11.21
Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehende! Ich freue mich über das Thema dieser Aktuellen Stunde. Ich arbeite jetzt seit über 20 Jahren als Umwelttechnikerin und auch als Unternehmerin mit der Industrie und für die Industrie. Deswegen sage ich auch, wir stehen an einer Zeitenwende. Wir stehen an einer Zeitenwende, ausgelöst durch die wohl größte Herausforderung, vor der wir alle gemeinsam stehen, nämlich der Klimakrise, die unsere menschliche Existenz bedroht, wenn wir nicht handeln. Es geht nur mit der Natur und nicht gegen sie. Intakte Ökosysteme sind die Grundvoraussetzung für unser Überleben und unsere besten Verbündeten im Kampf gegen die Klimakrise. Das ist auch der Grund, warum das EU-Renaturierungsgesetz ein so wichtiges ist. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)
Klimaschutz ist aber nicht nur für uns Menschen eine Überlebensfrage, es ist auch eine Überlebensfrage für die österreichische Industrie und auch für den Industriestandort Europa, denn die Klimakrise hat auch eine sehr, sehr starke wirtschaftliche Dimension. Es geht schlichtweg darum, ob wir in Zukunft noch gut bezahlte Arbeitsplätze in unserem Land haben und ob wir noch Wohlstand in Österreich haben werden.
Warum sage ich das? – Wir sind längst in einem globalen Wettlauf, einem Wettlauf um die grünsten Produktionsweisen und um die klimafreundlichsten Technologien. Genau in diesem Wettlauf sind uns die USA und China in der letzten Zeit mit großen Schritten vorausgeeilt.
Die USA fordern uns mit einem der größten Klimainvestitionspakete, das dieses Land jemals gesehen hat, heraus und schaffen damit eine enorme Sogwirkung auf Unternehmen und auch auf europäische Expertise.
China hat sich in einigen für uns in Europa unglaublich wichtigen Wertschöpfungsketten eine dominierende Rolle erarbeitet. Da müssen wir aufpassen, das müssen wir sehr, sehr ernst nehmen. Wir dürfen nicht zu lange abwarten und zuschauen, sonst werden wir abgehängt und verlieren in Österreich und in Europa den Anschluss.
Die gute Nachricht ist: Klimaschutz ist ein Wirtschaftsmotor. Allein durch den im Augenblick stattfindenden Ausbau der erneuerbaren Energien in Österreich werden 100 000 Arbeitsplätze gesichert und neue entstehen. (Vizepräsident Reisinger übernimmt den Vorsitz.)
Ich habe vorhin davon gesprochen, dass wir an einer Zeitenwende stehen. Dieser eine Punkt ist mir wirklich sehr, sehr wichtig: Diese Zeitenwende müssen wir auch als Chance für die europäische Industrie und für unseren Wirtschaftsstandort begreifen. Unser Anspruch in der Industriepolitik und auch bei der grünen Transformation muss ein ambitionierter sein. Wir müssen im globalen Wettlauf die Nase vorn behalten und wir müssen und wir können den Klimaschutz zu unserem Wettbewerbsvorteil machen. Wir müssen zum Weltmarktführer bei grüner Technologie werden. (Beifall bei den Grünen.)
Wir haben bereits gute Voraussetzungen dafür. Mein Heimatbundesland, die Steiermark, hat mit dem Green Tech Valley Cluster einen Hotspot für innovative Energie- und Umwelttechnologie. (Bundesrat Buchmann: Wer hat den gegründet? Wer hat denn den gegründet?) Viele steirische Unternehmen sind internationale Marktführer im Bereich der Energie- und Umwelttechnik.
