RN/18

9.54

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Danke, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem auch: Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer zu Hause vor den Bildschirmen! Mit dem von Ihnen gewählten heutigen Thema „Harte und konsequente Arbeit der Polizei: Schleppermafia meidet Österreich“ – das könnte ja fast der Titel eines Krimis sein – wird offensichtlich versucht, das wirklich vorhandene Problemfeld der illegalen Migration so darzustellen, als hätte Österreich da alles oder zumindest vieles im Griff. 

Mit diesem Titel wird vermittelt: So, jetzt haben wir es geschafft! – Diese positive Erzählung ist ja per se nichts Schlechtes, sie ist jedenfalls zutreffender als die Untergangsstimmung, die andere ständig verbreiten, auf diese Weise bewusst mit der Angst der Menschen spielen, polarisieren und so auch oft mit verkürzten und pauschalisierenden Erzählungen Menschen und ganze Menschengruppierungen auseinanderdividieren. 

Ihre Erzählung, Herr Minister Karner, ist und bleibt aber eher eine Momentaufnahme, nichts anderes ist das; sie beschreibt eine temporäre Tendenz und nicht eine stabile Langzeitwirkung. Eine dauerhafte Entspannung – und damit einen Grund zur Entwarnung – kann man nicht erwarten. 

Ich sage Ihnen auch, warum: weil die riesigen Herausforderungen – die Unruhen, die kriegerischen Auseinandersetzungen, die instabilen Verhältnisse in vielen Ländern dieser Welt und auch die Klimaerwärmung, die Klimaerhitzung – als Fluchtursachen bestehen bleiben und kein Ende der Fluchtgründe und somit der Fluchtbewegungen in Sicht ist. Migration und vor allem auch Integration – dieses Thema fehlt mir heute in dieser Debatte völlig – sind und bleiben eine riesige Herausforderung für uns alle. 

Als Sicherheitssprecher der SPÖ und als Polizist mit rund 30-jähriger Erfahrung darf ich Ihnen, Herr Minister, sagen: Natürlich wissen wir genauso gut wie Sie, dass der Rückgang von illegaler Migration zum Beispiel von der Jahreszeit, von speziellen äußeren Umständen und Entwicklungen wie angesprochen in den Ländern, aber auch vom effektiven Fahndungsdruck durch unsere Sicherheitskräfte – und da insbesondere durch unsere Polizei – beeinflusst wird. Und da gebe ich Ihnen recht: Die Polizei leistet seit vielen Jahren Großartiges, und das, obwohl immer noch Personal fehlt. 

Danke an dieser Stelle an alle Polizistinnen und Polizisten für ihre großartige Arbeit, für ihr Engagement und auch für ihre Professionalität! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.)

Wenn ich schon beim Personal bin: Wir haben vor wenigen Monaten – wer sich erinnert –, im Juni, als SPÖ-Fraktion hier im Parlament im Rahmen einer Dringlichen Anfrage mehr Polizist:innen gefordert, und ich sage heute und hier: Diese Forderung ist nach wie vor hochaktuell und sie bleibt auch aufrecht. Wenn wir nämlich als Politik die Anforderungen und Aufgaben des Sicherheitswesens ernst nehmen, dann müssen wir die freien Planstellen besetzen und eine Personaloffensive konsequent verfolgen. Herr Minister, ich halte Ihnen zugute, dass Sie da bemüht sind, wir sind aber längst noch nicht am Ziel und haben noch viel Luft nach oben. 

Jetzt aber zurück zur illegalen Migration: Ich habe den Fahndungsdruck der Polizei schon angesprochen. Natürlich – das liegt ja auf der Hand – werden Schlepperrouten immer wieder gewechselt. Wenn die Luft zu dick wird, dann weichen Schlepper eben aus. Das heißt aber nicht, dass sie Österreich auf Dauer meiden werden. Deshalb mag Ihr Motto „Schleppermafia meidet Österreich“ im Moment teilweise zutreffen, morgen kann es aber schon wieder ganz anders sein und auch anders kommen. (Beifall bei der SPÖ.) 

So ist und bleibt die wirksamste Bekämpfung von illegaler Migration noch immer erstens die Bekämpfung der Fluchtursachen – als oberste und wichtigste Maßnahme –, zweitens der Schutz der EU-Außengrenzen, drittens ein geregelter Zugang zu legaler Migration und viertens beschleunigte Asylverfahren an den EU-Außengrenzen. 

