RN/9
9.36
Bundesminister für Finanzen DDr. Gunter Mayr: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf die Aktuelle Stunde nutzen, um mich kurz auch persönlich bei Ihnen vorzustellen, aber zuallererst möchte ich mich beim Herrn Bundespräsidenten und beim Herrn Bundeskanzler für das Vertrauen bedanken. Es ist bereits angesprochen worden: Dieses Vertrauen ist auch ein Vertrauen in die österreichische Beamtenschaft.
Ich bin diese Aufgabe mit Demut und vollem Einsatz angegangen und merke schon nach einigen Tagen: Dieser volle Einsatz ist auch notwendig.
Ich selbst habe einen wissenschaftlichen Background. Ich habe mich im Jahr 2003 an der Universität Innsbruck habilitiert, bin dann ins Finanzministerium gewechselt, war immer in der Steuersektion, und seit 2012 bin ich Steuersektionschef. Im Zuge von 13 Jahren Steuersektionschef hat man die große Ehre und Freude, viele Steuerreformen begleiten zu dürfen. Ich möchte nur ganz kurz noch einmal auf meinen Amtsvorgänger hinweisen und mich bei Magnus Brunner ganz herzlich für die Zusammenarbeit bedanken, denn in den letzten drei Jahren ist vieles passiert. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Ich möchte nur zwei, drei Highlights herausgreifen, etwa dass es trotz Krisensituationen gelungen ist, mit der Abschaffung der kalten Progression einen unglaublichen Meilenstein im Steuerrecht in Österreich zu setzen. Wenn ich mit den Bürgerinnen und Bürgern und auch mit Steuerberatern in Kontakt bin, fällt mir auf, dass ihnen manchmal die Effekte der Abschaffung der kalten Progression nicht ganz bewusst sind.
In Österreich sind durch die Abschaffung der kalten Progression im nächsten Jahr, was die Einkommen-, Lohnsteuer betrifft, Einkommen bis 19 600 Euro komplett steuerfrei. Da sind wir international ein absoluter Spitzenreiter. Das lässt sich auch gut begründen – Existenzminimum; das, was die Leute zum Leben brauchen, soll nicht besteuert werden –, und da sind wir wirklich sehr, sehr weit gekommen.
Wenn man allerdings einen Blick auf den Steuertarif in Österreich wirft, erkennt man auch, dass man gerade in der Mittelzone relativ schnell in eine recht hohe Steuerbelastung hineinkommt. Ich glaube, die Debatte um die Motivation, Leute von Teilzeit in Vollzeit bringen zu können, wird gerade auch in dieser mittleren Zone irgendwie ansetzen müssen.
Letztes Jahr im Dezember ist es hier im Hohen Haus gelungen, auch noch zwei schöne Steuerreformpakete auf Schiene zu bringen. Was uns Legisten damals besonders gefreut hat, ist, dass die erste Stufe der globalen Steuerreform – eine globale Mindestbesteuerung für Großkonzerne, IT-Konzerne weltweit von 15 Prozent – hier im Hohen Haus einstimmig beschlossen worden ist.
Das ist insofern ein schönes Zeichen, als man auch sieht, dass Sachlichkeit und gute Argumentation über die Fraktionen hinaus Zustimmung finden können.
Gleichzeitig haben wir letztes Jahr im Dezember auch eine große Gemeinnützigkeitsreform verabschieden können, und da sind auch – mit einer Ausnahme – fast alle Fraktionen mitgegangen. Das war gerade vor Weihnachten ein ganz wichtiges Signal für das soziale Engagement.
Ja, es wäre halt schön, noch über weitere Steuerreformideen reden zu können, nur haben die letzten Tage bereits gezeigt: Wir sind in einer ganz intensiven Budgetdebatte. Diese hat auch mich jetzt natürlich voll beansprucht.
Was kann das Ziel eines Expertenübergangsfinanzministers sein? – Ich kann nur unterstützen, dass man für Klarheit und Sicherheit sorgen kann und die Diskussion etwas objektivieren sollte und möchte.
Es hat hier bereits kleine Angriffe von der freiheitlichen Fraktion gegeben, wie auch bereits im Plenum des Nationalrates. Da muss ich schon einmal ganz deutlich darauf hinweisen: Ob Sie es glauben oder nicht, eine Wifo-Oktoberprognose kommt im Oktober und nicht davor. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Das sind standardisierte Prozesse. Da steht groß Oktoberprognose, und bitte schauen Sie sich das an: Das sind Oktoberprognosen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) – Schauen Sie sich die Wifo-Prognose (ein Schriftstück in die Höhe haltend) an!
