10.48
Bundesrat Dr. Manfred Mertel (SPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister, zuerst einmal Gratulation zu Ihrem gestrigen Fernsehauftritt! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren zu Hause vor den Empfangsgeräten! Ich habe mir heute eigentlich drei Worte aufgeschrieben, mit denen ich beginnen möchte. Das ist Achtung, das ist Wertschätzung und das ist Respekt. Ich habe mir dann vorgenommen, einen zweiten Satz zu artikulieren und auch auszuführen. Das geht in die Richtung, nicht mit Vorwürfen und Vorhaltungen zu agieren, sondern mit Feststellungen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)
Als Vertreter der älteren Generation – und Kollege Schwindsackl, wir sind beide Jahrgang 1954, ich habe dich jetzt eingeholt, habe im August auch den 70. Geburtstag feiern dürfen (allgemeiner Beifall) – freut es mich aber in erster Linie einmal, allgemeine Dinge zu sagen, weil es sich auch für die ältere Generation gehört, der Jugend Respekt zu zollen. In diesem Zusammenhang darf ich jemanden erwähnen und ich hoffe, dass ich ihm damit nicht schade: Ich möchte meinem Kollegen Sascha Obrecht dazu gratulieren, dass er sein Doktorat bescheinigt bekommen hat, dass er sich jetzt Dr. Obrecht nennen darf. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Ich möchte ihn deswegen als Vorbild für uns alle beziehungsweise für die junge Generation herausstreichen, weil er sein Berufsleben ausgeübt hat, dabei politisch tätig war und eine Familie gegründet hat. Ich glaube, die letzten Jahre waren sehr intensiv für dich und dementsprechend sollte man das auch würdigen.
Ich darf weiters sagen, dass es für mich als Mitglied des Bundesrates auch eine besondere Freude ist, dass Finanzminister Brunner EU-Kommissar wird, einer, der ursprünglich aus unserer Mitte, dem Bundesrat, kommt. Ich war leider damals, als er Mitglied dieser Kammer war, noch nicht im Bundesrat. Auch Kollegin Grossmann darf ich erwähnen. Das ist auch ein Zeichen, wovon ich anfangs schon gesprochen habe, nämlich dass wahnsinnig viel Potenzial in diesen Räumlichkeiten vorhanden ist. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)
Ich darf mich aber auch an Kollegen Spanring wenden und sagen: Als Vertreter der älteren Generation möchte ich auch jenen Herren und Damen, die am Sonntag besonders fröhlich waren, Respekt zollen und ihnen als Demokrat auch dafür danken, dass sie sich einbringen. (Beifall bei der FPÖ.)
Jetzt möchte ich aber zum eigentlichen Thema kommen und anmerken – Kollege Schwindsackl hat das sehr dynamisch ausgeführt und dafür danke ich –, dass es wichtig ist, dass wir in Österreich so ein gutes Pensionssystem haben, das wir uns auch leisten können. Der Herr Bundesminister war eigentlich in all seinen Redebeiträgen, bei denen ich im Saal war, immer ein Verfechter des österreichischen Pensionssystems und hat immer darauf hingewiesen, dass es etwas Besonderes ist. Ich selbst bin im Rechnungshofausschuss gesessen, wo man gesagt hat, die Pensionen sind finanzierbar und das österreichische Pensionssystem ist ein besonders gutes in Europa. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)
Dass wir dieses haben, dafür danke ich mit Respekt. Ich glaube, Herr Kollege Schwindsackl, du wirst dich mir anschließen: Ich bedanke mich hier bei meinen Eltern und Großeltern, die dafür gekämpft haben, dass wir heute über ein tolles Pensionssystem verfügen.
Wenn ich kritisch werden darf, Herr Minister, und da teile ich auch die Meinung, die heute schon vertreten wurde: Es ist für die Pensionist:innen in den letzten Jahren nicht leicht gewesen, die Finanzierbarkeit ihres Lebensunterhalts sicherzustellen. Sie waren wirklich mit einer enormen Teuerungswelle konfrontiert. Das betrifft nicht nur die Lebensmittelkosten, wo ja eigentlich die Gesundheit, das heißt die gesunde Ernährung, im Mittelpunkt stehen sollte, nein, gleichzeitig sind auch die Wohnungsmieten in die Höhe geschnellt; aber das ist nur ein Teilbereich.
