RN/25
10.54
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das war eine sehr erstaunliche Rede für eine Erstrede, finde ich, aber herzlich willkommen im Bundesrat, Frau Kollegin.
Ich möchte jetzt schon, damit da keine Mythen entstehen, sagen: Wenn es um Gewalt gegen Exekutivbeamtinnen und -beamte geht, dann werden Sie hier in diesem Saal niemanden finden, der dafür wäre – das kann ich Ihnen versichern. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Und ich kann Ihnen auch versichern, dass wir immer dann, wenn Gewalt gegen Exekutivbeamtinnen und -beamte passiert, sofort die Ersten sein werden, die das kritisieren werden. Ich möchte allerdings schon auch sagen, dass eine Demonstration, die übrigens ein Freudenfest war - - (Bundesrätin Jäckel [FPÖ/Vbg.] – erheitert –: Ja!) – Da haben Syrerinnen und Syrer gefeiert, und zwar vollkommen zu Recht, Frau Kollegin, dass das brutalste Regime, das wir auf diesem Planeten hatten, das Regime von Baschar al-Assad, entfernt wurde und nicht mehr an der Macht ist.
Ich muss Ihnen ganz offen sagen: Ich habe mitgefeiert. Dort sind Menschen brutalst zu Tausenden und Abertausenden ohne Gerichtsverfahren in Keller verschleppt worden, brutal misshandelt worden. Ich meine, Sie haben die Bilder doch gesehen. Dass Syrerinnen und Syrer – und auch ich habe persönlich sehr viel Kontakt zu Menschen aus Syrien – davor geflohen sind: Ja, selbstverständlich sind sie davor geflohen! So viel Empathie, Frau Kollegin, sollte man doch haben, zu verstehen, dass sich diese Menschen, die vor dieser Brutalität geflohen sind, dann freuen und feiern, wenn das brutalste Regime der Welt entfernt worden ist. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)
Ich möchte noch etwas sagen – was mich auch ein bisschen überrascht; mir geht es ja ein bisschen ähnlich, das Thema ist ja so vielschichtig –: Herr Kollege Zauner hätte gerne, dass die Integrationsministerin hier wäre. Ich fände, die Anwesenheit des Außenministers wäre genauso interessant, denn das sind ja kommunizierende Gefäße. Wie man die Situation in Syrien außenpolitisch bewertet, hat ja auch Auswirkungen darauf, wie man die Situation von Flüchtlingen und wer aus welchen Gründen flieht bewertet. Es ist ja ganz wesentlich, wovor man flieht.
Ich finde es schon sehr interessant: Es gab jetzt plötzlich nach diesem Sturz von Assad ungefähr so viele Syrienexperten, wie es Nationaltrainer in Österreich gibt, und alle haben plötzlich genau gewusst, was zu tun ist – und das habe ich wirklich sehr bedauert. Es sind so viele Syrerinnen und Syrer bei uns im Land. Viele von ihnen wollen ihr Land nach dem Sturz von Assad auch wieder aufbauen. Diese haben die Motivation, wieder nach Syrien zu gehen und Wiederaufbau zu leisten, einen demokratischen Strukturaufbau zu leisten. Aber: Sie wissen noch nicht, welches Syrien sie erwarten wird. Jetzt zu behaupten, man wisse schon genau, dass jetzt alle zurückkehren können: Passt schon, Syrien ist ein sicheres Land, geht schon!, das ist einfach auch nicht empathisch, finde ich,
Wir müssen den Syrerinnen und Syrern, die bei uns Asyl bekommen haben, weil wir ja auch der Flüchtlingskonvention unterliegen, auch das Gefühl geben: Wir sind für euch da, wenn ihr Schutz benötigt! Wenn ihr zum Wiederaufbau beitragen wollt, helfen wir euch, dass ihr zurückkehren könnt! – Das ist ja eigentlich die Situation.
Wissen wir, wie es einer Feministin in Syrien in Zukunft gehen wird? Wissen wir, wie es einem schwulen Flüchtling, der aus Syrien geflohen ist, in Zukunft gehen wird? Wissen wir, wie es den Kurdinnen und Kurden, den Drusen, den Christen und Christinnen in Zukunft gehen wird? – Wir wissen es nicht.
Deswegen, finde ich, ist es auch wichtig, empathisch genug zu sein, dass wir diesen Menschen sagen: Wenn ihr einen guten Asylgrund habt, wir aber noch nicht wissen, ob ihr in Sicherheit sein werdet, werden wir euch hier den Schutz gewähren, und wenn ihr zurückkehren wollt - - Es gab gestern eine sehr interessante Dokumentation im deutschen Fernsehen über die Lage an der türkisch-syrischen Grenze. In der Türkei sind ja Millionen Flüchtlinge – das muss man auch deutlich sagen; da hat die Türkei wirklich viel geleistet, das muss man wirklich deutlich sagen –, aber die Türkei ist natürlich auch dabei, die Kurden unter Druck zu setzen. Wir wissen nicht, wie es den Kurden in Syrien in Zukunft gehen wird.
Da braucht es Sachlichkeit statt Emotion, da braucht es eine klare Analyse, auch eine außenpolitische Analyse, wie es mit der Situation in Syrien ausschaut, bevor man auf Kosten von Menschen, die in Not waren und bei denen wir noch nicht wissen, ob sie es noch sind, vorgeht. Ich finde, diese Empathie haben diese Mitbürgerinnen und Mitbürger von uns verdient. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)
10.59
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Manuela-Anna Sumah-Vospernik. Ich erteile ihr dieses.