Ich war in den letzten Tagen ganz intensiv natürlich auch mit den Wirtschaftsforschern im Austausch, und sie haben mir belegt, dass sich die Wifo-Prognose innerhalb kürzester Zeit, von Juni bis Anfang Oktober, massiv verschlechtert hat. (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.].) Da ist in drei bis vier Monaten so viel passiert, das auch für das Wifo nicht absehbar war. Im Juni ist das Wifo noch von einem Nullwachstum ausgegangen, und Anfang Oktober waren es minus 0,6. Also das sind Riesenschritte, die da erfolgt sind. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].)
Das Wifo hat im gleichen Atemzug die Prognose des Budgetdefizits dann auf minus 3,7 und für das Jahr 2025 auf Minus 4 Prozent erhöht.
Wir vonseiten des BMFs sind nach wie vor etwas optimistischer. Es gilt aber auch, ganz klar zu sagen – und deshalb auch dieser intensive Austausch mit den Wirtschaftsforschern –, dass es jetzt nicht darum geht, um Zehntelprozentpunkte zu streiten und zu rittern, sondern wir müssen Klarheit in diese Debatte hineinbekommen.
Die Europäische Kommission hat uns am 15.11. ihre Einschätzung übermittelt. Sie geht davon aus, dass wir im Jahr 2024, also aktuell, mit einem Defizit von 3,6 Prozent und im nächsten Jahr mit einem von 3,7 Prozent rechnen müssen.
Wir haben der Europäischen Kommission bereits mitgeteilt, warum das Defizit im heurigen Jahr über 3 Prozent liegen wird. Unser Schreiben ist von Ende Oktober, und da haben wir die Gründe auch angeführt. Das sind natürlich das negative Wirtschaftswachstum – bei dem Ganzen gibt es so Leitformeln, wie man sich das über dem Daumen erklären kann; 1 Prozentpunkt schlechter im Wirtschaftswachstum bedeutet in etwa ein um einen halben Prozentpunkt höheres Defizit; so ungefähr kann man das zusammenfassen –, auch die Hochwasserkatastrophe und andere negative Rahmenbedingungen.
Ich bin dann gleich zur Europäischen Kommission gefahren, und wir haben das erörtert, weil die Europäische Kommission uns voraussichtlich Mitte Dezember einen neuen Referenzpfad mitteilen wird.
Ganz entscheidend wird für uns das Jahr 2025. Wir sehen das bei anderen EU-Mitgliedstaaten, wie zum Beispiel Finnland, die im Jahr 2024 ein Budgetdefizit von über 3 Prozent haben. Ein solches Ausreißerjahr lässt sich der Europäischen Kommission gegenüber argumentieren, wenn unvorhersehbare Ereignisse eingetreten sind. Das Thema wird nur sein: Die Europäische Kommission wird das nur akzeptieren und über Österreich kein Defizitverfahren verhängen, wenn wir es im nächsten Jahr schaffen, unter 3 Prozent zu kommen.
Das nächste Jahr wird hinsichtlich der Maßnahmen ein ganz entscheidendes sein. Wir haben die Aktuelle Stunde auch mit Referenzpfade übertitelt. Das ist momentan in der Logik der Budgetdebatte natürlich verschärfend, weil man momentan in vier Optionen denken muss. Man bekommt von der Europäischen Kommission Referenzpfade für vier beziehungsweise sieben Jahre. Das sind die regulären Referenzpfade, mit denen wir natürlich arbeiten müssen. Sollte es ein EU-Defizitverfahren geben, dann gibt es weitere zwei Referenzpfade, wiederum für vier und sieben Jahre.
Ich glaube, der Budgetdienst hat das bereits Mitte November sehr gut analysiert, auch hinsichtlich des Zahlenwerkes. Da kann man sich einen sehr guten Überblick darüber verschaffen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der volle Fokus liegt momentan auf dem Budget, und das wird mich auch in den nächsten Wochen als Finanzminister voll beanspruchen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
9.46
Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesminister.
Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christian Buchmann. Ich erteile ihm das Wort.