgebiete, um die Stabilisierung des Klimas durch Abkühlung und um die Gesundheit der Böden durch Pflanzen und Tiere. Es geht auch darum, Krankheitsrisiken zu verringern und uns vor Pandemien, Naturgefahren und Naturkatastrophen zu schützen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Das sind alles Ereignisse, die nicht nur viel zu viele Menschen­leben kosten, sondern auch Unmengen an Geldern verschlingen. (Beifall bei den Grünen.)

Die Kosten des Erhalts und der Wiederherstellung der Natur sind weit geringer und werden noch dazu, wie wir gehört haben, größtenteils von der EU getragen. Sie sind weit geringer als die Folgekosten, die durch die Zerstö­rung der Natur auf uns zukommen. Das sind harte Fakten, die uns richtiggehend anschreien, endlich ins Handeln zu kommen. Das Renaturierungsgesetz ist ein guter Antrieb dafür. (Beifall bei den Grünen.)

Immer wieder, auch heute, wird von Inszenierung gesprochen. Zu den heutigen zwei Dringlichen Anfragen passt dieser Begriff Inszenierung genau. Die Inszenierung liegt aber jedenfalls dort, wo vor dem Tod der Landwirtschaft und der Gefährdung der Versorgungssicherheit gewarnt wird oder gar vorver­urteilt oder gerichtet wird.

Lesen Sie bitte die Verordnung durch! Herr Kollege Schennach hat Sie auch schon dazu aufgerufen. Sie sagt nämlich dezidiert, dass bei der Wiederherstel­lung landwirtschaftlicher Ökosysteme die nachhaltige landwirtschaftliche Erzeu­gung sicherzustellen ist und Maßnahmen auszusetzen sind, falls sie wirk­lich gefährdet ist. Sie sagt auch, dass die Wiedervernässung von Mooren auf landwirtschaftlichen Flächen freiwillig sein muss. Meine Kollegin von der ÖVP, meine Nachbarin, Kollegin Hutter, ist selbst Bäuerin und sagt, genau das betrifft das Waldviertel sehr stark.

Verzichten wir hier also auf Inszenierung und lassen wir sie dort, wo sie hingehört, nämlich im Theater! Schauen wir lieber dorthin, wo tatsächlich land­wirtschaftliche Flächen und lokale Versorgung zerstört wurden und auch noch werden (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), nämlich durch den Flächen­verbrauch, durch die Versiegelung, wenn Straßen durch Naturschutz- und Waldgebiete gezogen werden oder Parkplätze, Einkaufszentren und Lu­xusimmobilien auf Wiesen und Äckern gebaut werden. Schon 520 Fachmarkt- und Shoppingcenter stehen in ganz Österreich, und sie stehen fast alle auf Feldern, die ursprünglich von lokalen Bäuerinnen und Bauern bewirtschaftet wurden. Die zerstören nicht nur die Natur, sondern auch die lokale Versorgung. (Beifall bei den Grünen.)

Lassen Sie mich noch ein paar kurze Sätze zu den Länderstellungnahmen sagen. Wir sind hier in der Länderkammer und wir wissen: Betreffen EU-Gesetze die Kompetenz der Länder, braucht es die Zu- und Mitbestimmung der Länder. Sie haben, wie Frau Ministerin Gewessler ausgeführt hat, mitbestimmt, und diese Mitbestimmung wurde auch mitgenommen.

Eine solche Zustimmung sollte aber auch demokratiepolitisch erzeugt werden. Sie wird aber stattdessen in den Büros der Landeshauptleute gefasst, abseits der Landtage. (Bundesrat Ruf: Die sind demokratisch gewählt! Die haben ein Mandat!) Da herrscht, würde ich sagen, sicherlich demokratiepoliti­scher Reformbedarf. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Himmer: Zu wenig Basisdemokratie? Deswegen ...!)

Nun liegt es an den Mitgliedstaaten, die Wiederherstellungsmaßnahmen zu planen und umzusetzen. Sie entscheiden, was wo renaturiert oder erhalten werden soll. Erstellen wir also Konzepte im Kleinen, aber auch im Großen, wie wir Bodenversiegelung und Artenverlust endlich stoppen und Renaturierung vorantreiben können! Wir bekommen dafür ja sogar Geld von der EU.

Viele bereits umgesetzte Projekte zeigen, dass wir es können: die Rena­turierung der Ybbs, der Traisen und des Liesingbachs, genauso wie die Belebung und Begrünung von Ort- und Stadtzentren in ganz Österreich oder die Wiedervernässung von Mooren auch in ganz Österreich. Machen wir weiter so! Erstellen wir nationale Wiederherstellungspläne, die die Bedürfnisse der Natur und der Landwirte im Blick haben! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

20.34

Vizepräsident Dominik Reisinger: Als nächste Rednerin ist Frau Bun­desrätin Manuela-Anna Sumah-Vospernik zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.