RN/36

11.49

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, betraut mit der Vertretung der Bundesministerin für Justiz, Johannes Rauch: Vielen Dank, Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Ich darf stellvertretend für die Justizministerin zu diesem Gesetzentwurf Stellung nehmen. Erlauben Sie mir aber vorab, Herr Bundesrat Schennach, Ihnen für Ihre Ausführungen zu danken. Sie haben, finde ich, einen Vorgang in dieses Haus hereingeholt, der auch im Lichte der Justiz einzigartig ist und der es verdient, vor den Vorhang geholt zu werden, weil seine Bedeutung, glaube ich, nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Vielen herzlichen Dank für Ihre Worte! (Beifall bei den Grünen.)

Es war der Verfassungsgerichtshof, der fast genau vor einem Jahr, am 14.12., ein Erkenntnis erlassen hat, das uns vor große Herausforderungen gestellt hat. Er hat nämlich die Sicherstellung von Gegenständen aus Beweisgründen aufgehoben. 

Da ist dann ein Prozess in Gang gekommen und gestartet worden, der einfach darauf abgestellt hat, diesem Erkenntnis gerecht zu werden und vor allem eine Übung zu machen, die schwierig genug ist, nämlich die Abwägung von zwei völlig diametralen Interessenlagen. Das sind auf der einen Seite der Schutz von Privatsphäre, das Recht auf meine eigenen Daten, auf der anderen Seite aber auch sozusagen die Notwendigkeit der öffentlichen Gerichtsbarkeit oder der Gerichtsbarkeit überhaupt, der Strafverfolgung. Diese beiden Interessenlagen stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander. Da eine ausgewogene – wie soll ich es nennen? – Vorgangsweise festzulegen, ist verfassungsrechtlich schwierig, das ist auf Grundlage der Menschenrechte und Grundrechte schwierig, und es ist eine Aufgabe, die versucht, beiden Seiten gerecht zu werden.

Das ist dann noch vor dem Sommer versucht worden. Da hat sich dann gezeigt – der Prozess ist auch kritisch dargelegt worden –, dass die Begutachtungsfrist einfach zu kurz war, weil die Materie so komplex war, wie sie ist. Das ist auch erkannt worden. Darauf hat die Justizministerin auch reagiert und die Begutachtungsfrist verlängert und Expertinnen und Experten beigezogen. Das war auch gut so, denn es hat sich gezeigt, dass in diesem Prozess, der dann aufgesetzt worden ist, die Abwägung der Interessen einfach noch einmal sorgfältig vorgenommen wurde.

Was jetzt vorliegt, ist natürlich ein Kompromiss – das ist richtig. Es wird sich dann – wie soll ich sagen? – in der Praxis zeigen, wie die Umsetzung stattfinden kann. Es ist wie gesagt auch schwierig: Die Quintessenz aus den Stellungnahmen war eine Regelung, die es nur der Polizei und in bestimmten Fällen den Gerichten erlauben würde, die Aufbereitung der Daten beschlagnahmter Datenträger durchzuführen. Das war weder vom Verfassungsgerichtshof gefordert noch praxistauglich – und das Ding muss ja auch praxistauglich sein –, denn das hätte zu Beweismittelverlust, was auch niemand wollen kann, oder zu einer ungebührlichen Verlängerung der Verfahren geführt. Deshalb haben wir – das war dann das Ergebnis – den Entwurf so überarbeitet, dass die Staatsanwaltschaften weiterhin ihre Leitungsbefugnis in Ermittlungsverfahren umfassend wahrnehmen können und trotzdem die vom Verfassungsgerichtshof vorgegebenen Gesichtspunkte befolgt werden.

Das waren genau die beiden Zugangspunkte, die abgewogen werden mussten, nämlich auf der einen Seite die Verpflichtung des Staates, Verbrechen zu verfolgen, und auf der anderen Seite eben das Grundrecht auf Datenschutz und Privatsphäre. Das ist vorgenommen worden, das liegt jetzt vor. Das findet, glaube ich, den Reden entnehmen zu können, auch eine breite Zustimmung und ist damit – das war ja auch der Punkt, um den es geht – fristgerecht so umgesetzt worden, finde ich, wie es vom Verfassungsgerichtshof verfolgt oder intendiert worden ist.

Zweiter Teil: Opferschutz. Das ist auch kurz erwähnt worden, geht im Lichte der Thematik der Handysicherstellung aber ein bisschen unter. Dieser Teil ist medial kaum diskutiert worden, ist aber wichtig, weil wir eine langjährige Forderung zu einem stärkeren Opferschutz umsetzen. Das heißt, in Zukunft haben Opfer die Möglichkeit, gegen eine Anzeigenrücklegung vorzugehen. Dazu bekommen Opfer und auch Beschuldigte bereits ab Tag eins Akteneinsicht – was wichtig ist – und nicht erst ab der förmlichen Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. 

Zukünftig erweitern wir auch die Prozessbegleitung für minderjährige Zeug:innen von Gewalt. Es erhalten Minderjährige, die Zeug:innen von Gewalt wurden, Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung. Wir sorgen mit einer Präzisierung der Zuständigkeit für einfachere Verfahrensregeln bei Hass im Netz und schaffen damit auch einschlägige Expertise, indem wir für Bezirksgerichte und Gerichtshöfe erster Instanz künftig Spezialzuständigkeiten für Verfahren wegen Gewalt im sozialen Nahraum, sogenannte häusliche Gewalt, festlegen. Das sind meines Erachtens schon auch viele kleine Schrauben, an denen gedreht worden ist, um den Gewaltschutz insgesamt zu verbessern.

Ich möchte mich im Namen der Justizministerin auch bei der Sektion IV des Justizministeriums bedanken, wo in diesem höchst komplexen Thema sehr rasch die jetzt vorliegende Gesetzesvorlage ausgearbeitet worden ist. 

Abschließender Satz, weil es im Grundsatz andiskutiert worden ist: Eine freie und unabhängige Justiz und eine Rechtsprechung, die der Gewaltenteilung folgt – das muss man ja heutzutage schon betonen –, sind die Grundlagen einer demokratisch verfassten Republik. Diese Grundlagen gilt es zu erhalten. Deshalb ist eine freie, unabhängige, ausreichend finanzierte, personell gut ausgestattete Justiz die Grundlage einer Demokratie. Das sollten wir auch wissen (Beifall bei Bundesrät:innen von Grünen, ÖVP und SPÖ ), denn wie Beispiele aus anderen Teilen der Welt zeigen, kann es sehr, sehr rasch zu Krisen kommen – auch an Orten, an denen man es nicht für möglich hält. Ich erinnere an Südkorea. 

Die Gewaltenteilung, die Funktionsfähigkeit der staatlichen Institutionen hochzuhalten, sichert letztlich das, was unsere Grundlage ist, nämlich: parlamentarische Demokratie, Pressefreiheit, Redefreiheit, Unabhängigkeit der Justiz. Ich bitte Sie, auch als Bundesratsmitglieder in Zukunft darauf zu achten. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei Bundesrät:innen von Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Schennach [SPÖ/W].) 

11.56

Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke für die Stellungnahme.

Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.