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9.11

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister, ich darf meinen höchsten Respekt ausdrücken. Dass jemand aus der Verwaltung übernimmt, ist jetzt glaube ich ein guter Schritt. Ich darf im Namen meiner Fraktion auch unseren höchsten Respekt für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gleich mit ausdrücken, denn ich glaube, dafür ist jetzt eine gute Gelegenheit. 

Das Budget ist ein Trümmerhaufen. Das ist leider ein Faktum, das kann man nicht schönreden, und ich glaube, es wäre klüger, die Dinge jetzt nicht zu verschwurbeln, sondern - - (Bundesrat Buchmann [ÖVP/Stmk.]: Du verwechselst das mit deiner Partei!) – Ich würde wirklich aufpassen, jetzt nicht so viel zu schwurbeln, nicht so viel herumzureden und nicht so viel schönzureden. Es ist jetzt die Zeit der Ehrlichkeit, und es ist nun einmal so, wie das Budget ausschaut: Wir haben einen Schuldenberg von 15 Milliarden Euro, wir haben die Androhung eines - - (Zwischenruf des Bundesrates Buchmann [ÖVP/Stmk.].) – Da kann man jetzt herausrufen, so viel man will: Realitäten sind Realitäten, da gibt es nichts, da fährt die Eisenbahn drüber. Das ist so. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

Wir haben einen Schuldenberg von 15 Milliarden Euro, uns wurde ein Defizitverfahren der EU in Aussicht gestellt. Wir haben große, große Probleme, weil die vorhergehende Regierung einfach Geld ausgegeben hat, das sie nicht gegenfinanzieren konnte. – Kollege Himmer, es ist nicht das Problem der Krisenzeit, wir haben die Problematik, dass strukturelle Ausgaben getätigt wurden, die sich fortschreiben und die jetzt zu einer extremen Belastung für das Budget werden.

Ganz ehrlich: Das Budget ist ein Trümmerhaufen, so schaut es aus, und damit ist jetzt umzugehen. Ich glaube – noch einmal! –, es ist wesentlich, da ehrlich zu sein und zu sagen: Wir haben etwas ausgegeben, das aber auf der Einnahmenseite nicht abgedeckt!, und so ist es. Ein Defizitverfahren ist nichts Lustiges, und selbst dann, wenn wir kein Defizitverfahren haben, werden die Einsparungen noch einmal höher werden. 

Ich darf schon daran erinnern, dass insbesondere die ÖVP darauf gedrängt hat, die Fiskalregeln auf europäischer Ebene möglichst zu verschärfen. Ob das ein guter Zugang für unser Land war, das möchte man wirklich bezweifeln. 

Wir haben weiters die Problematik, dass das, was wir immer gefordert haben, nämlich die Dämpfung der Inflation, nicht stattgefunden hat. Auch vor dieser Rechnung stehen wir jetzt. Die letzte Regierung hat die Inflation nicht gedämpft (Zwischenrufe bei der ÖVP), und damit haben wir uns viele, viele Probleme eingehandelt, vor denen wir jetzt stehen. 

Realitäten sind Realitäten! Ich weiß, dass es nicht angenehm ist. Das Budget ist ein Trümmerhaufen, vor dem wir stehen – und das ist jetzt zu lösen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen jetzt – das hat Kollege Himmer ja völlig richtig gesagt – Investitionen. In einer Zeit, in der man das Budget konsolidieren muss, brauchen wir eigentlich, um die Wirtschaft, die sich ja wirklich in einer Rezession befindet, wieder zu stimulieren, Investitionen, und zwar ganz, ganz dringend, für die Unternehmen und für die Arbeitnehmer:innen zur Erhaltung der Arbeitsplätze. Da braucht es wirklich gute Konzepte.

Und es braucht – auch das fordern wir als Sozialdemokratie schon seit vielen Jahren – eine Industriestrategie. Eine solche fehlt in diesem Land, das wäre ganz, ganz wichtig. Die Industrie befindet sich im größten Wandel. Da muss man eine Strategie entwickeln, wie man mit der Industrie fortfährt. 

Ganz ehrlich: Jetzt kann man darüber leise lächeln wie in den Reihen der ÖVP, aber Fakt ist schon (Zwischenruf des Bundesrates Buchmann [ÖVP/Stmk.]), dass wir wissen, wie es in Deutschland ausschaut; wir wissen, wie es mit den Zulieferbetrieben für die Autoindustrie ausschaut. Ich meine, da drüberzustehen und arrogant zu sein, würde ich jetzt nicht machen. Es ist einfach eine besonders schwierige Zeit für alle handelnden Personen, für alle, die sich in der Politik befinden, aber vor allen Dingen für die Menschen in diesem Land. 

Wir haben ein riesiges Problem in der Form, dass es eine große Zahl von Insolvenzen gibt; Insolvenzen, die Menschen gerade jetzt vor Weihnachten ihren Arbeitsplatz verlieren lassen; Insolvenzen, die beispielsweise 1 500 Mitarbeiter:innen, wie bei Kika/Leiner, betreffen – dort gibt es jetzt kein Reparaturverfahren, sondern ein richtiges Konkursverfahren. Es gibt auch die Insolvenz bei KTM. Ganz ehrlich, da zu sagen, das wäre einzig und allein die Wirtschaftslage – nein, gerade bei KTM ist es ein unglaublicher Managementfehler und eine Art, mit Mitarbeiter:innen umzugehen, wie man nicht mit ihnen umgehen sollte. Da wird jetzt eine ganze Region sozusagen in größte Schwierigkeiten gestürzt, weil die Menschen ihre Beschäftigung verlieren. 