Aber wenn man weiter in die Tiefe geht und schaut, welche Leistungen die ältere Generation erbringt, möchte ich gleich einmal bei den Banken beginnen. Ich selbst muss Menschen, die nicht mehr gut sehen, zum Bankomaten begleiten, weil sie die Schrift, die Zahlen nicht mehr lesen können. Und wenn sie zum Bankschalter gehen und dort Geld abheben, wird ihnen das extra verrechnet. Das ist auch eine Form der Altersdiskriminierung, die wir aufzeigen müssen und wo wir die Verantwortlichen auch in die Verantwortung nehmen müssen. Es wird sich irgendwann einmal einspielen, aber noch ist es nicht so weit. Wir reden ja hier von zwei Generationen: von Pensionisten von 60 bis 80 und von Pensionisten 80 aufwärts, die durchaus aktiv sind und durchaus noch am Leben teilnehmen, aber sie haben da große Einschränkungen, und das verursacht auch Kosten.
Ich darf auch in diese Richtung (zur FPÖ blickend) sagen, Kollege Steinmaurer, das möchte ich schon auch erwähnen: Es war Ihre Sozialministerin, die uns vor sieben Jahren gesagt hat, dass die Gesundheitskassen 1 Milliarde plus machen werden, und das Gegenteil von einer 1 Milliarde plus ist eingetreten. (Bundesrat Spanring: Einsparungen haben wir gesagt, nicht plus!) – Einsparungen, okay. Ich will da jetzt nicht in eine Diskussion eintreten, aber der Rechnungshof hat uns gesagt, es ist im Endeffekt 1 Milliarde minus dabei herausgekommen. Damit ist auch das Leben der älteren Generation teurer geworden, das muss man klar festhalten und dokumentieren.
Wenn wir heute von einer Pensionsanpassung, einer Erhöhung von 4,6 Prozent reden, so muss man im Rückblick sagen: Die Senioren haben die erhöhten Lebenshaltungskosten vorfinanziert, das Leben ist ein Jahr lang von ihnen vorfinanziert worden, und sie bekommen jetzt eine Rückvergütung. Ich denke schon, dass man hier Überlegungen anstellen kann, ob das ausreichend ist. Die ältere Generation ist aber immer für eine Verantwortung zu haben, und wenn die Staatskassen wirklich so marode sind, dass nicht mehr als 4,6 Prozent drinnen sind, dann wird sich auch die ältere Generation wieder anschließen und wird sagen: Okay, wir werden auch mit den 4,6 Prozent zufrieden sein.
Das, was aber, glaube ich, nicht geht, meine Damen und Herren, ist – und das sage ich aus tiefster Überzeugung, auch aus Sicht der Pensionisten –, über eine Erhöhung des Pensionsalters zu sprechen, dass wir über das 65. Lebensjahr hinaus arbeiten sollen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen der FPÖ.)
Ich glaube, mit 65 Jahren muss Schluss sein, und ich möchte das auch begründen. Ich möchte das begründen, Frau Dr. Sumah-Vospernik. Jede Gesellschaft braucht Erneuerung, braucht wieder frischen Wind und wir brauchen letztendlich junge Kräfte mit Innovationsgeist und Kreativität in den Positionen. Aber worüber wir nachdenken können, ist Folgendes: Wie können wir nach dem 65. Lebensjahr Menschen beschäftigen, die teilweise ihre Talente weiter ausüben wollen, vielleicht zwei Tage in der Woche, vielleicht zwei Tage im Monat arbeiten wollen und denen wir damit eine dementsprechende Wertschätzung entgegenbringen können? Dafür sind wir jederzeit bereit.