Das ist natürlich kein Zufall. Die Steiermark ist auch mit ihren zahlreichen Hochschulen und den hier angesiedelten Unternehmen ein hervorragender Nährboden für junge und innovative Unternehmen. Ich bin auch sehr stolz darauf, dass wir österreichweit die höchste Dichte an Green-Tech-Start-ups haben. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)
Es ist klar, innovative Unternehmen wachsen schneller, schaffen mehr Arbeitsplätze und sind wesentlich krisenrobuster. Viele Unternehmen sind, wie bereits angesprochen, für diese Zeitenwende bereit. Kollegin Lancaster hat heute auch schon ein Beispiel gebracht. Die Voest setzt in Linz und auch in Donawitz auf den Elektrolichtbogenofen. Damit gelingt es, einen energieintensiven Prozess wie die Stahlproduktion zu dekarbonisieren, und Kohle und Koks gehören der Vergangenheit an.
Als Weststeirerin fällt mir auch noch die Firma Wolfram Bergbau und Hütten AG ein, ein wichtiger Arbeitgeber bei uns in der Region. Die Firma Wolfram betreibt in Sankt Martin im Sulmtal schon seit einigen Jahren sehr, sehr erfolgreich parallel zur Gewinnung von hochwertigen Pulvern auf der Basis von Wolfram aus Erz auch das Recycling von Wolframschrotten. Da geht es um Wendeplatten, da geht es um Bohrer, da geht es um Walzringe. In einem innovativen hydrometallurgischen Prozess wird dieser Schrott mit einer sehr, sehr hohen Ausbeute wieder zu einer hochreinen Wolframatlösung aufgeschlossen, die wieder unmittelbar in der Produktion eingesetzt werden kann.
Das spart natürlich Energie und macht dieses Unternehmen auch unabhängiger von Preisschwankungen und Lieferschwierigkeiten am Rohstoffmarkt, und – das darf man auch nicht unerwähnt lassen – der CO2-Footprint von recyceltem Wolfram ist nur ungefähr ein Viertel dessen, was anfallen würde, wenn man das Produkt aus frischem Erz gewinnen würde. Wolfram im Kreislauf zu halten spart also beides, Geld und CO2. Genau das ist der Weg, da müssen wir hin.
Wenn wir in Europa unabhängig werden wollen, brauchen wir die Kreislaufwirtschaft. Eine umfassende Kreislaufwirtschaft macht die Rohstoffversorgung österreichischer Unternehmen sicherer und stärkt unsere Wettbewerbsfähigkeit. (Beifall bei den Grünen.)
Was braucht es dafür von der Politik? – Die Politik muss verlässliche Rahmenbedingungen vorgeben. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit, um die nötigen Investitionen tätigen zu können. Die Unternehmen brauchen vor allem auch eines, sie brauchen Technologieklarheit, keine ständigen Debatten über E-Fuels im Individualverkehr und Verbrennungsmotoren. (Beifall bei den Grünen.)
Wenn ich mir diese Debatten über Verbrenner und E-Autos so anhöre, dann kommt mir immer ein Zitat, das Kaiser Wilhelm II. zugeschrieben wird, in den Sinn. Vermutlich haben es die Habsburger damals ganz ähnlich gesehen: Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung. (Heiterkeit bei Grünen und ÖVP. – Bundesrätin Schartel: Super! – Bundesrat Buchmann: Und der Kickl auch!) – Ja, Kickl denkt wahrscheinlich ähnlich – genau. (Heiterkeit der Rednerin sowie bei ÖVP und Grünen.)
Es darf kein Weiter-wie-bisher mehr geben. Eine Zeitenwende benötigt viel Mut zum Gestalten und auch Mut zur Ehrlichkeit. Wir müssen die Unternehmen in ein neues Jahrhundert begleiten. (Bundesrätin Schartel: Ihr zerstört lieber alles!) Ein wichtiger Schritt war der Transformationsfonds zur Dekarbonisierung der Industrie, den wir auf Bundesebene auf den Weg gebracht haben. Genau diesen Weg müssen wir konsequent weitergehen. Wir müssen unseren Unternehmen ermöglichen, zukunftsfit zu werden; und das möglichst schnell. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)
11.29
Vizepräsident Dominik Reisinger: Zu einer ersten Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.