Wir wissen ja: Wenn es in der Industrie zu Schwierigkeiten kommt, fallen auch alle anderen Arbeitsplätze gleich mit weg, das ist doch ganz logisch. Da gilt es also hinzuschauen. Das ist wirklich etwas, das uns ganz, ganz stark beängstigen muss. 

Das bedeutet: größte Herausforderungen für die Arbeitsmarktpolitik, größte Herausforderungen für das AMS – größte Herausforderungen. Wir sind dazu aufgerufen, jetzt Sicherheit zu bieten und den Menschen Qualifizierungsmöglichkeiten zu geben und ihnen auch die Möglichkeit zu geben, andere Jobs zu finden. Es ist nicht leicht, vor Weihnachten gesagt zu bekommen: Du verlierst deinen Arbeitsplatz!

Dann kommt auch noch wie bei KTM die Tatsache dazu: Das Weihnachtsgeld gibt es jetzt nicht! – Das ist für viele ein riesiges Problem, da stellt sich dann die Frage: Kann ich meinem Kind zu Weihnachten etwas kaufen, etwas unter den Christbaum stellen oder nicht? – Das sind Einzelschicksale und das ist wirklich hart. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Ich darf betonen, wie wichtig es ist, dass es den Insolvenzentgeltfonds gibt, der auch aus Lohnnebenkosten gespeist wird. Alle, die sagen: Wir müssen die Lohnnebenkosten senken!, sollen bitte gleich dazusagen, in welchem Bereich sie dann einsparen werden oder welche Leistungen es dann nicht mehr geben wird. Die Lohnnebenleistungen sind ein ganz, ganz wesentlicher Bestandteil zur Finanzierung unseres Sozialstaates; da muss hingeschaut werden.

Ich darf noch einmal betonen – auch das zu dem Trümmerhaufenbudget –: Wir haben seit 2019 die Lohnnebenkosten in vielen Bereichen etwas heruntergedreht, und das ist ein Kostenrahmen von 2 Milliarden Euro, der sich da angesammelt hat, der im Budget fehlt. Auch darauf sei noch einmal hingewiesen. 

Ganz wichtig: Zu einer Industriestrategie auf der einen Seite braucht es eine Standortstrategie auf der anderen Seite. Wir werden heute noch viel darüber hören, weil das im Bundesrat natürlich wesentlich ist. Wir brauchen Investitionen und Investitionsmöglichkeiten in den Gemeinden. Das ist für die regionale Wirtschaft ganz, ganz wesentlich. Wir wissen, dass viele Gemeinden große Finanzierungsprobleme haben; dort muss man hinschauen. Geld, das man dort für Investitionen ausgibt, das hilft auch dort, den Arbeitsmarkt anzukurbeln und somit weiterzuhelfen. 

Grundsätzlich ist die hohe Zahl der Arbeitslosen, die steigende Arbeitslosenzahl eine der ganz, ganz großen Herausforderungen. Jeder einzelne Arbeitsplatz, der verloren geht, ist einer zu viel, ganz eindeutig. 

Bei der Konsolidierung dieses Budgets muss man darauf achten, dass nicht wieder die Arbeitnehmer:innen, die Pensionist:innen, die Konsument:innen die Gschnapsten sind und gesagt wird: Jetzt habt ihr zu zahlen! – Man muss auch einnahmenseitig etwas machen, denn es kann nicht so sein, dass starke Schultern weniger tragen als die Leute, die jetzt eh schon durch schwere Krisen gegangen sind und von der Teuerung so betroffen sind. Man muss es also klug machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch etwas auf europäischer Ebene, weil der Bundesrat ja auch die Europakammer ist: Es ist ganz, ganz wesentlich, auf europäischer Ebene darauf zu schauen und darauf zu drängen, dass die Goldene Regel durchgesetzt wird, das heißt, dass man jene Investitionen, die man für die Zukunft macht – in Infrastruktur, in Schulen, in was auch immer –, die in der Zukunft für die nächsten Generationen wirken sollen, dass man also diese Investitionen von diesem Einsparungspfad ausnimmt. Das wäre ganz, ganz wichtig. Nützen wir alle Ihre Verbindungen nach Europa dafür, darauf zu drängen. 

Es wurde schon der Fehler mit dem starken Anschrauben der Fiskalregeln gemacht, das fällt uns jetzt auf den Kopf. Auf der anderen Seite wäre es wichtig, jetzt Investitionen für die Zukunft zu machen und die Goldene Regel da wirklich wirksam werden zu lassen. Das ist wichtig. 

Abschließend darf ich noch eines sagen – wir haben jetzt so viele Berichte aus der Gewerkschaft von Kolleginnen und Kollegen, die bei Kika/Leiner arbeiten, bekommen –: Es ist völlig klar, dass die Kunden wirklich verärgert sind, weil viele viel Geld verloren haben, aber bitte, bitte, bitte beschimpfen Sie nicht die Beschäftigten! Es ist unglaublich, was diese jetzt erleben. Sie verlieren ihren Arbeitsplatz, haben Schwierigkeiten, jetzt über die Runden zu kommen, müssen sich neue Arbeit suchen. Sie haben in diesem Kika/Leiner-Abgangsprozess, der es einem schwer macht, schon ganz, ganz viele Phasen durchgemacht, man kann sie jetzt nicht auch noch beschimpfen. Ich weiß, dass die Leute verärgert sind, aber die Beschäftigten sind nicht die richtige Adresse, um dort seinen Ärger auszudrücken. – Darum darf ich ganz herzlich bitten und das von den Beschäftigten mitbringen. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Schreuder [Grüne/W].)

9.21

Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin. 

Als Nächster ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.