Aufgrund der aktuellen Ereignisse möchte ich noch wie mein Vorredner auf zwei Themen kurz eingehen und diese ansprechen: 

Punkt eins: Auch ich bin froh, dass Sie, Herr Bundesminister, den Weg aus der Sackgasse gefunden haben und vorige Woche mit Ihrer Zustimmung zum Schengenvollbeitritt von Rumänien und Bulgarien Ihre zweijährige Vetohaltung aufgegeben haben. Mit dieser Blockade – darin sind wir uns mit vielen Experten einig – waren wir als Österreich in Europa isoliert und absolut im Abseits. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der Grünen.) 

Diese Blockade hat Österreich im Ansehen, in seiner Reputation geschadet, aber eines ist auch klar: Hätten Sie, sehr geehrter Herr Minister, jetzt nicht diesen Schritt gemacht, hätte Sie in wenigen Tagen – oder er hat es schon gemacht – Ihr Parteifreund, der neue EU-Kommissar Magnus Brunner, dazu auffordern müssen, dieses Veto zu beenden. Dass Sie jetzt zu dieser Einsicht gekommen sind, ist gut, wir hätten uns das alles aber auch sparen können. 

Abschließend noch ein paar Gedanken, weil es so wichtig ist, zur aktuellen Entwicklung in Syrien: Ich gehe d’accord mit Ihnen, wenn Sie feststellen, dass durch die veränderte Situation – durch den Sturz von Assad – die offenen Asylanträge auszusetzen sind und eine neue Bewertung der Grundlagen vorzunehmen ist. Das ist aber keine Erkenntnis oder Initiative, die sich Einzelne auf die Fahnen heften können, das ist ganz einfach die aktuelle Rechtslage. 

Mit dieser Rechtsmeinung sind wir auch in guter Gesellschaft: Viele Länder stimmen uns da zu, unter anderem auch Deutschland. – Aber jetzt kommt es: Wenn Sie, Herr Minister, vor ein paar Tagen, in der jüngsten Nationalratssitzung, schon von einer Abschiebeliste gesprochen haben und diese angeblich vorbereiten lassen, dann lässt das die notwendige Sensibilität und Professionalität absolut vermissen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.) Es sollten nämlich gerade jetzt, in dieser schwierigen Zeit, nicht vorschnell Erwartungen geweckt werden, die unter Umständen gar nicht erfüllt werden können. 

Jetzt stellt sich für mich eine ganz wichtige Frage: Wer kann nun in dieser Situation, in diesen Tagen, wenige Tage nach dem Umsturz in Syrien garantieren, dass sich die jetzt an der Macht stehende Islamistengruppierung an Menschenrechte halten wird? Wenn Herr Kollege Himmer davon spricht, dass Syrien jetzt sicher ist beziehungsweise wäre, dann würde ich empfehlen, die Bilder in den Medien anzusehen: Es rennen dort Hunderte, Tausende mit Maschinengewehren auf offener Straße herum. Wenn man da von Sicherheit sprechen kann, dann wundert mich das wirklich sehr. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Im Übrigen schließt sich auch die EU-Kommission und auch der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen dieser Meinung an. Ich bin, wir sind der Meinung, dass in dieser Frage eine populistische Herangehensweise absolut unangebracht ist. Was es jetzt braucht, ist ein ungetrübter Überblick über die Lage in Syrien, und das wird Tage, Wochen, vielleicht Monate brauchen. Erst wenn ein sicheres und menschenwürdiges Leben dort möglich ist, kann man an geordnete und organisierte Rückkehrprogramme denken. (Bundesrat Schennach [SPÖ/W]: Genau!) Am besten ist, wenn wir das gemeinsam und natürlich koordiniert in ganz Europa organisieren. 

Ich schließe mit einem Zitat, das Caritas-Präsident Michael Landau vor wenigen Tagen auf X gepostet hat. Er schreibt dort, ich zitiere: „Bestürzt hat mich die Reaktion unserer Bundesregierung. Statt Worte der Mitfreude und Hoffnung für die leidgeprüften Menschen, war eine der ersten Meldungen ‚Abschiebungsprogramm‘!“ – Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

10.03

Präsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat. 

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile das Wort. 

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.