RN/35
11.45
Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Uns NEOS war und ist die Garantie der Grund- und Menschenrechte seit jeher ein besonderes Anliegen. Im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs in das Grundrecht auf Datenschutz und das Grundrecht auf Privat- und Familienleben im Zuge von Handysicherstellungen hat der VfGH mit seinem Urteil vom 14.12.2023 die Verfassungswidrigkeit der derzeit geltenden Bestimmungen festgestellt und eine Reparatur des Gesetzes bis Ende des Jahres verlangt.
Die auf Mobiltelefonen gespeicherten Daten – Browserverläufe, Verbindungsdaten, Kommunikationsinhalte, Fotos und so weiter – versetzen ermittelnde Behörden in die Lage, ein extrem umfassendes Bild über das aktuelle und das bisherige Leben der von der Sicherstellung betroffenen Person zu geben, so wie dies bei der Auswertung sonstiger sichergestellter Gegenstände absolut nicht der Fall ist. Darüber hinaus ist eine Handysicherstellung bislang schon bei Vorliegen eines Anfangsverdachts im Zuge einer ganz normalen staatsanwaltschaftlichen Ermittlung ohne richterliche Genehmigung möglich. Dass die derzeit geltenden Regelungen also wohl abgeändert werden mussten, war jedem klar, weil ein sorgsamer Umgang mit diesen sensiblen Daten auf dem Boden des Rechtsstaates nicht gewährleistet war.
Wie der VfGH mehrfach festgehalten hat, setzt ein wirksamer Rechtsschutz richterliche Kontrolle voraus, weil im Hinblick auf die zu beurteilenden weitreichenden und eingriffsintensiven Befugnisse der Strafverfolgungsorgane und die damit erforderliche Missbrauchsprävention nur die Kontrolle durch das Gericht effektiven Grundrechtsschutz gewährleistet. Auch der EuGH hat immer wieder – zuletzt als Große Kammer in seinem Urteil gegen die Bezirkshauptmannschaft Landeck – ausgesprochen, dass unter anderem die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und die vorherige Kontrolle durch ein Gericht gewährleistet sein müssen.
Der vorliegende Gesetzentwurf enthält daher allem voran die Neuerung, dass eine richterliche Bewilligung über den Umfang der sichergestellten Daten vorliegen muss, aber er normiert auch strengere Dokumentationspflichten bei der Auswertung und Auslesung dieser sichergestellten Daten. Er stärkt die Beschuldigtenrechte, indem eine Einsicht in die ausgewerteten Daten vorgesehen ist, und er normiert ein Vernichtungsgebot und ein Beweisverwertungsverbot bei überschießend ausgelesenen Daten.
Schwierige Aufgabe des Gesetzgebers war es, das öffentliche Interesse an der Verfolgung und Aufklärung von Straftaten und die diesem diametral gegenüberstehenden grundrechtlich geschützten Interessen der Betroffenen – insbesondere den Schutz der Geheimhaltungsinteressen und den Schutz der Privatsphäre und des Familienlebens – gegeneinander abzuwägen und in Ausgleich zu bringen.
Der Vorgabe des VfGH, dass eine personelle und organisatorische Trennung von Aufbereitung und Auswertung der sichergestellten Handydaten vorliegen muss, dass also die Person, die forensisch auswertet, und die Person, die die Daten aufbereitet, nicht dieselbe Person sein dürfen, wurde leider nicht eingehalten.
Ebenso ist zwar die Verwertung von Zufallsfunden auf den Rahmen der gerichtlichen Bewilligung eingeschränkt, bleibt aber weiterhin möglich und ist damit keine rechtsstaatlich saubere Lösung.
Dass dieser Gesetzentwurf dem Parlament erst nach einem gelinde gesagt holprigen parlamentarischen Prozess kurz vor Ablauf der Reparaturfrist vorgelegt wurde, ist kein Ruhmesblatt der Gesetzeswerdung.
Ob dieser vorliegende Kompromiss einer neuerlichen VfGH-Überprüfung standhalten kann, ist unsicher und muss abgewartet werden. Wir NEOS stimmen dem Gesetz aber zu, weil es ganz klare Verbesserungen gegenüber der derzeitigen Rechtslage bringt und das Beschließen des Gesetzes im Hinblick auf das Auslaufen der bisherigen Rechtslage mit Ende des Jahres auch erforderlich ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
11.48
Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke.
Für eine Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte schön.