Gestatten Sie mir, dass ich wieder mit einem Fußballvergleich komme: Wenn jemand nicht mehr in einer Kampfmannschaft spielen kann, wird er entweder Trainer oder Funktionär. Ich glaube, wir könnten Modelle entwickeln, mit denen ältere Menschen nach dem 65. Lebensjahr wieder im Arbeitsleben Fuß fassen und mit Leidenschaft auch ihre Hobbys ausüben können. Damit wären sie auch der jüngeren Generation dienlich.
Aber trotzdem eine Klarstellung: Über das 65. Lebensjahr hinaus sollte nicht verpflichtend gearbeitet werden müssen. Das ist unsere Position. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP, FPÖ und Grünen.)
Ich darf nun zu den Aliquotierungsbestimmungen kommen. Herr Minister, ich kann mich noch erinnern, Sie haben sich da wirklich sehr engagiert, und ich möchte Ihnen wirklich danken, weil Sie mit Ihrer Eloquenz und mit Ihrer Frische immer Leben in die Bundesregierung gebracht haben und auch Anerkennung, glaube ich, bei der Bevölkerung gefunden haben. Sie haben uns das versprochen, dass die Aliquotierungsregelungen angepasst werden, wenngleich das nach dem Verfassungsgerichtshoferkenntnis nicht zwingend ist. Ein Verfassungsgerichtshof kann zwar sagen, das ist eigentlich nicht verfassungswidrig, ist auch nicht gesetzwidrig, es passt, aber wir müssen – und da bin ich auch wieder bei meinen Kolleg:innen – mehr auf die Menschen hören.
Ich glaube, da geht es in erster Linie um die Frauen, und wenn wir uns anschauen, wie wichtig die Frauen in unserem Wirtschaftsleben sind, wie wichtig die Frauen in unserer Gesellschaft sind und wie viel sie eigentlich einbringen, ist es mir ein Bedürfnis zu sagen, dass wir schon aus diesem Grund, wenn wir unsere Frauen, das weibliche Geschlecht wertschätzen, in diesem Punkt zu Veränderungen kommen müssen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)
Und was die Schutzklauseln anbelangt – ich glaube, es ist auch angesprochen worden –, eine kritische Anmerkung: Warum das bei jenen, die in die Korridorpension gehen, nicht stattfinden darf, ist wenig nachvollziehbar. Es wird vielleicht Gründe geben, aber die Bevölkerung versteht diese Vorgangsweise nicht. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich möchte zum Schluss kommen und hier jetzt einen Appell an alle richten – ich glaube, Herr Kollege Schwindsackl, ich darf das auch in deinem Namen sagen –: Die ältere Generation wünscht sich mehr Gemeinsamkeit. Die Wahlen sind vorbei, wir müssen die Politik nach der Wahl so fortsetzen, dass sie bei der nächsten Wahl Erfolg hat. Aus diesem Grund glaube ich, wir müssen den Menschen mehr zuhören, wir müssen ihnen intensiver zuhören, wir müssen weniger Technokraten sein und wir müssen in erster Linie sehr, sehr viel in unser Gesundheitssystem investieren, denn Gesundheit muss ein Grundrecht für jeden sein. Da geht es darum, dass die Menschen eine entsprechende ärztliche Versorgung bekommen, dass sie, wenn notwendig, in eine Spitalsversorgung kommen, Aufnahme in einem Krankenhaus finden, sodass sie wieder bestmöglich in den Arbeitsprozess zurückkehren können. Ich glaube, das sind Aufträge, die wir zu erfüllen haben.
Herr Minister, ich möchte mich aber bei Ihnen abschließend bedanken, persönlich bedanken. Ich bin ja erst eineinhalb Jahre hier im Bundesrat, aber ich habe Sie sehr geschätzt, weil Sie eine klare Sprache sprechen. Sie machen klare Ausführungen, die zwar nicht immer unsere Zustimmung finden, aber letztendlich ist Politik auch dahin gehend zu interpretieren, dass man sich bemüht, einen gemeinsamen Nenner zu finden. In diesem Sinne bedanke ich mich und wünsche Ihnen weiterhin sehr viel Erfolg. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrat Mertel schüttelt Bundesminister Rauch die Hand und wünscht ihm alles Gute.)
10.59
Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Maria Huber zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.