15.50

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! 2004 wurde in Österreich die Grund­versorgung für schutzsuchende Fremde etabliert. Ab da ging die Flücht­lingsbetreuung im zugelassenen Asylverfahren an die Länder über. Geregelt wurde das Ganze – es ist immer noch so geregelt – mit Quoten in der Unterbringung und mit Tagessätzen für die Unterbringung.

In diesen 20 Jahren – und ich war live dabei – wurde zwischen Bund und Län­dern tatsächlich immer sehr viel Meinung ausgetauscht, wenn nicht ge­stritten. Es wurden Quoten nicht erfüllt, weil zu wenige Quartiere da waren, und die Richtlinien für die Unterbringung in den Ländern sind tatsächlich immer noch von sehr großen Unterschieden geprägt. (Die Bundesrät:innen Schennach und Schumann: Und wer hat’s übererfüllt?) Nur drei Mal in diesen 20 Jahren wurden die Tagessätze in der Unterbringung erhöht.

Die Gelder haben es in der letzten Zeit in vielen Bereichen – darauf komme ich etwas später noch im Detail zu sprechen – nicht mehr möglich gemacht, die Betreuung, die Unterbringung insbesondere für vulnerable Personengruppen, sicherzustellen. Gerade in Oberösterreich habe ich beobachten müssen, wie ein Quartier für unbegleitete Minderjährige, Kinderflüchtlinge, nach dem anderen aufgegeben hat, weil die Kosten einfach nicht mehr zu bewältigen waren.

Dieses Modell der Nichterhöhung – Sie können sich sicher noch daran erinnern – haben wir hier im Bundesrat vor nicht allzu langer Zeit durchbrochen. Damit meine ich, dass es gelungen ist, in Wien das sogenannte Realkosten­modell für die Unterbringung von Schutzsuchenden in den Pilot zu ge­ben. Ich denke, das ist eine Sache, die wir gut beobachten und, wenn sie funk­tioniert, auch in anderen Bundesländern etablieren müssen.

Bis dahin, und das ist wichtig, erhöhen wir heute die Tagessätze für zwei Personengruppen unter den Geflüchteten. Es ist mir ganz besonders wichtig, noch einmal speziell darauf einzugehen: nämlich für Kinderflüchtlinge; das sind in Zahlen, wie wir schon gehört haben, in Österreich 1 460.

Kollege Spanring hat sehr unrichtig behauptet – es ist mir auch wichtig, das jetzt klarzustellen –, dass für österreichische Kinder nicht so viel Geld ausgege­ben würde wie für geflüchtete Kinder. (Bundesrat Spanring: Das ist so! Genau so ist es! – Bundesrat Steiner: Ist leider so!) – Das ist nicht richtig und das möch­te ich jetzt gleich richtigstellen (Bundesrat Spanring: Na komm, dann bitte präsen­tiere Zahlen!): Wenn wir heute den Tagessatz erhöhen, sind es 112 Euro für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und 130 Euro für unbegleitete min­derjährige Flüchtlinge, die im Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe unter­gebracht sind. Der Satz für österreichische Kinder liegt derzeit bei 220 Euro. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Nach Eva Klein würde ich behaupten, dass es eine Differenz zwischen 220 und 130 Euro gibt, aber auch Rechnen fällt manchen Kolleg:innen schwer. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die Tagessatzerhöhung schafft nun tatsächlich in der Realität die Möglichkeit, dass Kinder und Jugendliche nicht mehr für viel zu lange Zeit in der Be­treuung des Bundes verweilen müssen, sondern dass die Bundesländer aufgrund der Tagessatzerhöhung jetzt vielleicht auch in der Lage sind, wieder Quar­tiere zu schaffen. Gerade die engmaschige Betreuung und die Integration vom ersten Tag an ist das, was die Kinder brauchen.

Kinder sind Kinder, egal woher sie kommen! Sie haben die gleichen Bedürf­nisse und die gleichen Anforderungen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Erlauben Sie mir an dieser Stelle noch einen ganz kleinen Exkurs in das Jahr 1989, in dem die UN-Kinderrechtskonvention entstanden ist, die wir übrigens 1992 auch in Österreich ratifiziert haben. Kollege Spanring hat mich dazu motiviert, dass ich das hier jetzt noch schnell ablese:

„Die Kinderrechtskonvention beruht auf vier Prinzipien“, nämlich – und das ist ganz wichtig und wesentlich –: „Das Recht auf Gleichbehandlung: Kein Kind darf benachteiligt werden – sei es wegen seines Geschlechts, seiner Herkunft, seiner Staatsbürgerschaft, seiner Sprache, seiner Religion oder Hautfarbe, einer Behinderung oder wegen seiner politischen Ansichten.“ (Bundesrat Steiner: Weil das Kind politische Ansichten hat!) Und: „Das Wohl des Kindes hat Vorrang: Wann immer Entscheidungen getroffen werden, die sich auf Kinder auswirken können, muss das Wohl des Kindes vor­rangig berücksichtigt werden.“ Ein Kind hat auch das „Recht auf Leben und Entwicklung: Jedes Land verpflichtet sich, in größtmöglichem Umfang die Entwicklung der Kinder zu sichern“, egal woher sie kommen. (Bundesrat Steiner: Aber zugleich für Abtreibung eintreten!) Gerade hier im Bundesrat mit seinem Kinderrechteausschuss beschäftigen wir uns immer wieder mit dem Thema.

Kein Kind sollte über Monate unter schlechten Bedingungen in einem Erstaufnahmezentrum verweilen müssen, nur weil es an finanziellen Mitteln und vielleicht auch dem Willen, eine adäquate Unterbringung und Betreuung sicherzustellen, scheitert.

Daher – und da mache ich jetzt auch noch einen kleinen Exkurs, weil das ganz wichtig ist; in den letzten vier Jahren in der Regierung haben wir auch darauf hingearbeitet und ich glaube, da gibt es jetzt auch Einvernehmen darü­ber – die Obsorge ab dem ersten Tag. Das ist ein so wichtiger Schritt, denn ohne die Bestimmungen der Obsorge ab dem ersten Tag dauert es oft länger als ein Monat – ich kenne Kinder, die ein Jahr sozusagen darauf warten mussten, bis sie in die Obsorge übernommen worden sind.

In dieser Zeit ist unklar, wer dafür zuständig ist, ob diese Kinder in die Schule gehen. Auch die Zuständigkeit bei medizinischen Entscheidungen und die Frage, wer sie in Rechtsfragen vertritt: All das ist in der Zeit, in der die Ob­sorge noch nicht vergeben ist, ungeklärt.

Ganz, ganz wichtig – ich sage es noch einmal und Sie haben recht –: Kinder brauchen Vorgaben und Regeln. Wer kümmert sich in dieser Zeit um die Erziehung und um das Wohlergehen?

Mit dieser Tagessatzerhöhung bevollmächtigen wir heute Organisationen, genau das zu gewährleisten, worüber wir uns alle einig sind, dass wir es brau­chen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Nicht alle!)

So möchte ich jetzt auch schon zum Schluss kommen: Nach 20 Jahren Grundversorgung ist das heute ein wichtiger Schritt für Kinder und für vulnerable Personen, die bitter auf unsere Unterstützung angewiesen sind. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.57

Vizepräsident Dominik Reisinger: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Spanring hebt die Hand.) – Eine Wortmeldung: Herr Bundesrat Spanring, bitte.